Politik mit dem Presslufthammer Deutschlands lauteste Querulanten
07.06.2014, 13:02 Uhr
Die "Süddeutsche Zeitung" nennt CSU-Vize Gauweiler schon "Peter Wagenknecht".
(Foto: REUTERS)
Steile Thesen, Attacken auf die eigenen Leute, Angriffe auf die Werte der Partei - das macht einen Polit-Querulanten aus. CSU-Vize Gauweiler demonstriert das mit auffällig linken Parolen. Er ist allerdings bei Weitem nicht der einzige seiner Art.
Peter Gauweiler bügelt alles platt. Der CSU-Vize nennt Auslandseinsätze der Bundeswehr, wie den in Afghanistan, verfassungswidrig. Er fordert, dass sich die Truppe auf die Landesverteidigung beschränkt. Die "Süddeutsche Zeitung" titelte schon "Peter Wagenknecht", weil der 64 Jahre alte Münchener wie die Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht klingt. Auf jeden Fall ist seine Haltung der totale Bruch mit der Linie seiner eigenen Partei. Und es ist nicht der erste.
Krasse Gegenentwürfe zur Parteilinie, steile Thesen - Gauweiler liefert gerade ein Beispiel für das, was einen Partei-Querulanten ausmacht. Er ist ein Exempel für das, was mittlerweile schon so etwas wie ein Politiker-Typus geworden ist. n-tv.de stellt seine auffälligsten Artgenossen in der deutschen Politik vor.
Sevim Dagdelen: Die 38-Jährige Duisburgerin sitzt für die Linke im deutschen Bundestag. Vor gut zwei Jahren fiel sie gewaltig auf, weil sie einen Aufruf mit dem Namen "Kriegsvorbereitungen stoppen" unterzeichnete. Dagdelen unterstellte darin USA und Nato, einen Krieg "gegen die strategisch wichtigen bzw. rohstoffreichen Länder Syrien und Iran" vorzubereiten. Sie pochte zudem darauf, Embargos gegen diese Länder sofort einzustellen. Die Menschenrechtsverletzungen in Syrien und Iran erwähnte sie nicht. Auch wenn Antiamerikanismus in der Linken weit verbreitet ist. Das ging selbst vielen in der Nachfolgepartei der PDS zu weit. Zuletzt sorgte Dagdelen für Ärger, weil sie die Grünen-Abgeordnete Katrin Göring-Eckardt versteckt in einem Zitat von Bertolt Brecht als "Verbrecherin" bezeichnete. Ihrer Meinung nach schweigt Göring-Eckardt den Einfluss rechter Kräfte in der Ukraine tot. Die Linken-Führung distanzierte sich prompt von der Wortwahl Dagdelens.
Beatrix Amelie Ehrengard Eilika von Storch: Sie ist wohl die wichtigste Frau in der AfD. Die 53-Jährige geborene Herzogin von Oldenburg sorgt mit ihrer Haltung zu Familie und Sexualität für Entsetzen bei etablierten Parteien und für Kontroversen in der eigenen. Sie behauptete kürzlich, dass die EU eine "Sexualausbildung ab der Grundschule" plane - mit "Masturbationslerneinheiten für 0- bis 4-Jährige." Zudem fürchtet sie "schleichende Veränderungen" von Geschlechterrollen. Dass Kinder in der Schule lernen, was es mit Homosexualität auf sich hat, nennt sie "Manipulation". Von Storch selbst steht für ein fundamental-christliches Familien- und Sexualbild. Weil sie obendrein gern und oft Worte wie "Muttersprache", "Vaterland" oder "Deutschland" gebraucht, atmen viele ihrer Auftritte einen historisch befremdlichen Hauch. In der ZDF-"Heute-Show" ist sie in Einspielern mittlerweile widerwillen ein Dauergast - als "Ikone der Nationalen".
