Fragen und Antworten Die Gesundheitsreform
12.11.2010, 13:16 Uhr
(Foto: dpa)
Der Bundestag hat am Freitag mit den Stimmen von Union und FDP die Gesundheitsreform verabschiedet, mit der ein Milliardendefizit der gesetzlichen Krankenversicherung im nächsten Jahr verhindert werden soll. Auf die Arbeitnehmer kommen dadurch höhere Beitragslasten zu. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Gesetz:
Welche Beiträge zahlen Beschäftigte und Arbeitgeber ab 2011?
Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber erhöht sich der allgemeine Beitragssatz zum 1. Januar um jeweils 0,3 Prozentpunkte. Beide tragen so je rund drei Milliarden Euro zur Sanierung der Kassenfinanzen bei. Der allgemeine Satz steigt von 14,9 auf 15,5 Prozent. Die Arbeitnehmer übernehmen davon 8,2 Prozent und die Unternehmen 7,3 Prozent. Der Beitragssatz erreicht damit das Niveau von vor der Wirtschaftskrise. Der Staat hatte den Satz mit Steuergeldern gesenkt.
Was müssen die Versicherten künftig allein schultern?
Künftig sollen die Arbeitnehmer den Anstieg der Gesundheitsausgaben alleine tragen, während der Arbeitgeberbeitrag eingefroren wird. Dazu werden die Zusatzbeiträge für die Versicherten nach oben geöffnet. Die Obergrenze von einem Prozent des Einkommens entfällt. Auch Rentner und Bezieher von Arbeitslosengeld I müssen den Extrabeitrag zahlen. Für Hartz-IV-Empfänger wird er aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds und somit aus Bundesmitteln finanziert. Schon jetzt erheben mehrere Kassen Zusatzbeiträge, die meist bei acht Euro liegen. Die Regierung geht davon aus, dass 2011 keine weiteren hinzukommen. In einigen Jahren wird es für die GKV-Mitglieder aber erheblich teurer.
Wie werden säumige Versicherte belangt?
Versicherte, die mit der Zahlung des Beitrags sechs Monate im Rückstand sind, werden mit einem Zuschlag von mindestens 30 Euro belangt.
Wie funktioniert der Sozialausgleich?
Künftig wird in jedem Herbst vom Gesundheitsministerium ein durchschnittlicher Zusatzbeitrag ermittelt. Übersteigt er zwei Prozent des beitragspflichtigen Einkommens eines Versicherten, wird die Differenz ausgeglichen, um Geringverdiener nicht zu überfordern. Der Ausgleich soll automatisch durch Arbeitgeber oder Rentenversicherung geschehen, indem der allgemeine Beitragssatz für diese Mitglieder reduziert wird und sich der Netto-Auszahlungsbetrag entsprechend erhöht.
Wie wird der Sozialausgleich finanziert?
Von 2011 bis 2014 wird der Sozialausgleich aus der Reserve des Gesundheitsfonds gedeckt. Dazu dient ein zusätzlicher Steuerzuschuss von rund zwei Milliarden Euro. Größere Summen aus Steuermitteln werden laut Regierung 2015 benötigt. Über den Umfang soll 2014 entschieden werden. Die Gegenfinanzierung ist unklar.
Welchen Beitrag leisten die Akteure im Gesundheitswesen?
Kliniken, Ärzte und Zahnärzte müssen 2011 und 2012 geringere Zuwächse hinnehmen als ihnen eigentlich zustehen würden. Auch die Pharmaindustrie wird mit dem am Donnerstag verabschiedeten Arznei-Sparpaket herangezogen. Insgesamt will die Koalition im nächsten Jahr so 3,5 Milliarden Euro und 2012 vier Milliarden Euro einsparen. Im Einzelnen:
- Die Krankenhäuser sollen im kommenden Jahr 500 Millionen Euro und 2012 rund 570 Millionen Euro zur Verbesserung der Finanzlage beitragen.
- Die Ärzte sollen mindestens 850 Millionen Euro sparen, wozu das Gesetz mehrere Mechanismen vorsieht. So wird etwa der Ausgabenanstieg bei sogenannten extrabudgetären Leistungen für die Kassenärzte wie etwa ambulantes Operieren, Vorsorge- und Früherkennung oder Dialyse gebremst, was 350 Millionen Euro bringen soll. Weitere 500 Millionen Euro will die Koalition sparen, indem für die umstrittenen Hausarztverträge das Vergütungsniveau gesenkt wird. Den Kassen sind diese Verträge zu teuer. Bestehende Vereinbarungen erhalten Bestandsschutz bis Mitte 2014.
- Auch bei den Zahnärzten wird der Anstieg gekappt: 2011 um 20 Millionen und 2012 um 40 Millionen Euro.
- Die Verwaltungskosten der Kassen dürfen in den nächsten beiden Jahren im Vergleich zu 2010 nicht steigen. 2011 und 2012 sollen so je 300 Millionen Euro zusammenkommen.
Was ändert sich direkt für die Versicherten?
Der Wechsel in die private Krankenversicherung (PKV) wird leichter. Wer ein Einkommen über der Versicherungspflichtgrenze (2010: 49.950 Euro) erzielt, muss nicht mehr drei Jahre sondern nur noch zwölf Monate warten, bis er in die PKV wechseln kann.
Schon seit einigen Jahren können sich Patienten bei ihrer Kasse verpflichten, wie privat Versicherte für eine Leistung zunächst per Vorkasse selbst aufzukommen. Sie bezahlen dabei meist einen höheren Satz. Von der Kasse bekommen sie so viel zurück wie auch sonst für die Leistung übernommen worden wäre. Mit der Reform wird der Zugang zu diesen Modellen erleichtert und die Bindungsfrist auf drei Monate verkürzt.
Quelle: ntv.de, Thorsten Severin, rts