"Vatikan war blauäugig" Der hilflose Papst
05.02.2009, 13:51 UhrMit der Rehabilitierung des Holocaust-Leugners Richard Williamson hat sich der Papst nach Meinung des Kirchenrechtlers Prof. Klaus Lüdicke selbst die Hände gebunden. Da die Holocaust-Leugnung nach Kirchenrecht nicht strafbar sei, liege keine neue Straftat von Williamson vor – der Vatikan könne nur versuchen, das Gespräch mit der konservativen Bruderschaft zu suchen und auf eine Rücknahme der Äußerung von Williamson hoffen.
"Der Vatikan hätte sich besser informieren müssen", sagte Lüdicke im Interview mit n-tv.de. Normalerweise sei das Staatssekretariat des Vatikans für die Außenbeziehungen zuständig und habe dabei die Medien, die Staaten und die anderen Religionsgemeinschaften im Blick. "Man hätte vor der Aufhebung der Exkommunikation mal im Internet überprüfen sollen, wer da eigentlich rehabilitiert werden sollte. Williamson gibt ja schon seit Längerem immer wieder antijudaistische Äußerungen ab", erklärt der katholische Theologe.
"Blauäugig gehandelt"
Offensichtlich habe da etwas nicht funktioniert. Doch nun, nach der Aufhebung der Exkommunikation, bleibe dem Vatikan nichts anderes übrig, als "in Zukunft einfach besser aufzupassen anstatt so blauäugig zu handeln".
Dass es überhaupt zu der Rehabilitierung von Williamson gekommen sei, hängt nach Angaben von Lüdicke mit der Bedeutung der konservativen Priesterbruderschaft St. Pius X. für die katholische Kirche zusammen. "Die Bewegung hat immerhin rund 600.000 Anhänger, die durch den Ausschluss von der Kirche getrennt sind", sagte er im n-tv.de Interview. "Zudem gibt sich der Vatikan wohl eine Mitschuld an der Entstehung der Bewegung, weil am Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils die alte Liturgie verboten wurde statt sie neben der modernen Form des Gottesdienstes weiter bestehen zu lassen."
Diskussion um Pius-Bruderschaften
Unterdessen hält die Debatte über den Umgang des Papstes mit Williamson in Deutschland weiter. Die Aufforderung des Vatikans, die Leugnung des Holocaust zu widerrufen, geht dem Zentralrat der Juden nicht weit genug. "Die Nachricht aus Rom ist allenfalls ein erstes Zeichen der Bewegung", sagte der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer, im Gespräch mit dem Handelsblatt. Er fordert die völlige Abkehr der katholischen Kirche von den konservativen Pius-Bruderschaften.
Die deutsche Bruderschaft stellte sich auch hinter ihren Glaubenbruder. Der Distriktobere Pater Franz Schmidberger sagte dem SWR auf die Frage, ob jemand sein Mitbruder sein könne, der die Vernichtung der Juden durch die Nazis leugnet: "Solange er die katholischen Dogmen anerkennt, ja natürlich." Zugleich distanzierte sich Schmidberger aber von Äußerungen Williamsons, der die Existenz von Gaskammern in der NS-Zeit bestritten hatte.
Vatikan verärgert
Der Papst ist offenbar über die Kritik aus Deutschland an seinem Umgang mit Williamson verärgert. "Im Vatikan ist man über die Diskussion in Deutschland geradezu entsetzt", sagte der CDU-Politiker Georg Brunnhuber der "Financial Times Deutschland" nach einem persönlichen Gespräch mit Benedikt XVI. in Rom. Es herrsche der Eindruck, "dass alle antikatholischen Ressentiments, die in Deutschland schlummern, jetzt an die Oberfläche kommen".
Im Vatikan sei man verwundert über die Debatte, sagte Brunnhuber, der im Rahmen einer Generalaudienz mit dem Papst gesprochen hatte. "Hier unterstellt niemand dem Papst, dass er antisemitische Äußerungen duldet." Am Dienstag hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Diskussion um Williamson eingeschaltet und den Papst zu einer Klarstellung aufgefordert, dass eine Leugnung des Holocaust nicht geduldet werde.
CDU-Politiker gegen Merkel
Bundestagspräsident Norbert Lammert nahm den Papst ebenfalls gegen die Kritik in Schutz. "Vieles, was dem Papst jetzt unterstellt wird, ist beinahe bösartig, jedenfalls nicht redlich", sagte er dem "Hamburger Abendblatt". Es gebe "inzwischen eine Art rhetorischen Überbietungswettbewerb, den ich weder gerechtfertigt noch fair, noch in der Sache hilfreich finde". Indirekt kritisierte Lammert auch die Kanzlerin für ihre Forderung nach einer Klarstellung des Papstes. "Zweifel an der Position der katholischen Kirche und des Papstes halte ich in der Sache für völlig unbegründet."
Nach Angaben Brunnhubers trifft die protestantische CDU-Vorsitzende mit ihren Äußerungen zum Papst in den eigenen Reihen auf weiteren Widerspruch. "Viele CDU-Mitglieder halten die Einlassungen der Kanzlerin nicht für richtig", sagte Brunnhuber, der Vorsitzender der baden-württembergischen Landesgruppe in der Unionsfraktion ist. "Öffentliche Aufforderungen an den Heiligen Vater führen garantiert ins Leere."
Appell an Williamson
Am Mittwoch hatte der Vatikan nach zunehmenden Protesten Williamson zum Widerruf seiner Holocaust-Äußerungen aufgefordert. Um als katholischer Bischof vollständig rehabilitiert zu werden, "muss Williamson in unmissverständlicher Weise öffentlich von seinen Erklärungen zur Schoah Abstand nehmen", teilte der Heilige Stuhl mit.
Nach Darstellung des Vatikans hat Papst Benedikt XVI. von der Holocaust-Leugnung Williamsons nichts gewusst. Wie schon am 28. Januar vom Kirchenoberhaupt bekräftigt, seien "die Äußerungen von Monsignore Williamson absolut inakzeptabel und werden vom Papst abgelehnt", hieß es.
Benedikt hatte am 24. Januar die Rücknahme der Exkommunizierung von Williamson und drei weiteren Bischöfen der ultrakonservativen und antisemitischen Piusbruderschaft bekanntgegeben. Dies löste einen Sturm der Entrüstung aus - vor allem in Deutschland und bei Juden in aller Welt.
Quelle: ntv.de, Mit dpa und AFP