Politik

Mit oder ohne UN-Mandat? Deutsche streiten über Syrien-Angriff

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Experten rechnen damit, dass Syrien mit Raketen angegriffen wird, die von Schiffen im Mittelmeer abgefeuert werden.

(Foto: REUTERS)

Ein Raketenangriff auf Syrien scheint bevorzustehen, auch in Deutschland wird darüber heiß diskutiert. Die einen sind gegen eine militärische Intervention, andere befürworten sie, beteiligen will sich niemand. Mit heftiger Kritik an der Bundesregierung meldet sich Ex-Außenminister Steinmeier zu Wort. Zündstoff bietet die Frage, ob ein UN-Mandat notwendig ist.  

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Niebel hält ein UN-Mandat für einen Angriff nicht für erforderlich.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Bundesregierung hält einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates für nicht zwingend notwendig, falls sich die USA und Verbündete zu einem Militärschlag in Syrien entschließen. "Bundesregierung und auch die FDP haben immer gesagt: kein militärischer Einsatz ohne internationales Mandat", sagte Entwicklungsminister Dirk Niebel der "Stuttgarter Zeitung". Allerdings handele es sich bei dem Giftgasangriff gegen die syrische Bevölkerung - für den die USA das Regime von Baschar al-Assad verantwortlich machen - "offensichtlich um einen groben Verstoß gegen das Völkerrecht, der eine militärische Reaktion legitimieren kann".

Nichts überstürzen will dagegen der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier. Der einstige Außenminister warnt davor, einen Militärschlag in Syrien vor dem G20-Gipfel zu führen. Dieser findet nächste Woche (5./6. September) im russischen Sankt Petersburg statt. "Es ist der Sinn solcher Gipfel, letzte Möglichkeiten auszuloten, bevor mit einem militärischen Schlag unwiderrufliche Fakten geschaffen werden", sagte Steinmeier in Berlin. "Ich erwarte, dass die Bundesregierung dies unseren Partnern in den USA, Großbritannien und Frankreich unmissverständlich deutlich macht." Der G20-Gipfel in Russland müsse zu einem Syrien-Gipfel gemacht werden.

"Es kann nicht im russischen Interesse liegen, sich dauerhaft zum Beschützer einer zynischen syrischen Machtclique zu machen", betonte der frühere Außenminister mit Blick auf Russlands Präsidenten Wladimir Putin und Syriens Präsidenten Baschar al-Assad. Mit dem Einsatz von Giftgas sei eine weitere Schwelle in Richtung Abgrund überschritten worden. "Die internationale Staatengemeinschaft darf in dieser Situation nicht tatenlos zuschauen." Wer dabei allerdings allein auf die militärische Logik setze, verhindere gleichzeitig Möglichkeiten zu einer politischen Lösung des Konflikts.

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Der damalige Außenminister Steinmeier bei einem Treffen mit Assad im Jahre 2009.

(Foto: REUTERS)

"Vieles ist in den letzen Monaten versäumt worden, auch durch die deutsche Außenpolitik", kritisierte Steinmeier. "Es gab keinen ernsthaften Versuch, Moskau und Washington in der Syrien-Frage zusammenzubringen. Deutschland ist nicht sichtbar und hat durch eigene Enthaltsamkeit an Gewicht verloren." Zudem forderte Steinmeier eine stärkere Rolle der Vereinten Nationen. UN-Experten müsse zunächst Gelegenheit gegeben werden, ihre Erkenntnisse im UN-Sicherheitsrat vorzustellen. Generalsekretär Ban Ki Moon sei gefragt, das ganze Gewicht der UN aufzubieten, um eine weitere militärische Eskalation zu verhindern, forderte Steinmeier.

Seibert: "Deutschland zu Konsequenzen bereit"

Regierungssprecher Steffen Seibert hatte am Montag erklärt, Deutschland sei zu "Konsequenzen" bereit, falls sich die Giftgasvorwürfe gegen Syriens Machthaber Baschar al-Assad bestätigen. Die Bundesregierung ließ jedoch offen, wie solche Konsequenzen aussehen könnten.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, hält Militärschläge ohne ein Mandat des Sicherheitsrats für eine legitime Konsequenz nach einem Einsatz von Giftgas gegen die Zivilbevölkerung. "Wenn der UN-Sicherheitsrat aufgrund einer Blockade von Veto-Mächten solche Konsequenzen nicht zieht, bleibt die internationale Gemeinschaft trotzdem dazu aufgefordert und berechtigt", sagte der CDU-Politiker dem "Handelsblatt Online". Die sogenannte Schutzverantwortung der Vereinten Nationen (Responsibility to protect - R2P) gebe dafür eine "klare völkerrechtliche Grundlage".

Mißfelder rechnet nicht mit deutscher Beteiligung

Der Experte Markus Kaim von der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin hält das jedoch zumindest für "problematisch". Klar definiert sei das Recht auf militärische Aktionen nur im Falle von Selbstverteidigung oder mit einem Mandat des Sicherheitsrats", sagte er im ARD-"Morgenmagazin".

Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Philipp Mißfelder (CDU), rechnet nicht mit einer deutschen Beteiligung an einem möglichen Militärschlag gegen Syrien. "Deutschland kann nur im Rahmen von Nato, EU oder UNO agieren. Ein solches Mandat sehe ich nicht", sagte der CDU-Politiker. Erneut sprach er sich für eine politische Lösung des Konflikts gemeinsam mit China und Russland aus. Ansonsten werde der "Stellvertreterkrieg" in Syrien weitergehen.

Die Deutschen lehnen einen Militärschlag gegen Syrien einer Meinungsumfrage zufolge mit großer Mehrheit ab. In einer Erhebung für das Magazin "Stern" sprachen sich 69 Prozent der Befragten gegen eine Militärintervention des Westens aus. Nur 23 Prozent befürworteten ein entsprechendes Eingreifen. Von den Befürwortern waren wiederum 28 Prozent gegen eine deutsche Beteiligung.

Grüne pochen auf UN-Mandat

Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour pochte auf einen Beschluss der UNO. Dies sei die "Grundvoraussetzung", sagte er im ARD-"Morgenmagazin". Zugleich betonte er, dass "ein Einsatz von Chemiewaffen Horror ist und nicht einfach hingenommen werden kann". Es müsse aber zunächst sorgfältig die Schuldfrage geklärt werden.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück forderte Bund und Kommunen auf, mehr Flüchtlinge aus Syrien in Deutschland aufzunehmen. "Es sind bisher 4500 Syrer zu uns gekommen. Die Nachbarländer Syriens haben inzwischen mehr als eine Million Menschen aufgenommen", sagte Steinbrück der "Stuttgarter Zeitung". "Angesichts solcher Zahlen von einer Überforderung Deutschlands zu schwadronieren, ist absolut unangemessen." Insgesamt müsse die Bundesregierung die Kommunen bei der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern stärker unterstützen, auch mit mehr Geld.

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Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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