"Die Hunde bellen noch" Die Motive der H. Clinton
14.05.2008, 16:58 UhrSie läuft und läuft und läuft - dabei sind sich fast alle unabhängigen Experten darin einig, dass ein Sieg über ihren innerparteilichen Konkurrenten Barack Obama schon fast an ein Wunder grenzen würde. Dennoch betonte Hillary Clinton am Dienstagabend in West Virginia sogar: "Ich bin entschlossener denn je, im Rennen zu bleiben." Und: Sie könne die Nominierung erreichen und die Demokraten im November ins Weiße Haus führen.
Ihr Sprecher Howard Wolfson ging noch weiter und stellte fest, die Ex-First Lady werde die demokratische Präsidentschaftskandidatur gewinnen, punktum - ganz so, als existierten die Statistiken nicht, die Obama bei den Delegiertenstimmen nahezu uneinholbar in Führung zeigen. Der Senator aus Illinois gewann am Mittwochmorgen gar noch zwei weitere der ungebundenen Superdelegierten hinzu - wenige Stunden nach Clintons Vorwahl-Triumph in West Virginia. Er hat zudem eine gefüllte Kriegskasse, Clinton dagegen 20 Millionen Dollar Wahlkampfschulden.
Trotzdem war Hillary am selben Tag wieder in aller Herrgottsfrühe auf den Beinen, bereit für Interviews "auf fast allen Fernsehkanälen bis auf den Golfsport-Sender", wie ein CNN-Analytiker spöttelte. Und er stellte wie viele andere die Frage: Was treibt Hillary, was will sie mit ihrem Verbleiben im Rennen erreichen, das doch inzwischen fast aussichtslos für sie erscheint und nach Einschätzung vieler Experten die Demokraten bei der November-Wahl schwächen könnte?
Berater sehen noch eine Chance
Enge Clinton-Berater wie James Carville argumentieren, dass der Zug für Hillary schlicht noch nicht abgefahren sei. Sie sehen zumal nach ihrem eindeutigen Sieg in West Virginia immer noch die Chance, einen Löwenanteil der Superdelegierten davon zu überzeugen, dass die Ex-First-Lady im Kampf gegen den Republikaner John McCain die besseren Aussichten habe. Ein Argument, dass nach Kommentaren in vielen Medien vom Mittwoch nicht grundlos ist. Tatsächlich habe der Vorwahlausgang vom Dienstag erneut den großen Schwachpunkt Obamas bloßgelegt, hieß es beispielsweise in der "Los Angeles Times" mit Blick darauf, dass der Senator bei den Arbeitern und der weißen Mittelschicht anscheinend einfach nicht punkten kann.
"Die Hunde bellen noch", beschrieb Carville vor diesem Hintergrund den Stand des Vorwahlduells. Und Clinton-Stratege Geoff Garin sagte in der "Washington Post", Hillarys jüngster Sieg sollte jene zum Nachdenken bringen, "die es danach juckt, den Nominierungsprozess für beendet zu erklären".
Dennoch ist das Ziel für Obama mit gut 1880 Delegiertenstimmen und einem Vorsprung von derzeit etwa 170 Stimmen vor Clinton bereits in Sicht. 2025 Stimmen benötigt er nach bisherigem Stand für eine Nominierung - aber die Clinton'sche Mathematik sieht anders aus. Hillary kalkuliert nun ein, dass - entsprechend ihrem Wunsch - auch jene Delegierte berücksichtigt werden, die sie in Florida und Michigan gewonnen hat. Das waren Vorwahlen, die bisher nicht zählen, weil sie regelwidrig vorgezogen worden waren. Der Name Obama stand in Michigan nicht einmal auf dem Wahlzettel. Werden die Delegierten doch anerkannt, wären 2209 Stimmen für eine Nominierung nötig - mehr Zeit für Clinton, Superdelegierte auf ihre Seite zu ziehen, wie ein Kommentator im Sender MSNBC anmerkte.
Obama-Gefolgsleute wie der Gouverneur von New Mexico, Bill Richardson, sehen in dieser Taktik eine Verletzung der Spielregeln. Aber er tröstet sich damit, dass Clintons Rechnung auch bei einem Erfolg dieser Strategie wegen Obamas Vorsprung nicht aufgehen werde.
Spekuliert Clinton auf 2012?
Vor diesem Hintergrund wird spekuliert, dass Clinton weitermacht, um noch möglichst viele Siege einzuheimsen und den Kampf somit auf einer Erfolgswelle zu beenden. Das, so mutmaßen seit Tagen viele Medien, könne ihr bei einer Niederlage Obamas im November eine gute Ausgangsposition für 2012 bringen. Außerdem könne dies Obama zwingen, ihr das Vize-Amt anzubieten, wenn sie es denn wolle, oder ihr in naher Zukunft den Posten der Mehrheitsführerin im US-Senat bescheren.
Kolumnist Bob Herbert sieht indessen andere Gründe für Hillarys Hartnäckigkeit: Er hält sie schlicht für eine schlechte Verliererin. Die Clintons, so schrieb er in der "New York Times", hätten es noch nie verstanden, "sich graziös von der Bühne zu verabschieden".
Gabriele Chwallek, dpa
Quelle: ntv.de