Elizabeth Warren will Senatorin werden Die Frau, vor der die Wall Street zittert
24.09.2011, 06:19 Uhr
Eindringlicher Flüsterton: Elizabeth Warren.
(Foto: REUTERS)
Sie ist der demokratische Gegenentwurf zur Tea Party: Die Harvard-Professorin Elizabeth Warren kämpft seit Jahren für Verbraucherschutz auf dem Finanzmarkt. Banker und Republikaner fürchten sie, die demokratische Parteibasis liegt ihr zu Füßen. Nun will sie Senatorin werden - und das Erbe der Kennedys antreten.
Die Frau, vor der sich Amerikas Finanzjongleure fürchten, sieht eigentlich aus wie eine Grundschullehrerin: Elizabeth Warren trägt ihr blondes Haar kurz, eine randlose Brille im Gesicht und als einziges Modeaccessoire kleine Ohrstecker. Wenn sie betrügerische Kredite oder ruinöse Hypotheken kritisiert, verfällt Warren manchmal in einen eindringlichen Flüsterton, schüttelt missbilligend den Kopf und schaut sehr konzentriert. Wie eine Mutter, die ihr Kind belehrt und dabei die Mimik ihres Gegenübers genau studiert, um zu sehen, ob sie auch richtig verstanden wird. Vor allem an der Wall Street hört man zu, wenn Elizabeth Warren spricht. Aus Angst.
Denn die 62-Jährige hat den bisher größten Schlag gegen das Geschäftsgebaren der Banker und Spekulanten an der Wall Street geführt: das CFPB, die Verbraucherschutzbehörde für Finanzprodukte. Sie soll verhindern, dass Banken ihren Kunden Kreditkarten oder Darlehen andrehen, die mit unverständlichen Verträgen verschleiern, dass sie bald unbezahlbar sein werden. Jahrelang kritisierte Warren diese unsauberen Methoden, erst als Professorin für Finanzrecht an der Elite-Universität Harvard, dann als Beraterin von Präsident Barack Obama. Ein Heer von teuren Lobbyisten und die Republikaner im Kongress zogen gegen Warren und die CFPB ins Feld. Am Ende siegte jedoch die kleine Frau aus Oklahoma - mit einer Einschränkung.
Warren wird die CFPB wohl nie selbst leiten dürfen. Die Republikaner haben geschworen, ihre Nominierung für den Posten konsequent zu blockieren. Den Aufbau der Behörde durfte sie noch verantworten, mehr nicht. Seit Juli verwaltet der Ex-Banker Raj Date die CFPB, demnächst soll der ehemalige Staatsanwalt Richard Cordray das Ruder übernehmen. Doch wer gehofft hatte, Warren würde sich in die politische Isolation auf dem Harvard-Campus zurückziehen, hat sich geirrt: Der Banken-Schreck will in Washington bleiben.
Rückkehr als Kennedy-Nachfolgerin
Diese Woche hat Warren ihre Kandidatur für die Senatswahl 2012 verkündet. Sie will in ihrer Wahlheimat Massachusetts den Sitz des legendären Ted Kennedy zurückerobern. Der jüngste der vier Kennedy-Brüder war 2009 verstorben, nach 47 Jahren als Senator. Die Nachwahl gewann völlig überraschend der Republikaner Scott Brown - ein Schock, nicht nur für die Demokraten, sondern auch für Browns Töchter. In seiner Rede am Wahlabend feierte Brown nämlich nicht nur seinen Sieg, er bot die beiden ledigen Damen auch gleich noch auf dem Heiratsmarkt an. Politisch fiel Brown bisher vor allem durch große Nähe zum Finanzsektor auf - ein Duell der Gegensätze bahnt sich an.
Zwar muss Warren zunächst die Nominierung der Demokraten gewinnen, doch ihre Chancen sind gut: Die Professorin ist beliebt, vor allem durch zahlreiche Auftritte als kritische Expertin in TV-Sendungen über die Finanzkrise. Umfragen zufolge liegt sie sogar schon vor Scott Brown, dabei ist ihre Kampagne noch keine sieben Tage alt. Ende der Woche sorgte sie gleich einmal für mächtig Wirbel: Bei einem Treffen mit demokratischen Wählern unterstützte sie die Idee einer Reichensteuer - und ging noch einen Schritt weiter. "Niemand in diesem Land ist ohne Hilfe reich geworden", sagte sie. "Deine Waren hast du auf Straßen transportiert, die wir bezahlt haben. Deine Fabrik wird geschützt von Polizisten, die wir bezahlt haben." Wohlstand, belehrte Warren ihre Zuhörer, sei das Ergebnis eines Gesellschaftsvertrages aller Amerikaner. Der linke Flügel der demokratischen Partei jubelte.
Kein Stimmvieh für Obama
Für die demokratische Partei und Präsident Obama könnte Warrens Wahlkampf also zum Signal werden. Denn sie punktet mit den Kernthemen ihrer Partei: ein fürsorglicher Staat, der die Extreme des Marktes in Schach hält, kontrollierend eingreift und die Starken stärker zur Kasse bittet als die Schwachen. Es ist die Botschaft, zu der Obama erst nach viel Druck von der eigenen Basis und noch mehr Widerstand der Republikaner gefunden hat. Warren selbst gehört zu den Demokraten, die Obamas Finanzreform bis heute für zu wenig statt zu viel halten. Immer wieder kritisierte sie auch die führenden Köpfe der Obama-Regierung, allen voran Finanzminister Timothy Geithner und den inzwischen ausgeschiedenen Berater Larry Summers. Zu nah an "Wall Street", zu weit weg von "Main Street", so Warren. Eine bequeme Senatorin dürfte sie nicht werden.
Zunächst aber muss sie den Wahlkampf überstehen. Und der könnte in ihrem Fall besonders schmutzig werden. Die Republikaner schießen sich bereits auf sie ein, sie ist das rote Tuch der konservativen Tea-Party-Bewegung. Das Team von Senator Brown hat bereits die Internetadresse "QueenElizabethWarren.com" reserviert, vermutlich, um die Harvard-Professorin als elitär und realitätsfern darzustellen. Dabei stammt Warren aus einfachen Verhältnissen - was sie nicht müde wird zu erwähnen. Dass sie bisher noch nie eine Wahl bestritten hat, wird wohl ihre größte Schwäche sein. Der Weg zurück nach Washington könnte für Elizabeth Warren eine noch größere Herausforderin werden als ihr Kampf für den Verbraucherschutz.
Quelle: ntv.de