
Am Montag besuchte Scholz das Munch-Museum im norwegischen Oslo. Einer der wenigen Wohlfühl-Termine in dieser Woche.
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Abbas' Holocaust-Relativierung im Kanzleramt, steigende Energiepreise, der Cum-Ex-Skandal: Hinter Kanzler Scholz liegt eine schwierige Woche. Er dürfte nicht traurig sein, dass nun eine Reise in eine andere Zeitzone ansteht. Doch auch dort kann es ungemütlich werden.
Vielleicht ahnte Bundeskanzler Olaf Scholz, dass diese fünf Tage nicht einfach werden. "Es ist für mich wahrscheinlich der beste Moment in dieser Woche, dass ich hier mit meiner schwedischen Kollegin zusammen Truck fahren konnte", sagte er, als er gemeinsam mit der schwedischen Ministerpräsidentin Magdalena Andersson einen Elektro-Lastwagen testen durfte. Zu diesem Zeitpunkt war die Woche noch nicht einmal zwei Tage alt. "Ich habe mir schon überlegt, wir beide werden jetzt Trucker und dann ist unsere Zukunft auch gesichert", scherzte der aufgekratzte SPD-Politiker in Schweden. Der Kanzler sollte Recht behalten - es war wohl der beste Moment der Woche.
Schon tags zuvor war es nicht unbedingt gut gelaufen. Am Montag besuchte er Norwegen, um über die Energiekrise zu sprechen. Dort erklärte sein sozialdemokratischer Amtskollege Jonas Gahr Støre, dass sein Land Deutschland zwar weiterhin Erdgas auf hohem Niveau liefere, aber selbst an die Kapazitätsgrenzen stoße. Zudem gab es keine Einigkeit bei der Frage, ob russische Staatsbürger weiterhin Visa für den Schengen-Raum bekommen sollten. Der deutsche Kanzler ist dafür, die Nordeuropäer lehnen das ab.
Nachdem Scholz dann am Dienstag bei Norwegens Nachbar Schweden E-Trucks getestet hatte, ging es für den Kanzler direkt zurück nach Berlin. Im Kanzleramt wartete noch am Nachmittag Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas. Schon während der gemeinsamen Pressekonferenz kritisierte Scholz Abbas, der die israelische Politik als angebliches "Apartheidsystem" bezeichnet hatte. Am Ende der Veranstaltung wurde Abbas gefragt, ob er sich zum 50. Jahrestag des von palästinensischen Terroristen verübten Attentats auf die israelische Olympiamannschaft in München bei Israel entschuldigen werde.
Abbas' Eklat im Kanzleramt
Doch Abbas wollte sich nicht entschuldigen, er warf Israel stattdessen "50 Holocausts" vor. Scholz stand schweigend daneben, Regierungssprecher Steffen Hebestreit beendete die Pressekonferenz. Scholz, immerhin sichtlich verärgert, gab Abbas danach noch die Hand. Aber die Holocaust-Relativierung blieb im Kanzleramt zunächst unwidersprochen. Erst später verurteilte Scholz die Aussagen - zunächst in der "Bild"-Zeitung, am nächsten Morgen auf Twitter.
Was blieb, war die öffentliche Entrüstung - und das Bedauern bei Scholz' Sprecher Hebestreit. Am Mittwoch nahm er die Schuld auf sich und erklärte in der Bundespressekonferenz: "Da war ich nicht schnell genug, aufmerksam genug, um darauf zu reagieren. Das war mein Fehler und den muss ich auf meine Kappe nehmen." Scholz habe ihn "beim Abgang von der Bühne schon kurz angeraunzt", berichtete Hebestreit. Der Kanzler habe ihm gesagt, "dass ich das etwas schnell gemacht habe und er gerne noch etwas entgegnet hätte".
Im Anschluss wurde nicht nur bemängelt, dass der Kanzler nicht sofort reagiert hatte, sondern ebenfalls der Sprecher Hebestreit. "Meine Kritik richtet sich aber besonders an den Pressesprecher, Herrn Hebestreit. Dass er die Konferenz geschlossen hat, bevor der Kanzler überhaupt Atem holen konnte, ist politisch instinktlos", sagte FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann dem "Spiegel".
"Aber doch nicht so"
Scholz' schwarze Woche ging am Mittwoch mit einem Bürgerdialog in Neuruppin weiter. Wieder lief nicht alles nach Plan. Der Kanzler wurde in der brandenburgischen Stadt mit einem Pfeifkonzert begrüßt und, während er über Entlastungen für die Bürger sprach, immer wieder von den etwa 300 Gegendemonstranten niedergebrüllt.
Noch vor einigen Tagen, während seiner ersten Sommerpressekonferenz als Kanzler, sagte Scholz, dass er trotz steigender Lebenshaltungskosten keine "Unruhen" im Winter erwarte. Am Vormittag des Neuruppiner Bürgerdialogs warnte der Verfassungsschutz zwar nicht vor einem "Wutwinter". Die Beamten sprachen aber davon, dass sich derzeit bereits eine Mischung aus Rechtsextremisten, Verschwörungsgläubigen, Reichsbürgern und sogenannten Delegitimierern in Stellung gebracht hätten.
Nach der Abfuhr in Norwegen, der ausgebliebenen Erwiderung im angesichts von Abbas' Ausfall und dem Auftritt in Neuruppin versuchte Scholz am Donnerstag, die dunkle Serie zu durchbrechen und wieder in die Offensive zu kommen. Kurzfristig ließ er ein Statement im Kanzleramt ankündigen. Zur Mittagszeit verkündete Scholz dann kurz und knapp: Die Bundesregierung werde die Mehrwertsteuer auf Gas von 19 auf 7 Prozent senken, er wiederholte sein "You'll Never Walk Alone"-Versprechen an die Bürgerinnen und Bürger und kündigte ein weiteres, drittes Entlastungspaket an, nannte aber keine Details.
Der Auftritt dauerte keine zwei Minuten. Nachfragen ließen der Kanzler und sein Sprecher nicht zu. Diese hatten wohl mehrheitlich dem Fall Abbas und einem noch ausstehenden erneut unangenehmen Wochen-Termin gegolten. Die Wohlfühl-LKW-Fahrt in Schweden war erst 48 Stunden her, gefühlt waren es wohl Wochen. Und nun sollte es endlich wieder positive Nachrichten vom Kanzler geben. Gerüchten zufolge hatte das Bundeswirtschaftsministerium dem Regierungschef dafür extra eigene die Idee der Mehrwertsteuersenkung überlassen. Doch Scholz' Woche hellte sich nicht auf.
Wirklich viel Lob außerhalb der eigenen Ampelkoalition gab es für die Senkung der Gas-Mehrwertsteuer nicht - im Gegenteil. Vor allem Ökonomen zerrissen die Pläne. Im Interview mit ntv.de nannte Rüdiger Bachmann die Maßnahme "wirtschaftspolitisch hochproblematisch". Sie sei ungerecht, denn davon profitierten Gaskunden, die über Altverträge sehr billiges Gas bezogen. Auf die Frage, ob es nicht richtig sei, Millionen Haushalte zu entlasten, sagte Bachmann: "Natürlich. Aber doch nicht so." Die soziale Marktwirtschaft funktioniere anders. Noch immer war erst Donnerstag.
Und immer wieder Cum-Ex
Das Ende von Scholz' schwerer Woche wartete da noch auf ihn. In den Tagen zuvor war der der Cum-Ex-Skandal wieder in die Öffentlichkeit gerückt. Erst vergangene Woche, bei der Sommerpressekonferenz, hatte ihn eine Journalistenfrage zu dem Themenkomplex unruhig werden lassen. Sechs Tage später, am Mittwoch dieser Woche, berichtete der "Stern", dass Scholz vor Parlamentsausschüssen offenbar widersprüchliche Aussagen zu seinen Treffen mit dem Hamburger Banker Christian Olearius gemacht habe. Das Magazin hatte erstmals aus einem Protokoll einer als vertraulich eingestuften Sitzung des Bundestagsfinanzausschusses zitiert. Demnach konnte sich der Kanzler vor dem Ausschuss im Juli 2020 doch an ein Treffen mit dem Banker erinnern, zuvor hatte er das bestritten.
Es war wohl der Höhepunkt dieser bis dahin fünf Tage alten und für den Kanzler äußerst mies verlaufenden Woche, dass Scholz am gestrigen Freitag bereits zum zweiten Mal vor dem Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft zum Thema Cum ex aussagen musste. Im Kern geht es dem Gremium um die Frage, ob führende SPD-Politiker die steuerliche Behandlung der Warburg Bank beeinflusst haben. Dort wiederholte Scholz - einst Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt - das, was er zuvor bereits mehrfach gesagt hatte sagte: "Ich habe auf das Steuerverfahren Warburg keinen Einfluss genommen." Der Kanzler verwies darauf, dass Steuerhinterziehung kein "Kavaliersdelikt" sei. Das habe er immer schon so gesehen. Deshalb sei klar: "Es hat keine Vorzugsbehandlung von Herrn Warburg oder Herrn Olearius gegeben." Zudem sagte Scholz erneut, dass er sich an die Gesprächsinhalte nicht mehr erinnern könne. Und noch immer war kein Wochenende.
Am Abend kündigte der russische Gas-Konzern Gazprom an, zum Monatswechsel für drei Tage den Gashahn von Nord Stream 1 komplett abzudrehen. Grund seien Wartungsarbeiten. Ob der Hahn dann wieder aufgedreht wird, weiß niemand.
Nach einem Bürger-Dialog zum "Tag der offenen Tür der Bundesregierung" am Sonntag geht es für den Kanzler zusammen mit Klimaminister Robert Habeck und einer Wirtschaftsdelegation noch am selben Tag nach Kanada. Anderer Kontinent, andere Zeitzone. Doch auch dort erwartet Scholz kein einfacher Termin, schließlich war es um das deutsch-kanadische Verhältnis schon besser gestellt. Der Grund ist die Gasturbine für die Ostseepipeline Nord Stream 1, die in Montreal gewartet wurde. Denn eigentlich hätten es die kanadischen Russland-Sanktionen verboten, dass das Bauteil wieder nach Russland gelangen kann. Auf deutschen Druck gab Ottawa das Bauteil dann doch frei. Die harsche Kritik an dem Schritt traf Premier Justin Trudeau daheim mit voller Wucht.
Scholz und Habeck müssen dort die Wogen glätten. Erster Aufschlag dazu war ein Interview Anfang des Monats mit kanadischen Zeitungen. Dort umgarnt Scholz das Land und nennt mehrere wirtschaftliche Kooperationsbereiche. "Kanada wäre für uns ein willkommener Energiepartner. Nicht nur in Bezug auf Flüssigerdgas, was derzeit wichtig ist, sondern auch in Bezug auf Wasserstoff und kritische mineralische Rohstoffe, die für die Herstellung von Batterien oder für Windkraftanlagen benötigt werden", sagte er. Geplant ist nun zunächst die Unterzeichnung eines Wasserstoffabkommens. Es könnten mal wieder positive Nachrichten für Scholz sein.
Quelle: ntv.de