Fall Rigby kommt vor Gericht Die Mörder, die Allahs Namen riefen
18.11.2013, 09:55 Uhr
Der Mann, der später als Michael Adebolajo identifiziert wurde, ließ sich von Augenzeugen filmen.
(Foto: REUTERS)
Auf offener Straße töten zwei Islamisten einen britischen Soldaten. Ein halbes Jahr später beginnt der Prozess. Der Fall Rigby könnte sich sogar zur Staatsaffäre ausweiten. Der britische Geheimdienst kannte die Angeklagten seit Jahren.
Jack Rigby drückt den Teddybären an sich, als er an der Hand seiner Mutter Rebecca die Kirche im nordenglischen Bury betritt. Auf seinem T-Shirt steht in goldener Schrift "Mein Papa, mein Held". Der Zweijährige nimmt Abschied von seinem toten Vater, dem ermordeten Infanteristen Lee Rigby.
Die Bilder der Trauerfeier im Juli sind auch vier Monate später noch nicht aus dem Gedächtnis der Briten verschwunden. Für viele ist es nach wie vor unbegreiflich, was sich am 22. Mai in der Londoner Wellington Street im Stadtteil Woolwich abgespielt hat. Die zwei mutmaßlichen Täter, Michael Adebolajo und Michael Adebowale, wurden festgenommen. In dieser Woche beginnt der Prozess gegen die beiden Islamisten, die den 25-jährigen Rigby geradezu niedergemetzelt haben. Was ist damals geschehen?
Die mutige Zeugin
Der Soldat ist gerade auf dem Weg zu seiner Kaserne, da schlagen Adebolajo und Adebowale zu. Zunächst rammen sie Rigby mit ihrem Auto, dann greifen sie ihn mit Messern und einem Fleischerbeil an. "Allahu Akbar" (Gott ist groß) ruft einer der beiden Schwarzen, während sie auf den Soldaten, der für die Briten in Afghanistan kämpfte, einstechen. Als sie gerade von dem leblosen und mit Schnittwunden übersäten Körper ablassen, schaltet sich eine Zeugin ein. Sie spricht einen der Angreifer direkt an. Später wird die Frau berichten, dass der Mann ganz normal auf sie gewirkt und weder betrunken noch unter Drogen stehend. "Er hat zu mir gesagt: Wir wollen heute Abend einen Krieg in London beginnen." Sein Motiv sei Rache, denn Rigby habe als Soldat Muslime in Afghanistan getötet.
Was folgt, ist bizarr. Die Täter motivieren die Passanten am Tatort, sie aufzunehmen und zu fotografieren. Mit blutverschmierten Händen und dem Beil in der Hand diktiert Adebolajo sein Bekenntnis in die Handy-Kameras. "Wir schwören beim allmächtigen Allah, wir hören nie auf, euch zu bekämpfen, bis ihr uns in Ruhe lasst", ruft er wild gestikulierend. "Auge um Auge und Zahn um Zahn. Es tut mir leid, dass Frauen das mit ansehen mussten. Aber in unserem Land müssen Frauen dasselbe mit ansehen. Ihr werdet nie vor uns sicher sein." Noch am Tatort nimmt die Polizei die beiden nigerianischstämmigen Briten, den 28-jährigen Adebolajo und den 22-jährigen Adebowale, nach einem kurzen Schusswechsel fest.
Einzeltäter oder Auftragskiller?
Über die Angeklagten im Fall Rigby sind inzwischen immer mehr Details bekannt, vor allem über Adebolajo. Der wird als Sohn nigerianischer Einwanderer in London geboren. 2003 beginnt er sein Studium an der Greenwich University. Seine Eltern sind fromme Christen, aber ihr Sohn konvertiert. Seit 2005 nimmt er auch an Treffen der verbotenen Islamistengruppe al-Muhadschirun teil, die mit Osama Bin Laden und Al Kaida sympathisiert. Schon 2010 wird die Justiz auf Adebolajo aufmerksam. In Kenia wird er verhaftet, der Grund ist eine angebliche Tätigkeit für die islamistische al-Shabaab-Miliz im Nachbarland Somalia. Vor seiner Festnahme beobachten ihn Zeugen in der Nähe des Tatorts beim Verteilen islamistischer Propaganda-Flugblätter.
Zu seinem ersten Auftritt vor Gericht im Juni erscheint Adebolajo ganz in Weiß gekleidet und mit einem Koran in der Hand. Er erklärt, sich Mudschahid Abu Hamsa nennen zu wollen. Mudschahid heißt übersetzt "Krieger" oder "der, der sich im Dschihad befindet". Abu Hamsa ist der Name eines bekannten radikalen Islamisten, der inzwischen an die USA ausgeliefert wurde. In der ersten Anhörung bestreiten die Angeklagten ihre Schuld. Tatsächlich ist die Beweislast erdrückend. In dem Gerichtsprozess dürfte es in den kommenden Monaten helfen, dass der Fall Rigby etwa durch die Videoaufnahmen der Augenzeugen so ungewöhnlich detailliert dokumentiert ist. Im Mittelpunkt der Verhandlungen steht vor allem die Frage: Waren die beiden Islamisten Einzeltäter oder gibt es Hintermänner?
"Ideologisch auf unserer Wellenlänge"
Adebolajo soll engen Kontakt gehabt haben zu dem islamischen Hassprediger Anjem Choudary. Auch beim al-Muhadschirun erinnert man sich an ihn. "Er war ideologisch auf unserer Wellenlänge", sagt Omar Bakri Mohammed, einer der Anführer der Gruppe, gegenüber dem "Spiegel". Er lobt Adebolajo sogar. "Wir konnten sehen, dass er sehr mutig war." Die Ermordung Rigbys könne mit dem Islam gerechtfertigt werden, auch weil keine Zivilisten angegriffen worden seien. Hinweise, dass Choudary oder Mohammed mit der Tat in Verbindung stehen, gibt es bisher aber nicht.
Von einem terroristischen Hintergrund geht auch David Cameron aus. Der Prozess könnte dem britischen Premierminister dabei noch näher kommen, als ihm lieb ist. Die Spuren des Fall Rigby führen nämlich direkt zur britischen Regierung. Dem britischen Geheimdienst waren die Islamisten wohl schon seit Jahren bekannt, der MI5 versuchte Adebolajo sogar als Mitarbeiter anzuwerben. Von offizieller Seite wurde das noch nicht bestätigt. Aber spätestens wenn Geheimdienstmitarbeiter im Gericht aussagen müssen, droht der Fall Rigby zur Staatsaffäre zu werden. Die Aufmerksamkeit für den Prozess dürfte das nicht gerade verringern.
Quelle: ntv.de