Politik

Experten entsorgen Kampfstoffe aus den Weltkriegen Deutschland vernichtet alte Chemiewaffen

Experten der "Gesellschaft zur Entsorgung von chemischen Kampfstoffen und Rüstungsaltlasten" vernichten in Munster Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg.

Experten der "Gesellschaft zur Entsorgung von chemischen Kampfstoffen und Rüstungsaltlasten" vernichten in Munster Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg.

(Foto: REUTERS)

Syrien soll die Vernichtung seiner Chemiewaffen bis Mitte nächsten Jahres ermöglichen. So will es eine entsprechende UN-Resolution. Ein kühnes Ziel: Deutschland ist noch immer damit beschäftigt, die Hinterlassenschaften der beiden Weltkriege zu beseitigen.

In Syrien arbeiten Experten der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) und der Vereinten Nationen an der Zerstörung des Chemiewaffen-Arsenals. Entsprechend der Resolution des UN-Sicherheitsrates muss das Regime von Baschar al-Assad die Vernichtung all seiner Chemiewaffen bis Mitte 2014 ermöglichen. Ein ehrgeiziges Ziel. In der Lüneburger Heide sind Techniker und Experten immer noch damit beschäftigt, chemische Kampfstoffe aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg unschädlich zu machen.

Dass das Entsorgungszentrum in der kleinen Stadt Munster steht, hat mit der unrühmlichen Geschichte dieses Ortes zu tun. Bereits im Ersten Weltkrieg wurden hier chemische Kampfstoffe wie Clark I und II, Lost oder Chlorpikrin produziert und erprobt. Bei einem Explosionsunglück 1919 wurde das Terrain weitläufig vergiftet. Etwa 4000 Tonnen verseuchter Boden aus dieser Region werden hier jährlich in einer speziellen Anlage gewaschen, die Giftstoffe werden eingeschmolzen.

Die 1997 gegründete Gesellschaft zur Entsorgung von chemischen Kampfstoffen und Rüstungsaltlasten (GEKA) ist zudem das einzige Unternehmen in Deutschland, das mit chemischer Munition umgehen darf, um sie zu vernichten. Jeder Fund und jede Zerstörung wird der OPCW in Den Haag gemeldet. Rund 50 bis 100 Stück chemischer Weltkriegs-Munition aus der ganzen Republik werden in der Anlage jährlich vernichtet. Darüber hinaus machen die insgesamt 140 Mitarbeiter auch konventionelle Kampfstoffe unschädlich.

Deutsche Entsorgungsöfen sind Vorbild

Seit dem syrischen Giftgasangriff in der Nähe von Damaskus, bei dem etwa 1400 Menschen getötet wurden, interessieren sich viele, was eigentlich auf dem gut gesicherten Gelände der GEKA geschieht. Um zu erklären, ob es in Deutschland Chemiewaffen gibt und wie diese vernichtet werden, lud das bundeseigene Unternehmen zu einem Medientag ein. Eine Einschätzung der Lage in Syrien wollen die deutschen Experten allerdings nicht abgeben. Sie verweisen auf das Auswärtige Amt.

Dass chemische Waffen aus anderen Ländern nach Deutschland gebracht werden, um sie hier unschädlich zu machen, gilt als höchst unwahrscheinlich. "Hierzu treffen wir keinerlei Vorbereitungen", sagte GEKA-Geschäftsführer Jan Gerhard.

Deutschland hat sein Wissen um die Entsorgung chemischer Kampfstoffe bereits in der Vergangenheit exportiert. Die in Niedersachsen von der GEKA betriebenen Entsorgungsöfen wurden Vorbild für Großanlagen unter anderem in Russland, wo 2002 eine Anlage nach dem Modell Munster in Gorny errichtet wurde. Mit Know-how und finanzieller Hilfe aus Deutschland folgten weitere russische Anlagen. Für die GEKA werden jährlich rund 17,5 Millionen Euro in den Verteidigungshaushalt eingestellt, Gewinn macht das Unternehmen nach eigenen Angaben nicht.

Das benachbarte "Wehrwissenschaftliche Institut für Schutztechnologien ABC-Schutz" hat nach Informationen aus Sicherheitskreisen auch Proben aus Syrien auf mögliche Reste von chemischen Kampfstoffen untersucht. Es ist eines von weltweit 22 von der OPCW akkreditierten Untersuchungsinstituten. Möglicherweise kann es bei der Vernichtung von Chemiewaffen in Syrien mit Expertenrat weiterhelfen. So weit ist man aber noch nicht.

Am kommenden Montag werden in Munster erst einmal acht Techniker aus dem Irak erwartet. "Sie sollen in den Umgang mit Geräten zum Nachweis chemischer Kampfstoffe eingewiesen werden", erläuterte Institutssprecher Manfred Ittrich. Die Vereinten Nationen hatten den Irak nach dem Krieg mit Kuwait 1991 dazu verpflichtet, seine Massenvernichtungswaffen zu zerstören.

Quelle: ntv.de, Christina Sticht, dpa

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