G20 streiten um Finanzmarktregeln Die Front verläuft im Atlantik
24.06.2010, 07:45 UhrVor Beginn des G20-Gipfels in Kanada stellt das Gastgeberland klar: Mit uns wird es keine Bankenabgabe geben, wie Europa es fordert. Auch im Streit um Spar- oder Konjunkturprogramme verläuft der Riss zwischen Nordamerika und dem europäischen Kontinent. Ein Erfolg des Gipfels scheint kaum möglich.

Wird der G20-Gipfel etwas bewirken? Die Demonstranten in Toronto wollen zumindest mit ihrem Protest den Druck erhöhen.
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Kanada, Gastgeber des G20-Gipfels, hat der in Europa geforderten Bankenabgabe eine kategorische Absage erteilt. "Kanada unterstützt keine Bankenabgabe und um den Tisch der G20 sind die Befürworter sicherlich in der Minderheit", sagte der kanadische Chefunterhändler Len Edwards. Edwards hat die Gipfeltreffen für Kanadas Premier Stephen Harper maßgeblich vorbereitet.
"In Kanada sind keine Banken pleitegegangen", betonte Edwards. Stattdessen müsse sich die Gipfelrunde auf Regeln des Bankwesens konzentrieren, die wirklich mehr Schutz vor neuen Finanzkrisen bedeuteten: Mehr Eigenkapital, begrenzte Verbindlichkeiten, mehr Kontrolle.
Die Bankenabgabe soll die Finanzwirtschaft an den Milliardenkosten der Wirtschaftskrise beteiligen. Vor allem Geldinstitute hatten den schweren Konjunktureinbruch durch riskante Geschäfte ausgelöst. Europa und besonders Deutschland und Frankreich wollen den Finanzsektor an den Folgen der milliardenschweren Rettung von Banken beteiligen.
Transatlantischer Streit
Am Freitag kommen die Staats- und Regierungschefs der führenden Industriestaaten und Russland (G8) in Huntsville, gut 220 Kilometer nördlich von Toronto, zusammen. Am Samstag erweitert sich die Runde dann zu einem G20-Gipfel, der die stärksten Wirtschaftsräume der Erde vereint. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird am Donnerstagabend in Kanada erwartet.

Sparkurs oder Konjunktur ankurbeln? Merkel und Obama werden einigen Gesprächsbedarf haben.
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Kurz vor Gipfelbeginn geht allerdings auch der transatlantische Streit um Schuldenabbau und den richtigen Wachstumskurs weiter. Die Europäer wollen an diesem Wochenende in Kanada hart bleiben und einen weltweiten Sparkurs durchsetzen. Ihr Motto lautet: Spätestens von 2011 an sollen die Defizite wieder sinken.
Sparen oder nicht sparen?
Nach Ansicht der US-Regierung muss der Gipfel hingegen das globale Wachstum stärken. Der Abbau staatlicher Defizite dürfe nicht die Erholung der Weltwirtschaft gefährden, sagte US-Finanzminister Timothy Geithner. "Ohne derzeitiges Wachstum werden die Defizite weiter steigen und künftiges Wachstum untergraben", schrieb Geithner im "Wall Street Journal".
Merkel sieht dagegen die Zeit gekommen, die hohen Staatsdefizite abzubauen. Die Fast-Pleite Griechenlands hat das Vertrauen in den Euro untergraben. "Die Sparmaßnahmen der Mitgliedstaaten sind wachstumsfreundlich", sprang ein hoher EU-Diplomat in Brüssel der Kanzlerin bei.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und der ständige EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy schrieben an die G20-Mitglieder, die Staaten müssten geordnet aus den Programmen zur Ankurbelung der Konjunktur aussteigen.
Vergesst die Armen nicht
Weltbank und die Vereinten Nationen haben vor Beginn des Gipfels derweil mehr Hilfe für die Ärmsten gefordert. Die schleppende Erholung der Weltwirtschaft gefährde erste Erfolge der Armutsbekämpfung, warnte die Weltbank. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon will den führenden Wirtschaftsmächten ins Gewissen reden.
Die Weltbank schlägt Alarm, da die langsame Erholung in wohlhabenden Ländern die Armutsbekämpfung gefährde. "Ein Mangel an Ressourcen für angemessene politische Aktionen kann Jahre an Fortschritten bei der Armutsbekämpfung gefährden", heißt es in einer Botschaft an die Gipfelteilnehmer.
Auch die Vereinten Nationen sind besorgt. Zwar gehe die Armut in der Welt nach einer Bilanz der Vereinten Nationen zurück, aber langsamer als noch vor wenigen Jahren. "Wir haben in einigen Punkten Rückschläge hinnehmen müssen, aber unsere Millenniumsziele bleiben in Reichweite", sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in New York. Er will die Entwicklungshilfe zu einem Hauptthema bei den G8- und G20- Gipfeln machen. Für die führenden Wirtschaftsnationen stehen in diesem Jahr die eigenen Probleme im Vordergrund.
Quelle: ntv.de, dpa