Mischung aus Knast und Psychiatrie De Maizière verteidigt Idee
15.08.2010, 13:30 UhrNach einem europäischen Urteil muss Deutschland rückfallgefährdete Schwerverbrecher in die Freiheit entlassen. Politik, Polizei und Bevölkerung stehen Kopf. Die Sicherungsunterbringung könnte laut Innenminister de Maizière die Lösung sein.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hält trotz des Widerstands unter anderem aus der FDP an seinem Konzept einer nachträglichen Sicherungsunterbringung für gefährliche Straftäter fest. Dies sei zwar keine Ideallösung, aber dennoch ein guter Weg, sagte de Maizière im Deutschlandfunk. Damit würden die Öffentlichkeit geschützt und der Rechtsstaat bewahrt. Der Minister wies darauf hin, dass die Regierung bei dem Thema unter Zeitdruck stehe und man deshalb keine lange Grundsatzdebatte führen könne.
Wegen eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Dezember 2009 können einige gefährliche Straftäter, die zu einer Haftstrafe samt anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden waren, mit ihrer Entlassung rechnen. Das Straßburger Gericht hatte es für menschenrechtswidrig erklärt, dass die Sicherungsverwahrung, die bis 1998 nur für die Dauer von zehn Jahren verhängt werden konnte, für einige Straftäter im Nachhinein verlängert worden war.
Neue Einrichtung
Bei der von de Maizière als Alternative vorgeschlagenen Sicherungsunterbringung handelt es sich um eine neuartige geschlossene Einrichtung, die weder Gefängnis noch Psychiatrie sein soll. Dagegen sagte allerdings Justiz-Staatssekretär Max Stadler (FDP), auch eine neue Form der zwangsweisen Unterbringung könne die von dem Gerichtsentscheid betroffenen "Altfälle" nicht erfassen. Sollte dies doch versucht werden, würde das betreffende Gesetz später erneut vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kassiert werden. "Wir dürfen kein Gesetz beschließen, das an den Gerichten sofort scheitert", sagte auch Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) der "Bild am Sonntag".
Sachsen-Anhalts Justizministerin Angela Kolb (SPD) hält de Maizières Pläne kaum für tragfähig. "Ich habe Zweifel, ob das rechtlich umgesetzt werden kann", sagte sie in Magdeburg. "Ich halte es für schwierig, jemanden wieder in staatliche Obhut zu nehmen, der aufgrund einer Gerichtsentscheidung auf freiem Fuß ist."
Sorge vor weiteren Entlassungen
Aufgrund der Gerichtsentscheidung könnten im laufenden Jahr etwa hundert Schwerstverbrecher aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden, in den folgenden Jahren weitere 200. Der niedersächsische Justizminister Bernd Busemann (CDU) kündigte im "Focus" an, er werde sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, dass in seinem Bundesland auch nur "ein einziger dieser als gefährlich eingestuften Sexualstraftäter" entlassen werde.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa