Der Stand im Haushaltsstreit Die Ampel ringt um Milliarden
08.04.2023, 20:50 Uhr Artikel anhören
Finanzminister Linder will jeden Ausgabenposten überprüfen. Allerdings stehen die allermeisten dieser Posten politisch gar nicht zur Debatte, sondern beruhen auf rechtlichen Ansprüchen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die SPD will mehr Geld für die Verteidigung, die Grünen für bedürftige Kinder auch. Finanzminister Lindner will die Schuldenbremse wieder einhalten, aber weder Subventionen abbauen, noch Steuern erhöhen. Die Suche nach einem Kompromiss für den nächsten Bundeshaushalt gestaltet sich schwierig. Ein Überblick über wichtige Faktoren bei der Haushaltsaufstellung:
Der finanzielle Spielraum
FDP-Chef Lindner will die Schuldenbremse unbedingt einhalten - trotz Zweifeln in Teilen der SPD und der Grünen. Laut Grundgesetz darf sich der Bund im Normalfall in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschulden. Alle anderen Ausgaben müssen durch Einnahmen, in erster Linie Steuern, gedeckt werden.
Um die Kassenlage zu verbessern, gibt es verschiedene Vorschläge vom Subventionsabbau bis hin zur Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Lindner lehnt allerdings Steuererhöhungen kategorisch ab und will auch keine Steuervorteile streichen.
Ein paar Möglichkeiten zum Jonglieren hat er noch: Zum einen ist unklar, wie genau das Geld aus den verschiedenen Sondervermögen des Bundes ausgegeben wird. Wenn mehr Mittel aus dem Sondervermögen Bundeswehr entnommen würden, wäre womöglich keine oder eine geringere Anhebung des Verteidigungshaushalts möglich. Auch im Klima- und Transformationsfonds (KTF) ist noch Geld vorhanden und der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), der für die Bekämpfung der Energiekrise reaktiviert wurde, braucht dafür vermutlich weniger Mittel als zunächst gedacht.
Die "versteinerten" Ausgaben
Ein Problem bei der Haushaltsaufstellung ist, dass viele Ausgaben kaum verändert werden können. Der Bundesrechnungshof kritisierte dies kürzlich als "Versteinerung". Derzeit sind seinen Berechnungen zufolge nur etwa zehn Prozent des Haushalts "disponibel". Der Rest sei "Änderungen im Haushaltsaufstellungsverfahren faktisch entzogen", da es sich um gesetzliche Ansprüche handele, etwa Sozialleistungen oder Personalkosten, oder um vertragliche Verpflichtungen wie Zinszahlungen.
Der mit Abstand größte Einzelposten im Bundeshaushalt ist seit Langem der Zuschuss an die gesetzliche Rentenversicherung von zuletzt mehr als 100 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die Gesamtausgaben des Bundes liegen im laufenden Jahr laut Plan bei 476 Milliarden Euro.
Die Wünsche
Die Erwartungen der Koalitionspartner an Lindners Etat sind, wie der Streit der vergangenen Wochen zeigt, widersprüchlich. Die vom Finanzminister angeführte FDP dringt auf weitere Steuerentlastungen sowie zusätzliches Geld für die geplante Aktienrente. Die SPD meldet vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs vor allem einen höheren Bedarf im Verteidigungshaushalt an; die Rede ist von zehn Milliarden zusätzlich im Jahr.
Die Grünen wiederum haben die Kindergrundsicherung zum zentralen Projekt erklärt. Familienministerin Lisa Paus geht von elf bis zwölf Milliarden Euro an jährlichen Zusatzkosten aus.
Wie es weitergeht
Die sonst übliche Verabschiedung von Etat-Eckpunkten Mitte März hat Lindner abgesagt; inzwischen wird davon ausgegangen, dass sie ganz ausfällt. Der nächste wichtige Termin ist die Frühjahrs-Steuerschätzung im Mai, die neue Erkenntnisse zu den zu erwartenden Staatseinnahmen bringt. Im Juni soll dann ein detaillierter Haushaltsentwurf im Kabinett beschlossen werden. Danach ist der Bundestag am Zug. Endgültig verabschiedet wird der Haushalt 2024 kurz vor Jahresende.
Quelle: ntv.de, mbo/AFP