Politik

Irland stimmt über Fiskalpakt ab Der Sieger heißt Sinn Féin

Protest gegen "Angelas Fiskalpakt" vor dem irischen Parlament.

Protest gegen "Angelas Fiskalpakt" vor dem irischen Parlament.

(Foto: AP)

Mit einer Mischung aus Gelassenheit und Nervosität schauen die europäischen Regierungen auf das Fiskalpakt-Referendum in Irland. In den Wahlkampf hat sich sogar der deutsche Botschafter in Dublin eingemischt. Unabhängig vom Ausgang steht der Sieger des Volksentscheids bereits fest.

In Irland läuft an diesem Donnerstag ein Referendum über den europäischen Fiskalpakt. Die 3,1 Millionen Wähler in Irland sind die einzigen in Europa, die selbst über das Abkommen abstimmen dürfen, das für mehr Haushaltsdisziplin in Europa sorgen soll. In allen anderen der insgesamt 25 Länder, die den Fiskalpakt ratifizieren wollen, entscheiden die Parlamente.

So heftig war ein Referendum in Irland schon lange nicht mehr umkämpft.

So heftig war ein Referendum in Irland schon lange nicht mehr umkämpft.

(Foto: REUTERS)

Die europäischen Regierungen schauen mit einer gewissen Nervosität auf das irische Referendum. Schließlich haben die Iren bereits zweimal, 2001 und 2008, in Referenden einen EU-Vertrag zunächst abgelehnt, um dann später in einem zweiten Anlauf doch zuzustimmen. Der irische Ministerpräsident Enda Kenny hat bereits erklärt, es werde dieses Mal keine zweite Abstimmung geben.

Zwar könnte der Fiskalpakt ohne Irland in Kraft treten. Denn dazu müssen ihn nur 12 der 17 Euroländer ratifizieren. Doch angesichts der Sorgen um Griechenland und Spanien wäre ein Nein aus Irland zweifellos ein höchst negatives Signal. Für die Bundesregierung wäre es zudem eine Schwächung ihres europäischen Sparkurses.

Deutscher Botschafter droht

Und so hat sich auch der deutsche Botschafter in Dublin, Eckhard Lübkemeier, in den Wahlkampf eingemischt. Die Zustimmung zum Fiskalpakt sei ein "essentielles Quid pro quo für den ESM". Mit anderen Worten: Wenn Irland nicht zustimmt, gibt es bei künftigen Notlagen kein Geld aus dem künftigen Europäischen Stabilitätsmechanismus.

Dies ist auch das zentrale Argument der Befürworter der irischen Regierung, die den Fiskalpakt ansonsten ganz im Sinne des neuen französischen Präsidenten François Hollande gern um einen Wachstumsplan erweitert sehen würde. Die Iren wissen, dass sie abhängig sind von europäischer Hilfe: Die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) hatten Irland 2010 mit einem 85-Milliarden-Euro-Programm geholfen, um die Finanzkrise zu überwinden.

Ja aus Angst

Der Fiskalpakt

Mit dem am 2. März in Brüsselunterschriebenen Vertrag verpflichten sich die Unterzeichnerländer, striktere Haushaltsdisziplinzu befolgen als bisher vereinbart. So darf das strukturelle Defizit fortan die Grenzevon 0,5 Prozent des BIP nicht überschreiten - anstatt wie nach EU-Recht bislang1,0 Prozent.

Die Unterzeichner sollennach dem Vorbild Deutschlands eine verpflichtende Schuldenbremse im nationalen Rechtverankern.

Im Fall eines Verstoßesgegen die Regeln werden automatisch Strafverfahren ausgelöst, die nur durch ausdrücklichesMehrheitsvotum der Unterzeichnerstaaten gestoppt werden können. Verankert ein Landdie Schuldenbremse nicht im nationalen Recht, droht eine Klage vor dem EuropäischenGerichtshof und die Zahlung einer Geldbuße von bis zu 0,1 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Nur wer den Fiskalpakt einhält,soll Hilfszahlungen aus dem ESM bekommen können. Kern der Unterzeichner-Länder sinddie 17 Euro-Staaten, hinzu kommen acht Nicht-Euro-Länder. Großbritannien und Tschechienbeteiligen sich bislang nicht.

Deshalb sind die europäischen Regierungen bei aller Nervosität auch zuversichtlich, dass die irischen Wähler zustimmen werden. Auch Umfragen legen dies nahe: Nach einer Erhebung der "Irish Times" vom vergangenen Wochenende wollten 39 Prozent der Wähler mit Ja stimmen, 20 Prozent mit Nein. Sehr viele Wähler sagten, sie seien noch unentschieden.

