"An einer Wegscheide" Demokraten feiern sich
26.08.2008, 11:40 UhrTrotz schlechter Umfrageergebnisse und interner Spannungen haben sich die US-Demokraten zum Auftakt ihres Parteitages zuversichtlich gezeigt, dass ihr Kandidat Barack Obama die Präsidentschaftswahl im November gewinnt.
Höhepunkt des ersten Tages war der Auftritt des schwer kranken Senators Edward Kennedy. "Barack Obama steht für den Wandel, den wir brauchen", sagte Kennedy. Weiterer Höhepunkt war der Auftritt von Michelle Obama, der Ehefrau des Kandidaten, die sich mit einer sehr persönlichen Rede an die Delegierten wandte.
"Ich habe den Eindruck, es gibt hier eine Aufbruchstimmung. Das ist natürlich etwas, was sich jede Partei für ihre Parteitage wünscht", sagte Grünen-Chef Reinhard Bütikofer in Denver. "Wenn man zum Beispiel zur Kenntnis nimmt, wie stark hier die Energiefrage, die Umweltfrage gerade bei diesem Parteitag thematisiert wird, das ist etwas, wo wir viel zusammentun können, viel voneinander lernen können", so Bütikofer bei n-tv.
Amerika an der Wegscheide
"Wir werden allen Amerikanern auf diesem Parteitag zeigen, warum wir Barack Obama und Joe Biden im Weißen Haus brauchen", sagte Parteichef Howard Dean zu Beginn der viertägigen Veranstaltung. Die Demokraten seien "die dynamischste" und "höchstmotivierte Partei", die Amerika den ersehnten Wechsel bringen werde.
Die Präsidentin des US-Abgeordnetenhauses, Nancy Pelosi, hat die historische Bedeutung der US-Präsidentenwahl im kommenden November betont. "Amerika befindet sich an einer Wegscheide der Geschichte", sagte sie.
McCain holt auf
Zugleich griff Dean vor rund 5000 Delegierten die Regierung von Präsident George W. Bush scharf an. "Wir können uns keine weiteren vier Jahre eine solche ineffektive Art des Regierens leisten." Obama und die Demokraten werden die Herausforderung annehmen und der achtjährigen Herrschaft der Republikaner ein Ende setzen.
Jüngste Umfragen des TV-Senders hatten kurz zuvor gezeigt, dass der republikanischer Rivale John McCain erstmals in der Wählergunst mit Obama gleichziehen konnte. Beide kommen der Umfrage zufolge auf 47 Prozent der Wählerstimmen. Noch im Juli habe Obama mit sieben Prozentpunkten deutlich vorn gelegen.
Emotionaler Auftritt Kennedys
Der schwer kranke Senator Kennedy löste mit seinem Auftritt Begeisterung und Tränen aus. Die Delegierten brachen in Jubel aus, als der 74-Jährige ans Podium trat. "Nicht, nichts konnte mich davon abhalten, zu diesem ganz speziellen Parteitag heute Abend zu kommen", sagte Kennedy. Langsam sprechend und von seinem Krebsleiden sichtlich geschwächt sagte der Senator Präsidentschaftskandidat Obama seine Unterstützung zu.
Kennedy, der einzige Überlebende der Kennedy-Brüder, ist seit über 40 Jahren Senator und gilt als einer der einflussreichsten und populärsten Politiker der Demokraten. Nach einem Zusammenbruch war ihm im Juni ein Gehirntumor entfernt worden. Seitdem hat sich Kennedy aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen.
Persönliche Rede von Michelle Obama
"Ich bin überzeugt, dass Barack ein außergewöhnlicher Präsident sein wird", rief die 44-jährige Michelle Obama den jubelnden Delegierten zu. Obama würde als Präsident dafür eintreten, den "Irakkrieg verantwortungsvoll zu beenden". Zugleich würdigte Michelle Obama ausdrücklich die Rolle der im Vorwahlkampf unterlegenen Ex-First-Lady Hillary Clinton.
Über weite Strecken berichtete Michelle Obama über ihre Jugend im armen Schwarzenviertel von Chicago, sprach von ihrem kranken Vater und würdigte ihre Eltern, "die alles für mich getan haben". Mehrfach betonte sie, dass sie und ihr Mann "aus der amerikanischen Arbeiterklasse stammen". Ihr eigener gesellschaftliche Aufstieg sowie der ihres Mannes seien ein Beweis, "dass der amerikanische Traum noch immer fortdauert".
Ärger mit Clinton-Lager
Zugleich wurde der Parteitag von erneuten Spannungen zwischen dem Lager Obamas und enttäuschten Anhängern der bei den Vorwahlen unterlegenen Senatorin Clinton gekennzeichnet. Die Präsidentin des US-Abgeordnetenhauses, Nancy Pelosi, kritisierte in einem Interview, die Partei habe noch nicht zur notwendigen Einheit zurückgefunden. Umfragen zufolge drohen 27 Prozent der Clinton-Anhänger, bei der Präsidentschaftswahl am 4. November McCain wählen zu wollen.
Beobachter betrachten es daher als die Hauptaufgabe Obamas bei dem Parteitag, die Partei zu einigen und geschlossen hinter sich zu bringen. Angesichts republikanischer Wahlkampfspots, die auf Streitigkeiten zwischen Obama und Clinton abzielen, meinte Clinton: "Lasst uns keinen Irrtum aufkommen. Wir sind geeint für den Wechsel."
Keine Kampfkandidatur
Einige Delegierte betonten jedoch, bei der offiziellen Nominierung des Präsidentschaftskandidaten am Donnerstag für Clinton stimmen zu wollen. Dennoch werde es auf dem Parteitag keine Kampfkandidatur geben, hieß es. An der Mehrheit für Obama gebe es keinerlei Zweifel. Am Dienstag wird Clinton eine Schlüsselrolle spielen und die Hauptrede halten. Es wird erwartet, dass sie ihre Anhänger auffordern wird, die Konflikte der Vorwahl hinter sich zu lassen und nun Barack Obama zu unterstützen.
Clinton nie als Vize erwogen
Die "Washington Post" berichtet unterdessen, Obama habe Hillary Clinton nie ernsthaft als Kandidatin für das Amt des Vize-Präsidenten in Erwägung gezogen. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass er sich für sie entscheide, habe Obama der ehemaligen First Lady bereits kurz nach ihrem Rückzug aus den Vorwahlen der Demokraten gesagt, berichtete das Blatt. Obama hatte am Samstag Senator Joseph Biden als seinen Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten präsentiert.
Obama habe Clinton nicht im Ungewissen lassen und hintergehen wollen, schrieb die "Washington Post". Zudem habe er das Gefühl gehabt, dass die beiden kein gutes Team abgegeben würden. Die Chemie zwischen ihnen habe nicht gestimmt.
Höhepunkt des Parteitags, der in den USA traditionell als Medienereignis inszeniert wird, ist die Abschlussrede Obamas am Donnerstag, mit dem er seine Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten offiziell annimmt. Zu der Rede im Footballstadion der Stadt werden mehr als 75.000 Zuschauer erwartet.
Quelle: ntv.de