Politik

Experten legen Konzept für Pflegereform vor Der Plan ist da, jetzt liegt's am Willen

Die Pflege soll nicht mehr nach Minuten abgerechnet werden.

Die Pflege soll nicht mehr nach Minuten abgerechnet werden.

(Foto: dpa)

Dass auch Menschen mit Demenz künftig Leistungen aus der Pflegeversicherung bekommen sollen, ist unstrittig. Doch weil es um viel Geld geht, hat sich bislang kein Gesundheitsminister an die Reform gewagt. Minister Bahr verspricht: Nach der Wahl wird die Reform kommen. Strittig ist, wie viel sie kosten soll.

Bei der seit Jahren angestrebten Reform der Pflegeversicherung sollen fünf Pflegestufen die bisherigen drei ablösen. Das geht aus dem Reformkonzept hervor, dass ein hochrangiges Beratergremium Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr übergab. Auf Druck der Arbeitgebervertreter im Gremium werden die konkreten Kosten der Reform in dem Bericht allerdings nicht genannt.

Teuer wird es in jedem Fall, denn bis zu 250.000 Menschen mit Demenz, die heute in der Pflegeversicherung leer ausgehen, sollen nach der Reform zusätzlich Geld aus der Pflegekasse bekommen. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, sprach im Interview mit n-tv.de von "gut 2 Milliarden Euro", mit denen man "einen wichtigen Schritt" machen könne. "Daran werden sich am Ende auch die Arbeitgeber beteiligen müssen", betonte Spahn.

Der Beiratsvorsitzende und Bundespatientenbeauftragte Wolfgang Zöller bezifferte die Kosten ebenfalls auf mehr als 2 Milliarden Euro. Sein Co-Vorsitzender Klaus-Dieter Voß sagte, die Reform koste mindestens 1,98 Milliarden Euro. Die Politik müsse entscheiden, ob sie weitere Verbesserungen hinzunehmen wolle. Als Obergrenze nannte Voß 4 Milliarden.

Bahr nennt keinen Kostenrahmen

Die SPD bereitete die Wähler auf einen Kostenumfang von 5 Milliarden Euro vor. Dies gehe nicht ohne eine Anhebung des Beitragssatzes um 0,5 Prozentpunkte, sagte der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach dem "Tagesspiegel". Dies schaffe aber Jobs und entlaste Familien.

Bahr wollte sich nicht auf einen Kostenrahmen festlegen. Klar sei aber, dass die Ausweitung der Leistungen nicht zum Nulltarif gehe. Die Pflegeversicherung werde eine Teilkasko-Absicherung bleiben, bei der nicht alles was wünschenswert sei, realisiert werden könne. Das sagte auch Spahn: Anders als die gesetzliche Krankenversicherung sei die gesetzliche Pflegeversicherung nur ein Zuschuss zu den Kosten der Pflege.

Zu lange gewartet?

Bahr kündigte an, dass die Reform rasch kommen soll, wenn er nach der Bundestagswahl im Herbst weiter im Amt bleibt: "Ich werde mich massiv dafür einsetzen, dass wir den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff auch umsetzen." Der CSU-Politiker Zöller wies darauf hin, dass jede Koalition die Reform angehen könne.

Kritiker werfen Bahr vor, mit der Reformplanung zu lange gewartet zu haben, zumal schon 2009 ein Beirat Modelle für eine solche Weiterentwicklung vorgelegt hatte. Bahr entgegnete, die Reform sei in dieser Wahlperiode ohnehin nicht realisierbar gewesen, da die konkrete Umsetzung drei bis vier Jahre in Anspruch nehme.

Es geht um einen neuen Pflege-Begriff

Im Kern geht es um eine neue Definition der Pflegebedürftigkeit. Bislang ist die Pflegeversicherung einseitig auf körperliche Gebrechen ausgerichtet, weshalb Demenzkranke, aber auch behinderte Kinder oft außen vor bleiben, obwohl auch sie eine spezielle Betreuung brauchen. Sie sollen in der Pflege besser gestellt werden. Zudem soll künftig die Zeitvorgabe für Versorgungsleistungen entfallen. Wer heutig schon pflegebedürftig ist, soll nicht schlechter gestellt werden.

Der insgesamt 37-köpfige Expertenbeirat hatte auf Bahrs Bitten 15 Monate lang an dem Bericht gearbeitet. Wenn eine neue Koalition nach der Wahl nun eine Reform anhand des Berichts ausarbeitet und beschließt, bräuchte es nach Angaben der Experten maximal 18 Monate, bis alles umgesetzt ist.

"Bahr hat komplett versagt"

Im Bundestag kam es unterdessen zum Schlagabtausch über die Pflege. SPD und Grüne scheiterten mit Forderungen nach einer Reform und einem Aussetzen des Pflege-TÜVS. SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach sagte: "Wir laufen in einen Pflegenotstand hinein." Bahr bleibe bei Ankündigungspolitik. Das sei eine Ohrfeige für Betroffene und Beschäftigte.

Nach Ansicht der Grünen kommt der Bericht viel zu spät. Bahr habe "aus Angst vor der Kostendiskussion komplett versagt", erklärte die pflegepolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Elisabeth Scharfenberg.

Quelle: ntv.de, hvo/dpa/rts/AFP

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