Haushaltsplanung mit Tricks Deutschland, ein Musterschüler?
13.03.2013, 15:37 Uhr
Schon 2014 will Deutschlands oberster Kassenwart so wenig Kredite aufnehmen wie zuletzt vor 40 Jahren, ein Jahr später sogar ganz ohne neue Kredite auskommen. Mit dem schönen Zahlenwerk will die Bundesregierung in Europa glänzen. Doch die Euro-Krise hilft der Koalition. Die Opposition wirft ihr vor, nicht genügend Risikovorsorge zu betreiben.
Bei der Sanierung des Haushalts drückt die schwarz-gelbe Bundesregierung ordentlich aufs Tempo: Bereits 2015, ein Jahr früher als geplant, soll der Bund auf neue Schulden verzichten. Für die Folgejahre werden sogar Überschüsse in Aussicht gestellt. Dann will der Bund beginnen, seinen in Jahrzehnten aufgetürmten Schuldenberg von 1,3 Billionen Euro abzutragen. Das alles sind nicht nur Botschaften ans Wahlvolk, sondern auch an die internationalen Partner.
Im nächsten Jahr will die Bundesregierung 296,9 Milliarden Euro ausgeben. Das wären 1,7 Prozent weniger als dieses Jahr. Bis 2017 sollen die Ausgaben auf 308,7 Milliarden Euro steigen.
Ihre Steuereinnahmen veranschlagt die Regierung für 2014 auf 269 Milliarden Euro. Hinzu kommen sonstige Einnahmen - etwa Dividenden - von 21,5 Milliarden Euro. 2017 erwartet die Bundesregierung Steuereinnahmen von knapp 300 Milliarden Euro.
Um die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben zu schließen, plant die Bundesregierung 2014 neue Kredite in Höhe von 6,4 Milliarden Euro ein. Das ist weniger als die Hälfte der in der bisherigen Finanzplanung vorgesehenen Summe.
2015 soll der Etat dann auch nominell ohne neue Kredite auskommen. 2016 ist sogar ein Überschuss von fünf Milliarden Euro, 2017 von 9,4 Milliarden Euro geplant. Damit könnte Deutschland, wenn es politisch gewollt wird, Schulden tilgen.
Erreicht wird die "strukturelle Null" 2014 vor allem dadurch, dass der Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds mit Blick auf die dort gebildeten Rücklagen um 3,5 Milliarden Euro reduziert wird. Außerdem können die Zinsausgaben um 4 Milliarden Euro niedriger angesetzt werden. Zudem enthält die Planung eine globale Minderausgabe von 900 Millionen Euro, die noch nicht durch konkrete politische Beschlüsse unterlegt ist.
Vizekanzler Philipp Rösler präsentierte das Zahlenwerk an der Seite von Finanzminister Wolfgang Schäuble. Hoch erhobenen Hauptes sprach er von einer Leistung historischen Ausmaßes. Deutschland sei "Vorreiter in Europa", ja, die "Welt beneidet uns u m unseren Kurs", tönte der FDP-Chef. Um einiges nüchterner formulierte Deutschlands oberster Kassenwart selbst die Pläne. Die beschlossenen Eckwerte belegten, dass sich konsequentes, nachhaltiges Haushalten und wirtschaftliches Wachstum einander nicht ausschlössen, so Schäubles Botschaft Richtung Krisenländer. "Das ist ein starkes Signal auch für Europa", betonte der CDU-Politiker. Mit dem schönen Zahlenwerk will die Regierung auch beim am Donnerstag beginnenden EU-Gipfel Eindruck machen.
Werden die Pläne Wirklichkeit, dann kommt der Bund bereits 2015 erstmals seit mehr als 40 Jahren ganz ohne neue Kredite aus - die Einnahmen würden dann ausreichen, um die Ausgaben vollständig zu decken. Strukturell - also abzüglich konjunktureller Sondereinflüsse und Einmaleffekte - soll der Bundesetat schon 2014 ausgeglichen sein. Ab 2016 soll der Schuldenberg dann abgetragen werden, zunächst um fünf Milliarden Euro, 2017 dann schon um zehn Milliarden Euro.
Kassen-Zuschuss wird gekürzt
Um die "strukturelle Null" 2014 zu erreichen, will Schäuble den Zuschuss für die wiedergenesene gesetzliche Krankenkasse um 3,5 Milliarden Euro kürzen. Das sind 1,5 Milliarden mehr als zuletzt geplant. Hilfreich ist auch, dass Schäuble praktisch nichts für Kredite zahlen muss: Im Gegensatz zu den meisten anderen, von Märkten abgestraften Euro-Ländern hat Deutschland Top-Noten bei der Kreditwürdigkeit. Wenn der Bund sich Geld borgt, zahlen Investoren sogar drauf.
Und nachdem mit der Agenda 2010 der Grundstein für eine solide Entwicklung schon vor zehn Jahren gelegt wurde, heimst die Regierung nun den Erfolg dafür ein. Die Steuereinnahmen sollen 2014 um weitere 8 Milliarden auf den neuen Rekordstand von 269 Milliarden Euro steigen, die Ausgaben um 5 Milliarden Euro sinken.
"Regierung hat auf Sand gebaut"
Harsche Kritik kommt aus der Opposition. Schäubles angeblich ausgeglichener Haushaltsentwurf sei Augenwischerei, kritisiert Grünen-Budgetexpertin Priska Hinz. Wieder greife die Bundesregierung in unverschämter Weise in die Taschen der Beitragszahler. Während die FDP von Steuersenkungen spreche, lasse ihr Gesundheitsminister Daniel Bahr die Krankenversicherten bluten. Schwarz-Gelb zweckentfremde 3,5 Milliarden Euro aus dem Gesundheitsfonds, um die notwendigen Sparbemühungen im Wahljahr zu umgehen, betont Hinz.
"Die Regierung hat auf Sand gebaut", sagt der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Carsten Schneider. Er bemängelt, dass die Bundesregierung nicht genügend Risikovorsorge betreibe - trotz anhaltender Euro-Krise. Schäuble habe aus Sicht der Opposition einen zu hohen Bundesbank-Gewinn veranschlagt.
Der endgültige Etatentwurf soll erst Ende Juni vom Kabinett beschlossen werden. Das Parlament wird das Zahlenwerk in dieser Wahlperiode nicht verabschieden. Abzuwarten bleibt deshalb, ob sich auch die künftige Bundesregierung an Schäubles Haushaltsvorgaben für die nächsten Jahre hält - im September stehen Bundestagswahlen an. Erreicht Schwarz-Gelb nicht die nötige Mehrheit, könnte der Etatentwurf Makulatur werden.
Quelle: ntv.de, mit dpa