Politik

Hintergrund Der Stasi-Akten-Streit

Das "Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes" trat im Dezember 1991 in Kraft. Es gilt als Grundlage für die Arbeit der Stasi-Akten-Behörde unter Leitung der Bundesbeauftragten Marianne Birthler.

Das Gesetz regelt in Paragraf 32 die Herausgabe von Unterlagen zur Aufarbeitung der Stasi-Tätigkeit an Wissenschaftler und Journalisten. Um diesen Paragrafen geht es im Streit zwischen Altkanzler Helmut Kohl und der Behörde.

Am vergangenen Mittwoch hatte das Berliner Verwaltungsgericht einer Klage Kohls gegen die Herausgabe der Stasi-Unterlagen über ihn statt gegeben. Die Richter gaben in ihrer Urteilsbegründung dem Opferschutz Vorrang vor der Aufklärung der Stasi-Tätigkeit. Damit dürfen nun grundsätzlich keine Akten über Prominente mehr veröffentlicht werden, sofern sie keine Täter oder Begünstigte der Stasi waren.

In dem umstrittenen Paragraf 32 heißt es unter anderem: "Für die Forschung zum Zwecke der politischen und historischen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes sowie für Zwecke der politischen Bildung stellt der Bundesbeauftragte folgende Unterlagen zur Verfügung: (...) Unterlagen mit personenbezogenen Informationen über Personen der Zeitgeschichte, Inhaber politischer Funktionen oder Amtsträger in Ausübung ihres Amtes, soweit sie nicht Betroffene oder Dritte sind" und "soweit durch die Verwendung keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen der genannten Personen beeinträchtigt werden".

Der Streit zwischen Kohl und der Behörde drehte sich im Wesentlichen darum, wie die Formulierung "Betroffene oder Dritte" zu deuten ist. Nach Auffassung Kohls gewährt sie den Schutz der Stasi-Opfer, zu denen der Altkanzler sich zählt.

Die Gauck-Behörde geht dagegen davon aus, dass Personen der Zeitgeschichte nur dann als "Betroffene" einzustufen sind, wenn ihre Privatsphäre berührt wird. Und Passagen, die den privaten Bereich betreffen, würden von der Behörde ohnehin vor Herausgabe geschwärzt. Das gleiche gelte für Namen Dritter. Birthler beruft sich bei ihrer Interpretation vor allem auf die parlamentarischen Beratungen zum Stasi-Unterlagen-Gesetz von 1991, aus denen der Wille des Gesetzgebers klar hervorgehe.

Der Sprecher der Stasi-Unterlagen-Behörde, Christian Booß, sagte in einem Gespräch mit n-tv.de, das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts sei noch nicht rechtskräftig. Zudem beziehe es sich auf ein "konkretes Anliegen des Herrn Kohl, der in erster Instanz gewonnen hat". Für die Behörde sei der Spruch des Verwaltungsgerichts lediglich im Fall Kohl und dort auch nur für rund 2.000 Seiten des Stasi-Dossiers bindend. Booß verwies darauf, dass das Urteil kein Automatismus für andere "von der Stasi-Arbeit Betroffene" bedeute. Die Behörde werde auf jeden Fall gegen das Urteil vom vergangenen Mittwoch klagen.

Bisher ist nur eine Prominente dem Beispiel Kohls gefolgt und hat ebenfalls Klage gegen die Herausgabe ihrer Akten eingereicht: die Eiskunstläuferin Katharina Witt. Ihr Fall unterscheidet sich allerdings zumindest zum Teil von dem Kohls. Die Stasi-Akten-Behörde stuft den früheren DDR-Star nicht nur als "Person der Zeitgeschichte", sondern teilweise auch als "Begünstigte" der Stasi ein. Und bei "Begünstigten" gilt das Recht auf Aktenverwendung ohne den Zusatz "soweit sie nicht Betroffene oder Dritte sind".

Quelle: ntv.de

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