Politik

Gysi & Co. baggern, aber die SPD blockt ab Die Linke und das Schulhof-Syndrom

Im Bundestag muss die Partei von Gregor Gysi noch immer um Anschluss kämpfen.

Im Bundestag muss die Partei von Gregor Gysi noch immer um Anschluss kämpfen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Opposition ist Mist: Die Linken wollen endlich mal regieren. Seit Monaten fährt die Partei einen heftigen Schmusekurs in Richtung SPD. Die Genossen weisen die Angebote für ein Linksbündnis kühl zurück. Dabei haben sie eigentlich keine andere Wahl.

Seitdem Sommer 2012 an der Spitze der Linkspartei: Katja Kipping und Bernd Riexinger.

Seitdem Sommer 2012 an der Spitze der Linkspartei: Katja Kipping und Bernd Riexinger.

(Foto: picture alliance / dpa)

Es ist ein bisschen wie früher auf dem Schulhof. Auf Dauer ist jede Abfuhr frustrierend: Wer nie mit den anderen Kindern mitspielen darf oder von dem Mädchen aus der Nachbarklasse ständig einen Korb erhält, hat es schwer. Die Folge: verletzter Stolz, Wut und Trotz. Auch in der Politik geht es manchmal zu wie auf dem Schulhof. "Bei mir verfestigt sich der Eindruck, dass die SPD diese Wahl überhaupt nicht gewinnen will. Sie hat Angst, dieses Land, in der kommenden Krise zu regieren", sagt Bernd Riexinger n-tv.de. Der Linken-Chef ist wütend, weil seine Partei mal wieder einen Korb bekommen hat.

Vorweggegangen war eine erneute Charmeoffensive in Richtung SPD. Wie so oft in den vergangenen Monaten warben die Linken erstaunlich unverhohlen für ein Linksbündnis. "An uns scheitern die Gespräche nicht", sagte Fraktionschef Gregor Gysi der "Bild am Sonntag". Wenn sich die Sozialdemokraten den Linken nicht annäherten, würden sie keine Chance haben, in Deutschland zu regieren. "Ohne uns wird die SPD nie den Kanzler stellen", so Gysi. Ständig Opposition, das sind die Linken offenbar leid. Sie wollen ihr Schulhof-Syndrom loswerden. Parteienforscher Oskar Niedermayer erklärt: "Die Partei hat erkannt, dass sich viele ihrer Wähler nach einer halbwegs realistischen Machtperspektive sehnen, damit die Stimmen nicht immer verloren sind."

Rot-Rot-Grün? Nein, danke!

Das Problem ist: SPD und Grüne lassen die Linken nicht mitspielen. Denn während Gysi und seine Partei seit Monaten einen erstaunlichen Kuschelkurs fahren, ist die Haltung der Gegenseite unverändert. In Hintergrundgesprächen reagieren führende Genossen zunehmend genervt auf die immer wiederkehrenden Fragen nach Rot-Rot-Grün. Hartnäckig schließen sie eine solche Koalition aus.

Für SPD-Chef Sigmar Gabriel besteht die Linke aus zwei Lagern. Mit den Pragmatikern aus dem Osten könne man, wie in einigen Bundesländern bereits geschehen, regieren, aber nicht mit den Sektierern aus dem Westen. Im Gespräch mit n-tv.de sagte Gabriel: "Solange die Linkspartei nicht klärt, was für eine Partei sie ist, kann man mit ihr nicht regieren." Im Umgang mit den Linken gibt man sich gern betont staatstragend. Eine Partei, in der einige sogar den Euro abschaffen wollten, sei "kein Partner, mit dem man ein 82-Millionen-Volk mitten in der europäischen Krise regieren könnte", erklärte Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier.