Wenn die Iren tatsächlich mit Ja stimmen, dann nicht aus Überzeugung oder europäischer Begeisterung. Sondern aus Angst. Die Boom-Jahre sind längst vorüber, Irland leidet unter einer geplatzten Immobilienblase und einer hohen Staatsverschuldung infolge der Bankenkrise. Sieben Sparhaushalte in Folge haben die amtierende und ihre Vorgängerregierung den Iren bereits zugemutet.

Die Arbeitslosigkeit liegt bei knapp 15 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit deutlich höher. Proteste nehmen zu. Viele Iren weigern sich beispielsweise schlichtweg, die neue Grundsteuer zu zahlen. Vor allem junge Leute verlassen reihenweise das Land.

Zustimmung zu Sinn Féin steigt rasant

Unabhängig vom Ausgang steht bereits fest, wer der Gewinner des Referendums ist: die linksnationale Partei Sinn Féin, früher der politische Arm der katholisch-republikanischen Untergrund-Organisation IRA, traditionell stark in Nordirland, aber nur eine Kleinstpartei in der Republik. Sie legte in Umfragen dramatisch zu.

Hürden für Fiskalpakt in Deutschland

Bundestag und Bundesratmüssen dem Fiskalpakt mit Zweidrittel-Mehrheit zustimmen. Bundeskanzlerin AngelaMerkel braucht daher auch Stimmen aus der Opposition - die stellt dafür jedoch Bedingungen.Die SPD will etwa, dass parallel zu dem Pakt ein umfangreiches Wachstums- und Beschäftigungsprogrammauf den Weg gebracht wird. Ähnliche Forderungen kommen von den Grünen. Für den 13.Juni ist ein weiteres Spitzentreffen von Regierung und Opposition angesetzt, umeine Einigung zu erreichen.

Während Sinn Féin seit 2007 den nordirischen Vize-Regierungschef stellt, war sie in der Republik noch nie an einer Regierung beteiligt. Bei der jüngsten Wahl im Februar 2011 kam Sinn Féin auf 9,9 Prozent der Stimmen - ein Achtungserfolg für die Partei, die in der politischen Kultur Irlands einen Schmuddelkindstatus genießt, der mit dem der Linkspartei in Deutschland durchaus vergleichbar ist. In den Meinungsumfragen liegt die Partei mittlerweile bei 24 Prozent - ein neuer Rekordwert, der nicht zuletzt am Wahlkampf um das Referendum liegt, in dem Sinn Féin unter ihrem langjährigen Vorsitzenden Gerry Adams in der ersten Reihe der Nein-Kampagne stand.

Teil der Lösung oder Teil des Problems?

Aus Adams Sicht ist die Politik des engen Gürtels gescheitert. Die Menschen sollten sich fragen, ob bisherige Sparmaßnahmen zu Wachstum und mehr Arbeitsplätzen geführt hätten, sagte der Sinn-Féin-Chef am vergangenen Wochenende. "Die Antwort ist Nein", fügte er hinzu.

Am Sonntagabend warb dann Ministerpräsident Kenny in einer Fernsehansprache für eine Zustimmung. Er sagte, ein "starkes Ja wird die Gewissheit und die Stabilität schaffen, die unser Land braucht, um auf dem Weg der wirtschaftlichen Gesundung voranzuschreiten". Der Fiskalpakt werde nicht alle Probleme lösen, aber er sei ein Teil der Lösung.

Ergebnis erst am Freitag

Die Wahllokale sind bis 22.00 Uhr Ortszeit geöffnet, das ist  23.00 Uhr MESZ. Die Auszählung beginnt allerdings erst am Freitagvormittag. Ergebnisse werden am späten Freitagnachmittag erwartet.

Ratifiziert ist der Fiskalpakt bislang von Griechenland, Portugal, Slowenien und Rumänien. Als einzige der insgesamt 27 EU-Mitglieder wollen Großbritannien und Tschechien auf jeden Fall außen vor bleiben.

Derweil lässt Merkel sich Zeit

Deutschland hat den Fiskalpakt zwar angestoßen, aber selbst noch nicht ratifiziert. Bundestag und Bundesrat müssen mit Zweidrittel-Mehrheit zustimmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel braucht daher auch Stimmen aus der Opposition, hat sich bislang jedoch erst ein Mal mit deren Vertretern getroffen, um über den Fiskalpakt zu verhandeln.

Quelle: ntv.de, mit AFP/dpa/rts

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