Erneuter Zwischenfall Deutsche in Kabul entführt
18.08.2007, 12:59 UhrEinen Monat nach der Entführung des deutschen Bauingenieurs Rudolf B. in Afghanistan haben bewaffnete Männer in der Hauptstadt Kabul mitten am Tag eine Deutsche verschleppt. Das bestätigte das Auswärtige Amt in Berlin. Aus Sicherheitskreisen in Kabul hieß es, die Kidnapper hätten die Frau aus einem Grill-Imbiss gezerrt und seien anschließend in einem blauen Toyota Corolla geflohen. Das Innenministerium in Kabul und die christliche Hilfsorganisation ora international, um deren Mitarbeiterin es sich handelt, bestätigten die Geiselnahme. Die 31-jährige Frau stamme aus Süddeutschland, sagte Toni Grosshauser vom Internationalen Koordinationsbüro der Hilfsorganisation.
Die stellvertretende Sprecherin des Auswärtigen Amtes sagte am Abend in Berlin, der Krisenstab sei eingeschaltet und bemühe sich in enger Abstimmung mit den afghanischen Behörden um eine Lösung. Weitere Einzelheiten zu dem Fall nannte die Sprecherin nicht. Afghanische Geheimdienstoffiziere am Tatort, die anonym bleiben wollten, sagten der dpa, sie gingen von der Tat einer "kriminellen Bande" aus. Die Polizei leitete eine Großfahndung ein.
Taliban offenbar nicht beteiligt
Die radikal- islamischen Taliban haben die Deutsche nach eigenen Angaben nicht in ihrer Gewalt. Taliban-Sprecher Sabeehullah Mudschahid sagte der dpa in Kabul per Telefon, ihm sei die Geiselnahme bekannt. Er habe auch mit Taliban-Kämpfern in der afghanischen Hauptstadt gesprochen, die ihm jedoch gesagt hätten, sie hätten die Frau nicht verschleppt.
Anwohner in dem Viertel, wo sich die Entführung ereignet hatte, sagten der dpa, die Frau habe in der Nachbarschaft gewohnt. Sie sei täglich auf der Straße gesehen worden. Ein Geheimdienstoffizier sagte, die Frau sei aus dem Imbiss gezerrt worden. Bei dem "Bar.B.Q. Tonight Caf - handelt es sich um ein einfaches afghanischen Grill-Restaurant ohne Sicherheitsvorkehrungen wie Mauern, Stacheldraht oder Wachmänner.
Ehemann wird nicht entführt
Die Frau, die seit einem Jahr das Büro der Organisation in Kabul leitete, war nach Angaben des Sprechers von ora international, Ulf Baumann, in Begleitung ihres deutschen Ehemannes, der nicht verschleppt worden sei. Baumann sagte, die Organisation sei sehr betroffen. Über Konsequenzen aus der Entführung sei noch nicht entschieden worden.
Ein Afghane, der gegenüber des Imbisses arbeitet, sagte, unmittelbar nach der Entführung sei eine Polizeipatrouille auf die Tat aufmerksam geworden. Bei der anschließenden Verfolgungsjagd erschossen die Beamten nach Polizeiangaben versehentlich einen Taxifahrer. Angaben über mögliche Lösegeldforderungen oder Vermutungen zur Identität der Täter, wollte der Sprecher der Hilfsorganisation nicht machen.
Die Organisation ora international Deutschland, für die die Entführte arbeitet, ist nach eigenen Angaben eine christlich-überkonfessionelle Hilfsorganisation, die sich weltweit für Menschen in Not einsetzt. Sie ist seit 1991 in Afghanistan tätig und hat nach Angaben Baumanns dort derzeit 20 Mitarbeiter. Ihr Sitz ist im hessischen Korbach.
Serie von Entführungen
Einschließlich der Frau wurden in knapp sieben Wochen bereits vier Deutsche in Afghanistan verschleppt. Erstmals seit Ende der Herrschaft der radikal-islamischen Taliban Ende 2001 war im Juni ein deutscher Geschäftsmann in der westafghanischen Provinz Farah verschleppt worden. Am 18. Juli gerieten zwei deutsche Bauingenieure in Zentralafghanistan in die Hände von Entführern. Einer der beiden wurde später von seinen Kidnappern erschossen. Sein Kollege, Rudolf B., ist weiter in der Gewalt vermutlich von Taliban mit kriminellem Hintergrund. Hoffnungen auf seine Freilassung bestätigten sich bislang nicht. Am Donnerstag hatte es aus gut informierter Quelle geheißen, der Fall habe eine positive Dynamik gewonnen.
Die Gespräche mit der Regierung in Seoul über die Freilassung der 19 in Afghanistan entführten Südkoreaner sind unterdessen nach Angaben der Taliban gescheitert.
Quelle: ntv.de