Doch Einigkeit herrscht bei den Sozialdemokraten nicht gerade, was das Verhältnis zur Linkspartei betrifft. Hilde Mattheis, die Sprecherin des linken SPD-Flügels, warnte ihre Partei zuletzt vor der Ausschließeritis: "Eine größere Offenheit meiner Partei für diese Option wäre mir lieb gewesen", sagte sie dem SWR. Nicht nur aufgrund der fehlenden Eintracht lässt sich die ungeliebte Debatte kaum endgültig beenden. Schuld ist vor allem die desolate Lage der SPD. Meinungsforscher sehen die Partei kaum über 25 Prozent. Doch was machen Gabriel, Steinbrück & Co, wenn das Wunschbündnis am Wahlabend Rot-Grün scheitert? "Opposition ist Mist", das sagte schließlich schon der frühere Parteichef Franz Müntefering.

Lafontaines Sieg und Schröders Niederlage

1998 feierten Schröder und Lafontaine die Ablösung der schwarz-gelben Bundesregierung. Später kämpften die beiden vor allem gegeneinander als gemeinsam.

1998 feierten Schröder und Lafontaine die Ablösung der schwarz-gelben Bundesregierung. Später kämpften die beiden vor allem gegeneinander als gemeinsam.

(Foto: picture alliance / dpa)

Inhaltlich liegen SPD, Grüne und Linke in vielen Punkten gar nicht weit auseinander. Bei der Einführung eines Mindestlohns, der Mietpreisbremse und vermutlich auch bei der Abschaffung der privaten Krankenkasse würde man sich in einer Koalition schnell einigen. Strittiger wären andere Themen: Der Austritt aus der Nato oder die Abschaffung von Hartz IV, wie die Linken es fordern, wäre mit der SPD nicht zu machen.

Die wahren Probleme sitzen tiefer. Wenn es darum geht, eine Koalition mit den Linken zu schmieden, überkommt viele SPD-Anhänger noch immer ein übles Gefühl. Viele sind sich sicher: Hätte Oskar Lafontaine vor der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 nicht PDS und WASG vereint, wäre Gerhard Schröder wiedergewählt worden. Von diesem Schock hat sich bis heute nicht erholt. In der SPD weiß man um die Gefährlichkeit der Gedankenspiele. "Solche Debatten sind lebensmüde bis zum Wahlabend", heißt es aus Parteikreisen.

Die Linken geben sich angesichts der ständigen Abfuhren zunehmend trotzig. Riexinger klagt: "Seit über 20 Jahren sucht die SPD immer neue Begründungen für ihre, Entschuldigung, hirnlose Abgrenzungspolitik nach links." Gabriels Trennung der Linken in gute Ossis und böse Wessis hält er für fadenscheinig. Er habe den Parteichef gefragt, "warum die SPD in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern eigentlich mit der CDU regiert", wenn die Ost-Linken doch so anders seien als die im Westen. "Er hat bis heute nicht geantwortet."

"Ein riesiges Glaubwürdigkeitsproblem"

Tatsächlich stehen die Chancen für ein Linksbündnis sieben Wochen vor der Wahl nicht besonders hoch. Der SPD droht die Ypsilanti-Falle, wenn sie ihre Meinung doch noch ändern sollte. "Die Verantwortlichen wissen, dass man eine Koalition im Wahlkampf nicht mehrfach ausschließen kann, um dann am Wahlabend umzuschwenken", sagt Parteienforscher Niedermayer n-tv.de. "Das würde ein riesiges Glaubwürdigkeitsproblem aufwerfen. Das würden die Wähler nicht verzeihen."

Wenn nicht nach dem 22. September könnte das Modell Rot-Rot-Grün zumindest in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Experten sagen den Linken in den ostdeutschen Bundesländern ähnliche Ergebnisse wie 2009 voraus. Anders jedoch im Westen: Wie nach den teilweise heftigen Verlusten bei Landtagswahlen droht auch einigen linken Bundestagsabgeordneten das Schicksal, ihren Job zu verlieren. Mit einer stärker von Pragmatikern orientierten Linken-Fraktion würden die Chancen für ein Bündnis mit der SPD dann steigen. Das Schulhof-Syndrom, das in der Linkspartei in diesen Tagen so häufig beklagt wird, muss also nicht endgültig besiegelt sein.

Quelle: ntv.de

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