Politik

Landtagswahl in Niedersachsen "Die FDP entscheidet"

Sind die Tage von Philipp Rösler gezählt?

Sind die Tage von Philipp Rösler gezählt?

(Foto: picture alliance / dpa)

Schafft Rot-Grün den Regierungswechsel? Wie sehr schaden Steinbrücks Tiraden den Genossen? Und was passiert eigentlich mit FDP-Chef Rösler? Die Landtagswahl in Niedersachsen wirft ihre Schatten voraus. Der Politikwissenschafter Uwe Jun erklärt im Gespräch mit n-tv.de, wieso für alle Parteien so viel abhängt von der großen Generalprobe für die Bundestagswahl.

Herausforderer und Ministerpräsident: Nur einer kann gewinnen.

Herausforderer und Ministerpräsident: Nur einer kann gewinnen.

(Foto: picture alliance / dpa)

n-tv.de: Guten Tag Herr Jun, David McAllister oder Stephan Weil – was sind die Vorzüge der beiden Spitzenkandidaten im Kampf um das Amt des niedersächsischen Ministerpräsidenten?

Uwe Jun: Beide sind sachlich, pragmatisch und haben bereits Regierungsverantwortung. Weil als Oberbürgermeister der größten niedersächsischen Stadt, McAllister als Ministerpräsident. Beide sind in ihren Parteien völlig akzeptiert und können deshalb auch gut mobilisieren.

Wer kommt besser an?

McAllister hat einen Vorteil. Er hat einen kleinen Amtsbonus und ist bekannter. Weil dagegen kennen viele Wähler außerhalb von Hannover gar nicht. Niedersachsen ist ein großes Land, da ist es schwierig, so schnell weit in das Land hinein zu strahlen.

Beide sind charakterlich sehr unterschiedlich. McAllister ist smart und extrovertiert, Weil deutlich ruhiger unaufgeregter. Ist das auch ein Nachteil für ihn?

Der charismatischere Kandidat ist nach wie vor derjenige, der im Normalfall den größeren Erfolg hat. Andererseits haben wir eine Zeit, in der wir viel von Krisen sprechen. Deshalb stoßen Personen, die ruhig und abgeklärt wirken und weniger polarisieren, auf eine große Akzeptanz. Die größere mediale Wirkung, die ein McAllister hat, hat sich sicherlich abgeschwächt. Als Gerhard Schröder vor 10 oder 15 Jahren mit viel Angriffslust und Inszenierung Wahlen für sich entschieden hat, war das noch anders. Diese Zeiten sind vorbei.

Bisher stehen die Genossen noch hinter ihrem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück.

Bisher stehen die Genossen noch hinter ihrem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Turbulenzen um SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück treffen Weil mitten in seinem Wahlkampf. Trotzdem sind seine Chancen laut den Umfragen gut. Wieso bleibt er verschont?

Es geht ja um Niedersachsen und nicht um die Bundestagswahl. Bisher haben sich die Niedersachsen davon offensichtlich wenig beeindrucken lassen, aber das Tief der Bundes-SPD kann Weil immer noch treffen. Ob die vielen unentschlossenen Wähler das trennen können, bezweifle ich.

Wie nachhaltig wird die Diskussion um Steinbrück der SPD noch schaden?

Man muss klar sagen: Der Kanzlerkandidat stellt einen Schwachpunkt dar. Er hat sehr viel falsch gemacht. Mittlerweile geht es ja nicht mehr nur um Fehler aus der Vergangenheit wie etwa seine Vortragshonorare. Die Kritik am Kanzlergehalt ist für viele SPD-Wähler nicht verständlich, selbst wenn es sachlich richtig ist. Gelingt der SPD in Niedersachsen kein Machtwechsel, muss man über eine neue Strategie nachdenken und Steinbrück selbst sein Auftreten stärker hinterfragen.

Für die meisten Experten blieb das TV-Duell zwischen McAllister und Weil ohne eindeutigen Sieger.

Für die meisten Experten blieb das TV-Duell zwischen McAllister und Weil ohne eindeutigen Sieger.

(Foto: picture alliance / dpa)

Halten Sie sogar einen Austausch des Kandidaten für denkbar?

Das gab es noch nie, aber für ausgeschlossen halte ich das nicht. Natürlich ist es möglich, dass Steinbrück an einem bestimmten Punkt zu der Erkenntnis kommt, dass er eine Belastung für den Wahlkampf ist und dass das besser ein anderer machen sollte.

Im TV-Duell wurde McAllister gefragt, inwiefern ihm die Scheidung von Christian Wulff im Wahlkampf schadet. Im Anschluss musste sich Weil zu der Debatte um Steinbrück äußern. Ist es gerechtfertigt, dass Steinbrück in einem Atemzug mit Wulff genannt wird?

Fraglos ist Wulff für die niedersächsische CDU alles andere als ein Pluspunkt. Dasselbe gilt derzeit für Steinbrück und die Landes-SPD. Deswegen können beide als Belastung empfunden werden. Von einer Gleichsetzung würde ich aber nicht sprechen.

Ist die FDP vorerst gerettet, wenn ihr in Niedersachsen der Wiedereinzug in den Landtag gelingt?

Nein, auf keinen Fall. Sicherlich wäre es ein Erfolg für Philip Rösler. Aber selbst wenn die Partei mit 5,1 Prozent in den Landtag einzieht: Die Diskussionen darum, mit welchem Personal und welchen Themen man in den Bundestagswahlkampf zieht, sind nicht beendet.

