Politik

Kasernen-Schrumpfkur "unvermeidlich" De Maizière verteidigt Reform

Soldaten der 1. Panzerdivision verfolgen in Hannover die Pressekonferenz von de Maizière.

Soldaten der 1. Panzerdivision verfolgen in Hannover die Pressekonferenz von de Maizière.

(Foto: dapd)

Die Sparmaßnahmen von Bundesverteidigungsminister de Maizière sorgen für Unmut bei den betroffenen Kommunen. 31 Standorte sollen ihre Kasernentore schließen. Weitere 33 Standorte sollen drastisch schrumpfen, so dass faktisch über 60 vor dem Aus stehen. Der Minister kann den Ärger nachvollziehen, wirbt aber um Verständnis.

Verteidigungsminister Thomas de Maizière hat die geplante Schließung und drastische Verkleinerung von rund 120 Standorten der Bundeswehr verteidigt. Der CDU-Politiker äußerte Verständnis dafür, dass das neue Standort-Konzept sei. "Dennoch ist der Schritt unvermeidlich. Die Bundeswehr ist nicht um der Standorte willen da, sondern dafür da, ihren Auftrag gut und sparsam zu erfüllen."

Eine Übersicht über die betroffenen Standorte.

Eine Übersicht über die betroffenen Standorte.

Der Minister versprach ein "Reform-Begleitprogramm" für Soldaten und zivile Mitarbeiter, die von Schließungen betroffen sind. Auf die Frage, ob es noch größere Änderungen geben könnte, antwortete er: "Der Sack ist zu." De Maizière verwies aber darauf, dass bis zur endgültigen Schließung der betroffenen Standorte noch Zeit sei. "In der großen Masse" solle das Konzept bis 2017 umgesetzt werden, der Schlüssel werde "nicht morgen umgedreht".

Laut dem Konzept sollen 31 der insgesamt 328 Bundeswehr-Einrichtungen in Deutschland komplett schließen. 90 weitere werden drastisch verkleinert, das heißt um 50 Prozent oder mehr als 500 Dienstposten. 33 davon schrumpfen so stark, dass sie künftig mit weniger als 15 Soldaten oder Zivilisten ausgestattet sind und gar nicht mehr als Standorte geführt werden. Damit stehen faktisch über 60 Standorte vor dem Aus. Die Bundeswehr wird damit künftig noch an 264 Orten stationiert sein.

So sieht es aus: De Maizière zeigt Merkel die Liste der Standortschließungen.

So sieht es aus: De Maizière zeigt Merkel die Liste der Standortschließungen.

(Foto: REUTERS)

Die sechs Großstandorte, die geschlossen werden sollen, liegen in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. Schleswig-Holstein verliert mit acht Einrichtungen die meisten Standorte und gibt damit auch den Titel als Land mit der höchsten Bundeswehrdichte je Einwohner an das strukturschwache Mecklenburg-Vorpommern ab. Zu den spektakulärsten Schließungen zählt der als "Wiege der Luftwaffe" geltende Fliegerhorst im bayerischen Fürstenfeldbruck mit rund 800 Soldaten und 700 Zivilbeschäftigten.

Der CDU-Politiker schreibt in seinem Standortkonzept, dass die Truppe trotzdem in der Fläche präsent bleibe. Allerdings müsse sie so stationiert werden, dass sie ihren Auftrag "auch unter den Bedingungen eines zu konsolidierenden Bundeshaushaltes und mit geringeren Umfangzahlen" erfüllen könne.

Führung wird neu strukturiert

Die Schließung der Kasernen ist eine Folge der Neuausrichtung der Bundeswehr sowie des massiven Truppenabbaus und der Aussetzung der Wehrpflicht. Durch den Umbau der Truppe fallen rund 90.000 Dienstposten für Berufs- und Zeitsoldaten, Wehrdienstleistende und zivile Beschäftigte weg, für die in der bisherigen Infrastruktur der Bundeswehr jedoch noch Arbeitsplätze und Unterkünfte vorgehalten wurden. Zudem sollen weniger Kampfjets, Hubschrauber und Schützenpanzer beschafft sowie anderes Gerät ausgemustert werden, was ebenfalls Folgen für die Standorte hat.

Aus beschlossen: Wachposten am Feldlager in Lübtheen, Mecklenburg-Vorpommern.

Aus beschlossen: Wachposten am Feldlager in Lübtheen, Mecklenburg-Vorpommern.

(Foto: dpa)

Im Schnitt werden nach Aussage de Maizieres pro Standort 30 Prozent der Dienstposten reduziert. Die obersten Führungsebenen der Teilstreitkräfte verschmelzen zu Führungskommandos mit deutlich weniger Stellen als zuvor. So soll das Führungskommando des Heeres seinen Sitz künftig in Strausberg bei Berlin haben. Das Führungskommando der Luftwaffe siedelt nach Berlin-Gatow um, die Spitze der Marine kommt nach Rostock. Das Führungskommando der Streitkräftebasis bekommt seinen Sitz in Bonn, das des Zentralen Sanitätsdienstes in Koblenz. Wie viele Beschäftigte wegen des neuen Stationierungskonzepts umziehen müssen, ist nach den Worten des Ministers noch unklar. Die große Mehrzahl der Standortverlegungen solle bis 2017 abgeschlossen sein, ein großer Teil sogar schon bis 2015.

