Politik

Folter mit Demokratie unvereinbar Der Zweck heiligt nicht die Mittel

Im Streit um Gewaltandrohungen der Polizei bei Vernehmungen ist der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Geert Mackenroth, unter Druck geraten. Übereinstimmend wandten sich am Donnerstag so unterschiedliche Organisationen wie amnesty international (ai), die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und der Deutsche Anwaltsverein (DAV) gegen die Erwägungen Mackenroths, Folterandrohungen unter bestimmten Umständen zuzulassen. Gegen den Funktionär erging inzwischen eine Dienstaufsichtsbeschwerde; sein Rücktritt wurde gefordert. Befürchtungen über eine Verrohung im strafrechtlichen Denken wurden laut.

Mackenroth hatte am Donnerstag die aktenkundige Folterandrohung der Frankfurter Polizei bei den Ermittlungen im Entführungsfall Jakob von Metzler erneut verteidigt. Vom Grundsatz her verbiete das Gesetz Vernehmungsmethoden wie List, Drohung und Gewaltandrohung, sagte Mackenroth im ZDF. Es könne aber Situationen geben, in denen die Anwendung von Gewalt zur Rettung " höherwertiger Rechtsgüter erlaubt sein kann."

"Das Verbot von Folter gilt absolut", betonte hingegen die Generalsekretärin der deutschen ai-Sektion, Barbara Lochbihler, in Berlin. Sie sei entsetzt über die Äußerungen Mackenroths. Lochbihler kritisierte besonders, dass der Frankfurter Polizeipräsident Harald Weiß-Bollandt und das hessische Innenministerium die Folterandrohung der Polizei im Fall Metzler verteidigt hätten. Der innenpolitische Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz, forderte den Rücktritt Mackenroths wegen seines "absoluten Tabubruchs".

Rückfall ins Mittelalter

Der Deutsche Anwaltsverein warnte in Berlin vor einem Dammbruch. Die Abschaffung der Folter sei eine wesentliche Errungenschaft unserer Rechtskultur und dürfe unter keinen Umständen zur Disposition gestellt werden. Bereits das Androhen von Folter sei eine Form der Folter. "Wir sind in der Gefahr, in unserer Rechtskultur ins finstere Mittelalter zurückzufallen", erklärte DAV-Vizepräsident Georg Prassner.

Inzwischen ist gegen Mackenroth wegen seiner Äußerungen eine Dienstaufsichtsbeschwerde im schleswig-holsteinischen Justizministerium eingegangen. Die Beschwerde stamme aus Justizkreisen und werde vom Oberlandesgericht Schleswig bearbeitet, sagte ein Ministeriumssprecher am Donnerstag. Mackenroth ist Landgerichtspräsident in Itzehoe.

Landesjustizministerin Anne Lütkes (Bündnis 90/Grüne) hält die Äußerungen für unvertretbar, wie ihr Sprecher erklärte. Repräsentanten der schleswig-holsteinischen Politik reagierten ebenfalls scharf darauf. "Vom Foltern ist es nicht mehr weit zur Lynchjustiz", sagte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Kieler Landtag, Klaus-Peter Puls.

Versuch der Selbstrettung

Mackenroth selbst versuchte am Donnerstag, mit einer Pressemitteilung seine Worte zu relativieren. In der Richterbund-Mitteilung hieß es, Mackenroth habe auch gesagt, dass Folter nach internationalen und nationalen Vorschriften zu Recht verboten sei. Das Strafverfahren gegen Polizeibeamte aus Frankfurt, die zur Rettung des entführten elfjährigen Jakob von Metzler dem Tatverdächtigen mit Gewalt gedroht hatten, sei zu Recht eingeleitet worden.

Klammheimlich doch ein Jein?

GdP-Vorsitzender Konrad Freiberg nannte in einem WDR-Interview die rechtliche Situation "einwandfrei". "Es gibt keine Polizeifolter und es darf sie auch nicht geben", sagte der Gewerkschaftschef und hielt Mackenroth verantwortungsloses Gerede vor: Gleichzeitig zeigte Freiberg Verständnis für die Frankfurter Polizisten, die in einer verzweifelten Situation gesteckt hätten.

Auch Bundesjustizministerin Zypries sprach sich dagegen aus, Folter oder deren Androhung zu erlauben: "Wenigstens kann es sie nicht in dem Sinne geben, dass wir sie tatsächlich im Gesetz zulassen", sagte sie wörtlich auf NDR Info. Das sei nicht vorstellbar. Dennoch könne im Einzelfall ein Beamter freigesprochen werden, der einem Verdächtigen mit Gewalt gedroht hat, "wenn ein deutlich überwiegendes Rechtsgut zu schützen ist" - beispielsweise das Leben eines Menschen.

Die "Süddeutsche Zeitung" (Mittwochausgabe) sieht in der Mackenroth-Äußerung eine weitere Aufweichung der Grundrechte: "Wenn man anfängt, rechtstaatliche Prinzipien einer vermeintlich guten Sache zu opfern, gibt es kein Halten mehr, dann heiligt der Zweck das Mittel. Seit dem Lauschangriff gilt das 'Unverletzlich' im Wohnungsgrundrecht nicht mehr; jetzt wird das 'Unantastbare' anderer Verfassungsartikel angetastet."

Quelle: ntv.de

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