Spannung bis zum Schluss
 Infratest
(10.1.)
INFO
(12.1.)
GMS      (17.1.)
CDU40 %38 %41 %
SPD33 %31,5 %33 %
Grüne13 %14,5 %13 %
FDP5 %4,5 %5 %
Linke3 %6 %3 %
Piraten3 %3 %3 %
    
Quelle:wahlrecht.de

In Niedersachsen ist das Abschneiden der FDP entscheidend für den Wahlausgang.

Ja, eindeutig. Die FDP entscheidet. Wenn sie es schafft, besteht die Möglichkeit, dass die schwarz-gelbe Landesregierung fortgesetzt werden kann. Wenn die Liberalen nicht in den Landtag kommen, ist es kaum vorstellbar, dass es für die CDU alleine zum Regieren reicht. Dann sind die Chancen für Rot-Grün sehr gut.

Weil wollte eine Tolerierung durch die Linke im TV-Duell nicht explizit ausschließen. Ist er in der Ypsilanti-Falle?

So weit würde ich nicht gehen. Er weiß, dass die Wahrscheinlichkeit sehr gering ist, dass die Linken in den Landtag einziehen. Vor dem Hintergrund wollte er die Wähler der Linken nicht verprellen, sondern ihnen das Angebot machen, die SPD zu wählen.

Die Linke liegt in den Umfragen bei drei Prozent. Was hätte ein Scheitern in Niedersachsen für die Partei für Folgen im Hinblick auf die Bundestagswahl?

Uwe Jun ist Professor für Politikwissenschaft an der Uni Trier.

Uwe Jun ist Professor für Politikwissenschaft an der Uni Trier.

Nicht so viele. Die Linken haben ein ausreichendes Stammwählerpotenzial in den ostdeutschen Bundesländern. Das bringt sie im Bundestag schon über die Fünf-Prozent-Hürde. Mit der sozialen Gerechtigkeit vereinnahmt die Linke außerdem ein wichtiges Thema für sich. Da hat sie im Moment von allen Parteien die höchste Glaubwürdigkeit.

Auch die Piraten werden den Einzug in den Landtag wohl verpassen. Was bedeutet das für die Bundestagswahl?

Für die Piraten bedeutet es mehr als für die Linken. Ihre Chancen, im Herbst in den Bundestag einzuziehen, verschlechtern sich dadurch spürbar. Das wäre ein erheblicher Rückschlag. Sie müssten dann überlegen, wie sie sich personell und thematisch so aufstellen, dass sie die vielen Protestwähler, von der sie bei den Landtagswahlen im letzten Jahr profitiert haben, wieder an die Wahlurne bringen können. Unter den Spätentscheidern und Unentschlossenen sind viele potenzielle Wähler der Piraten. Die müssen nur erst erkennen, dass es sinnvoll ist, der Partei ihre Stimme zu geben. Im Moment haben die Piraten das Problem, dass sie viel mit sich selbst beschäftigt sind und wenig Außenwirkung erzielen. Das schreckt ab.

Über die Grünen spricht in diesen Tagen kaum jemand. Woran liegt das?

Sie sind kein Gesprächsthema, weil keine zentrale Frage unmittelbar ins Interessensgebiet der Medien fällt. Die Koalitionsfrage stellt sich nicht. Man geht fest davon aus, dass sie mit der SPD koalieren. Sie kommen auf jeden Fall in den Landtag und steuern auf ein gutes Ergebnis zu. Die Verhältnisse sind klar. Im Gegensatz zur FDP, wo der Ausgang der Wahl mit der politischen Zukunft Röslers verbunden ist.

McAllister hat im TV-Duell Schwarz-Grün in Niedersachsen explizit ausgeschlossen. Fällt diese Konstellation damit auch für die Bundestagswahl weg?

Es wird auf jeden Fall schwerer. Bisher gab es im Bund immer nur Koalitionen, die vorher erfolgreich auf Länderebene ausprobiert worden sind. McAllister kann das allerdings guten Gewissens ausschließen, denn die niedersächsischen Grünen haben es ebenso deutlich getan. Es ist auf beiden Seiten nicht die präferierte Lösung. Vor allem das Verhältnis der CSU zu den Grünen dürfte schwierig werden. Auch bei den grünen Wählern ist eine solche Koalition nicht populär. Daher versuchen beide Parteien mit Vehemenz, diese Diskussion nicht auf dem Tisch zu haben. Dennoch ist eine schwarz-grüne Koalition nach der Bundestagswahl nicht völlig auszuschließen.

Wie groß ist die Signalwirkung der Niedersachsen-Wahl für die Bundestagswahl?

Die Wirkung ist groß. Wenn man sich die Vergangenheit anschaut, hat Niedersachsen die Mehrheitsverhältnisse schon immer gut abgebildet. Die SPD leitete den Wechsel 1998 mit einem fulminanten Wahlergebnis in Niedersachsen ein. Das Land drückt die Stimmung in Gesamt-Deutschland gut aus. Deswegen ist es für alle Parteien eine wichtige Wahl. Die SPD will aus den Negativschlagzeilen herauskommen, die ihr Kandidat produziert hat. Einen Wahlsieg will man in eine Aufbruchsstimmung für eine rot-grüne Mehrheit auf Bundesebene umwandeln. Für die FDP ist es ebenso wichtig. Mit dem Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde könnte sie darauf verweisen, dass man es wider aller Erwarten im Bund auch schaffen kann. Wenn es eine schwarz-gelbe Mehrheit gibt, steigen somit auch die Chancen für die Bundesregierung, im Herbst wiedergewählt zu werden.

Mit Uwe Jun sprach Christian Rothenberg

Quelle: ntv.de

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