Ursprünglich hatte die Bundeswehr als Ausgangspunkt ihrer Planungen mit rund 380 Standorten gerechnet. De Maiziere nahm jedoch knapp 60 Einrichtungen aus der Kategorie Standort heraus, weil sie weniger als 15 Beschäftigte hatten.

Kommunen fordern Hilfen

Die Kommunen haben wegen der Schließung ein Hilfsprogramm für betroffene Regionen gefordert. "Über Jahrzehnte waren die Städte und Gemeinden, die jetzt von den Standortschließungen betroffen sind, gute Gastgeber für die Bundeswehr", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, der "Passauer Neuen Presse". Bund und Länder hätten "Verantwortung dafür zu tragen, dass an den Standorten jetzt nicht das Licht aus geht". Oftmals sei die Bundeswehr zentraler Arbeitgeber und mit ihren Zivilbediensteten wichtiger Wirtschaftsfaktor. Ein Ausgleich für den Abzug der Bundeswehr solle aus den Etats von Bund und Ländern bezahlt werden, berichtete die "Bild"-Zeitung.

"Wiege der Luftwaffe": Der Fliegerhorst Fürstenfeldbruck wird ebenfalls geschlossen.

"Wiege der Luftwaffe": Der Fliegerhorst Fürstenfeldbruck wird ebenfalls geschlossen.

(Foto: dapd)

Die Bundesagentur für Arbeit kündigte Hilfsangebote für betroffene Bundeswehrbedienstete an. "Wir werden sicherlich beim Übergang in eine Stelle auf dem normalen Arbeitsmarkt behilflich sein", sagte Arbeitsagentur-Vorstand Heinrich Alt der "Rheinischen Post". Dabei sollten die Jobcenter direkt in den leerlaufenden Kasernen Präsenz zeigen. Bisher hätten die Arbeitsagenturen mit ehemaligen Bundeswehr-Angehörigen gute Erfahrungen gemacht. "Sie verfügen oftmals über eine gute Ausbildung und eine ordentliche Qualifikation", sagte Alt.

Guttenbergs Erbe

Die Reform war im Frühjahr 2010 von de Maizières Vorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg auf den Weg gebracht worden. Die Bundeswehr soll von ursprünglich 250.000 auf 170.000 bis 185.000 Soldaten verkleinert werden. Durch das Aussetzen der Wehrpflicht ist die Truppe bereits jetzt schon auf rund 200.000 Soldaten geschrumpft. Außerdem verändert sich mit der Neuausrichtung die Bewaffnung der Bundeswehr: So sollen deutlich weniger Eurofighter, Kampf- und Transporthubschrauber und Schützenpanzer angeschafft werden als bisher geplant. Damit werden auch weniger Standorte benötigt.

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, forderte, die Standortschließungen möglichst sozial zu gestalten. "Es kommt jetzt darauf an, dass diese Härten, die entstehen, abgefedert werden", sagte Kirsch der ARD. Er habe selbst erfahren, wie sehr Standortschließungen Auswirkungen bis in die Familien hinein hätten. "Es geht jetzt vor allem darum, jedem plausibel zu machen, warum diese Entscheidungen so ausschauen, wie sie heute dann auf dem Tisch liegen", mahnte Kirsch. Das Begleitprogramm der Bundeswehr nannte der Verbandschef einen "ersten Schritt in die richtige Richtung". Allerdings sehe er da noch einigen Abstimmungsbedarf zwischen den Ressorts. Er sei gespannt, wie sich die Reform für die einzelnen Standorte darstelle.

Folgende 31 Standorte sollen vollständig geschlossen werden:

  • Baden-Württemberg: Hardheim, Hohentengen, Immendingen, Sigmaringen  
  • Bayern: Fürstenfeldbruck, Kaufbeuren, Penzing        
  • Hessen: Rotenburg an der Fulda       
  • Mecklenburg-Vorpommern: Lübtheen, Rechlin, Trollenhagen           
  • Niedersachsen: Ehra-Lessien, Lorup, Schwanewede
  • Nordrhein-Westfalen: Kerpen, Königswinter
  • Rheinland-Pfalz: Bad Neuenahr-Ahrweiler, Birkenfeld, Emmerzhausen, Kusel, Speyer         
  • Sachsen: Mockrehna
  • Schleswig-Holstein: Alt Duvenstedt, Bargum, Glücksburg, Hohn, Hürup, Ladelund, Lütjenburg, Seeth         
  • Thüringen: Ohrdruf

Alle Informationen des Verteidigungsministeriums zur Standortschließung gibt es hier

Quelle: ntv.de, tis/dpa/rts

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