Euro-Staaten streiten über Defizit Deutschland stützt Frankreich
03.11.2003, 21:44 UhrDie Euro-Staaten haben am Montag über den Versuch der Bundesregierung gestritten, das Defizitverfahren gegen Frankreich zurückzudrehen und so auch Deutschland eine strenge EU-Aufsicht über seine Finanzpolitik zu ersparen.
Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) sagte vor einem Treffen mit seinen Kollegen aus der Euro-Zone, die Prozeduren des Stabilitätspaktes bis hin zu Sanktionen seien nur nötig, wenn ein EU-Staat nicht kooperationsbereit sei. "Wenn es eine einvernehmliche Lösung gibt, das heißt also mit einem Partner, der kooperativ ist, und wir uns über das, was zu tun ist verständigen, dann braucht es keine prozeduralen Vorgänge, die wieder Streit auslösen", sagte Eichel.
Österreich und Niederlande fordern Strenge
Die Finanzminister Österreichs, Karl-Heinz Grasser, und der Niederlande, Gerrit Zalm, hielten dagegen an ihrer Forderung nach strengen Auflagen fest. Währungskommissar Pedro Solbes blieb bei seinen Empfehlungen, das Defizitverfahren weiter zu treiben.
Zalm sagte, der Stabilitätspakt müsse Artikel nach Artikel abgearbeitet werden. "Eine Kehrtwende ist nicht vorgesehen." Solbes bekräftigte, er wolle so schnell wie möglich eine Entscheidung über die Vorschläge der Kommission.
Deutschland für Milde
Deutschland hat EU-Kreisen zufolge angeregt, entgegen der Kommissionsempfehlung das Verfahren gegen Frankreich nicht eine Stufe weiter zu bringen. Statt die französische Haushaltspolitik praktisch unter die Überwachung von Solbes zu stellen und mit Sanktionen zu drohen, könne die Kommission auch lediglich ihre früheren Empfehlungen aktualisieren.
Frankreich hatte die Aufforderung der EU-Finanzminister aus dem Sommer nicht eingehalten, sein Defizit bis zum kommenden Jahr wieder unter die EU-Marke von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu senken. Die Kommission hatte deshalb erstmals die nächsten zwei Schritte des Defizitverfahrens auf den Weg gebracht. Deutschland wird das Drei-Prozent-Ziel 2004 ebenfalls nicht erreichen, die Reaktion der Kommission darauf steht noch aus.
Im ersten Schritt will Solbes die Feststellung erreichen, dass Frankreich die Auflagen verletzt hat. Als zweites will er Frankreich die Auflage machen, sein konjunkturbereinigtes Defizit im kommenden Jahr um einen Prozentpunkt abzubauen, um spätestens 2005 unter die Drei-Prozent-Grenze zu kommen. Andernfalls würden Sanktionen drohen. Frankreich hält dies für zu streng und will Diplomaten zufolge einen Kompromissvorschlag machen.
"Harakiri der nationalen Finanzpolitik"
Deutschland regt den Kreisen zufolge an, wegen der schlechten Wirtschaftslage auf beide Schritte zu verzichten. Stattdessen sollten lediglich die Empfehlungen aus dem Sommer aktualisiert werden. Der Pakt sehe dies vor. Damit würden Sanktionen nicht unmittelbar drohen und auch eine strenge Überwachung der Haushaltspolitik verhindert werden. Deutschland könne bei dieser Gelegenheit zudem bereits Pflöcke einrammen, um weitere Schritte im eigenen Defizitverfahren zu verhindern, hieß es weiter.
In den Hauptstädten wird besonders eine strenge Aufsicht durch die Kommission gefürchtet. Die nächsten Verfahrensschritte seien ein "Harakiri der nationalen Finanzpolitik", sagte ein Diplomat.
Theoretisch könnte eine Minderheit von Euro-Ländern die Empfehlungen der Kommission ablehnen und so eine offene Machtprobe hervorrufen. Der Kommission kommt in dem Streit eine Schlüsselstellung zu. Der juristische Dienst des Ministerrates kam zu dem Ergebnis, rechtlich sei es zwar nicht ausgeschlossen, auf die nächsten Schritte im Defizitverfahren zu verzichten. Allerdings sei dies nicht das normale Verfahren. Und der Vorschlag dafür müsse von der EU-Kommission ausgehen.
Quelle: ntv.de