Politik

Datenschutz oder mehr Honorar Diagnose-Code spaltet Ärzteschaft

Wer zum Arzt geht, will nicht, dass Dritte allzu viel darüber erfahren. Künftig sollen Mediziner den Kassen aber mehr Daten weitergeben als bisher. Minister Rösler hat die Neuregelung nach massiven Protesten - vorerst - gestoppt.

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(Foto: picture alliance / dpa)

Ein Code sorgt für Unruhe unter Medizinern: IDC-10-GM. Was sich dahinter verbirgt, ist ebenso kompliziert wie umstritten: Seit Beginn des Jahres müssen Ärzte und Therapeuten den Krankenkassen detailliertere Daten über ihre Patienten weitergeben als bisher. Das Milliardenhonorar soll stärker je nach tatsächlicher Krankheitslast der Patienten an die Ärzte fließen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Kassen-Spitzenverband wollen die Krankheiten deshalb genauer erfassen - in den Ländern laufen Mediziner aber dagegen Sturm. Sie befürchten mehr Bürokratie und weniger Datenschutz. Jetzt stoppte Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) die neuen Regeln - vorerst.

In Krankenhäusern wird schon seit Jahren so gearbeitet: Diagnosen und Behandlungen werden in einen Buchstaben-und-Ziffern-Code übersetzt, der Grundlage ist für die spätere Vergütung. Jetzt sollen auch die ambulanten Praxen ihre Arbeit genauer als bisher schon verschlüsseln - und zwar nach eben jenem IDC-10-GM, der "International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, Release 10, German modification". Als Richtschnur sollen ihnen "Ambulante Kodierrichtlinien" dienen, die haarklein vorschreiben, wer welche Diagnose wie zu kodieren hat.

Schwerwiegende Bedenken

Das stößt vor allem Psychotherapeuten sauer auf. "Bislang haben wir versucht, die Diagnose für die Krankenkasse immer so harmlos wie möglich zu stellen", erklärt der Präsident der hessischen Psychotherapeutenkammer, Jürgen Hardt. Er schrieb lieber "vorübergehende Depression" auf statt "narzistische Persönlichkeitsstörung mit depressiver Verstimmung". Denn wenn sich eine schwerwiegend Diagnose herumspreche, könne das für den Patienten gravierende Folgen haben: Vielleicht wird der Patient dann nicht verbeamtet oder eine Berufsunfähigkeitsversicherung verwehrt. Die Kassen weisen die Bedenken zurück. "Es gibt wenige Daten, die so sorgfältig behütet werden, wie Patientendaten", sagt Verbandssprecher Florian Lanz.

Zweiter Kritikpunkt: noch mehr Bürokratie. "Die Ambulanten Kodierrichtlinien tragen nicht dazu bei, Patienten gesünder zu machen", argumentiert der Deutsche Hausärzteverband. Sie schadeten dem Patienten schon deshalb, "weil sie dem Kollegen Zeit für die Patienten rauben." 54.000 Mediziner haben bis Mitte Februar eine Petition gegen den "Bürokratiewahnsinn" der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) unterschrieben.

Ärzte im Zwiespalt

Die KBV argumentiert mit Blick auf den Geldbeutel. "Die Kodierung nach der ICD-10 hat spürbare Auswirkungen auf die Mittelverteilung", versucht sie ihre Länder-Organisationen zu überzeugen. Je klarer und detaillierter Krankheitsdaten erfasst würden, "umso unabweisbarer sind die berechtigten Forderungen nach entsprechender Steigerung der Gesamtvergütungen". Das Honorar werde langsamer wachsen, wenn die Ärzte ihre Diagnosen nicht genau belegen könnten.

Genau das ist das Problem, sagt der Psychotherapeut Hardt: "Wir sind in der Klemme: Vertreten wir die Interessen der Patienten oder sorgen wir dafür, dass wir ein höheres Honorar bekommen?" Hardt ist zuversichtlich, dass die Kodierrichtlinien noch länger nicht umgesetzt werden. Er könnte Recht behalten: Eigentlich wurden sie schon zum 1. Januar 2011 eingeführt. Dann wurde eine Übergangsfrist bis Mitte des Jahres eingeräumt. Diese Woche hat Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) die verpflichtende Umsetzung der neuen Regeln bis zum Jahresende verschoben.

Quelle: ntv.de, Sandra Trauner, dpa

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