Johannes Ponader: In der Piratenpartei spielt der 37-Jährige keine Rolle mehr. Seine frühere Präsenz bestimmt das Image der Truppe aber noch immer. Erstmals fiel Ponader auf, weil er als politischer Geschäftsführer von Hartz-IV lebte. Hinzu kamen seine Fernsehauftritte: 2012 etwa besuchte er die Talkshow von Günther Jauch - in Sandalen mit Klettverschluss in einer Riege von Anzugträgern. Sein Handy hielt er während der Sendung die ganze Zeit in der Hand - weil er mit den restlichen Piraten per Twitter verbunden sein wollte. Der Mann mit dem Einser-Abitur rückte als Verkörperung eines neuen Politikstils in den Fokus der Öffentlichkeit. Dabei wollten die Piraten eigentlich durch Inhalte statt durch Personen überzeugen und mit klassischer Machtpolitik brechen. Gleich mehrere Piraten sprachen sich dafür aus, Ponader Fernsehauftritte zu verbieten. Im Sommer 2012 erklärte er seinen Rücktritt.
Wolfgang Kubicki: Für den FDP-Mann aus Schleswig-Holstein ist Politik Krieg, Nahkampf genaugenommen. Der Rechtsanwalt ist ein eigenständiger Kopf. Will seine Partei nicht so wie er, sagt er es - ohne Rücksicht auf Verluste. Seine Parteikollegin Birgit Homburger beschrieb er einmal vor laufender Kamera als Müll, den es zu entsorgen gelte. Christian Lindner lobte er als "geborenen Vorsitzenden", obwohl der Vorsitzende damals noch Philipp Rösler hieß. Angesichts derartiger persönlicher Attacken ging fast schon unter, dass er auch inhaltlich oft einen anderen Kurs vertrat als seine damaligen Parteichefs. Das hinderte den 62-Jährigen allerdings nicht an einer beachtlichen Parteikarriere. Kubicki ist mittlerweile stellvertretender Vorsitzender der FDP, wenn auch einer geschwächten FDP.
Thilo Sarrazin: Der frühere Finanzsenator Berlins wäre wegen seiner Alleingänge fast aus der SPD geflogen. Erstmals löste der Volkswirt bundesweit Entrüstung aus, als er Hartz-IV-Empfängern Tipps gab, wie man sich von weniger als vier Euro am Tag ernähren könne. Er empfahl zudem dicke Pullis, statt hohe Heizkosten. Als untragbar galt in der Partei sein Buch "Deutschland schafft sich ab", indem er Zuwanderern aus bestimmten Kulturkreisen die Integrationsfähigkeit absprach. Sarrazins Karriere als Querulant gilt mittlerweile als beendet. Als Sozialdemokrat nimmt ihn niemand mehr ernsthaft wahr. Womöglich auch, weil er sich dieser Tage auf Konferenzen von Rechtspopulisten tumelt.
Bei CDU und Grünen fällt vor allem eines auf: dass niemand auffällt. Bei beiden gab es einst Querulanten in der Partei. Jutta Ditfurth zum Beispiel, die die Grünen verließ, weil es ihr nicht gelang, sie in eine sozialistische Ökopartei zu verwandeln. Fraglich ist, ob die Abstinenz von Querdenkern für Christdemokraten und Grüne wirklich ein Gewinn ist. Sie sorgen schließlich nicht nur für Kontroversen, sondern immer auch für Aufmerksamkeit. Und letztlich ist es ja auch nicht ausgeschlossen, dass sie ihren Parteien einen inhaltlichen Impuls geben, der einen sinnvollen Kurswechsel befördert. Im eigentlichen Wortsinn ist ein Mensch ein Querulant, wenn er sich unnötig beschwert und starrköpfig auf sein vermeintliches Recht pocht. In der Politik ist jemand ein Querulant, der mit der Parteilinie bricht. Dass muss im Einzelfall kein Unterschied sein, kann es aber.
Quelle: ntv.de