Merkels neuer Blick auf Afrika Deutsche hoffen auf Aufträge
09.07.2011, 12:38 UhrIn der Sommerpause vom Berliner Politikgeschehen tritt Bundeskanzlerin Merkel ihre zweite große Afrikareise an. Dabei geht es ihr um wirtschaftliche und politische Kooperationen. Schon heute versuchen China und Indien auf dem Kontinent sehr intensiv, sich Zugang zu Rohstoffvorkommen zu sichern und neue Absatzmärkte gerade für billige Konsumgüter zu erobern.
Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag zur zweiten großen Afrikareise ihrer Regierungszeit aufbricht, will sie einen neuen Akzent setzen. Standen früher bei Besuchen deutscher Regierungsvertreter vor allem die Entwicklungszusammenarbeit oder der Klimaschutz im Fokus, will Merkel bewusst die wirtschaftliche und politische Kooperation betonen - "auf gemeinsamer Augenhöhe", wie die Kanzlerin in ihrem Video-Podcast betonte.

Noch im Oktober 2007 hatte Merkel in Kapstadt eine Klinik für aidskranke Kinder besucht.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Daher wird Merkel mit Kenia, Nigeria und Angola wirtschaftliche und regionalpolitische Schwergewichte in Subsahara-Afrika besuchen. Die drei Staaten sind nach Südafrika die größten Abnehmer deutscher Waren. Zudem verstehen sie sich als Ordnungsmächte in ihrer jeweiligen Region und treibende Kräfte hinter sich entwickelnden Regionalbündnissen - vor allem Nigeria bei ECOWAS für Westafrika und Kenia als Hauptbetreiber der East African Community (EAC). Für Deutschland, das die Afrikanische Union eng unterstützt, seien sie deshalb wichtige Ansprechpartner bei dem Versuch, die eigenverantwortliche Krisenlösung auf dem Kontinent zu stärken, heißt es in der Bundesregierung. Der Paradigmenwechsel, Afrika weniger als Empfangsregion von Entwicklungshilfe denn als wirtschaftlichen und politischen Partner zu begreifen, wird auch im neuen Afrika-Konzept betont, das die Regierung im Juni beschloss.
Hintergrund der steigenden Aufmerksamkeit für Europas südlichen Nachbarkontinent ist dabei nicht nur das erheblich gestiegene Wirtschaftswachstum in vielen afrikanischen Staaten. In der EU wird auch immer deutlicher vermerkt, wie sehr die Entwicklungen in Afrika die Union betreffen. Das haben etwa die Ereignisse in Nordafrika und die Flüchtlingswellen über das Mittelmeer gezeigt. Oberster Wunsch sei deshalb, zu einer Stabilisierung des beizutragen, heißt es. Weil dazu auch eine sichere Ernährungsgrundlage für die weiter stark wachsende Bevölkerung gehört, wird Merkel auf der Reise von Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner begleitet.
Zudem will die Kanzlerin mit der Reise den Versuch des Industrielands Deutschland unterstützen, sich Rohstofflieferungen durch Verträge mit sehr unterschiedlichen Lieferanten zu sichern. Sowohl Nigeria als auch Angola verfügen über große Öl- und Gasvorkommen, aber auch andere Ressourcen. Deutschland will sich seinerseits als Partner für eine umweltfreundliche Energieversorgung, den nötigen Ausbau der Infrastruktur in allen Bereichen und als Know-how-Lieferant für bessere Regierungsführung bis zur Ernährungssicherheit anbieten.
Korruption hemmt wirtschaftliche Beziehungen

Erst in der vergangenen Woche hatte Merkel den Kommissionspräsidenten der Afrikanischen Union, Jean Ping, zu Gast in Berlin.
(Foto: dapd)
Die Chancen für deutsche Firmen werden dabei vor allem in Nigeria und Angola als gut angesehen, weil beide Staaten wegen ihres Ölreichtums große Wachstumsraten aufweisen - Nigeria mit 8,4 Prozent im vergangenen Jahr und erwarteten rund sieben Prozent in 2011. Als Problem gilt aber weiter die grassierende Korruption, die Merkel auch in allen drei Ländern offen ansprechen will, und die das Wachstum gerade für deutsche und europäische Firmen hemmt. Der Wert deutscher Exporte betrug 2010 nur 284 Millionen Euro für Kenia, 263 Millionen für Angola und 1,1 Milliarden für Nigeria mit seinen immerhin 150 Millionen Einwohnern. Auch die Energiepartnerschaft mit Nigeria, die offiziell seit 2008 besteht, ist bisher kaum vorangekommen.
Ein wichtiger Grund dafür ist aber die zunehmend harte Konkurrenz Chinas und Indiens, die dem Kontinent in den vergangenen Jahren sehr viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt haben. Beide Länder versuchen auf dem Kontinent sehr intensiv, sich Zugang zu Rohstoffvorkommen zu sichern und neue Absatzmärkte gerade für billige Konsumgüter zu erobern. China handelte im Gegenzug für große Rohstoffkäufe zudem Aufträge für große Infrastrukturprojekte etwa in Angola aus. Merkel wird daher auf ihrer Reise von einer Wirtschaftsdelegation mit zahlreichen Vertretern der Energiefirmen begleitet, die ebenfalls auf Aufträge hoffen.
Für ihre Reise hat die Kanzlerin bewusst den Juli gewählt. In diesem Monat hat Deutschland den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat. Dort hat die Bundesrepublik nicht nur die Anerkennung des am Samstag offiziell zum 54. afrikanischem Staat ausgerufenen Süd-Sudan orchestriert. Die afrikanischen Staaten sind zudem wichtige Verbündete beim Versuch Deutschlands und einiger Schwellenländer, endlich die lange geforderte Reform des höchsten UN-Gremiums durchzusetzen.
Quelle: ntv.de, Andreas Rinke/rts