Politik

Wahlkampf à la Merkel Die Unkonkrete im Schlafwagen

Wahlkampf im Luxuszug.

Wahlkampf im Luxuszug.

(Foto: REUTERS)

Ein bisschen winken, ein bisschen lächeln, etwas über allem schweben: Angela Merkel bleibt ihrer Wahlkampf-Linie treu. Die CDU-Chefin reist im luxuriösen "Rheingold" quer durch Deutschland der Vergangenheit entgegen, setzt auf hübsche Bilder und den Glanz der CDU-Ikone Konrad Adenauer.

Immer ein bisschen gequält: Kanzlerin Merkel.

Immer ein bisschen gequält: Kanzlerin Merkel.

(Foto: dpa)

Die Fahrt soll an den 60. Jahrestag der Wahl des "Alten aus Rhöndorf" zum ersten Kanzler der Bundesrepublik erinnern. Und ähnlich wie einst der Rheinländer auf seinen Wahlkampfreisen hält Merkel an den einzelnen Haltepunkten des Zuges kleine Kundgebungen ab. In Koblenz schlägt sie die Brücke zum pfälzischen Altkanzler Kohl, ein kurzer Aufenthalt in Frankfurt ist dem Vater des Wirtschaftswunders, Ludwig Erhard, gewidmet.

In Ostdeutschland wird Merkel dann Erfurt und Leipzig besuchen. Hier steht im Mittelpunkt, dass sich im Wahljahr auch der Jahrestag des Mauerfalls zum 20. Mal jährt. An ihren Stationen spricht sie dann zum Volk, das sich am Bahnsteig versammelt. Wahrscheinlich spielt eine Blas-Kapelle Volkslieder. Präsidial ist das schon. Volksnah natürlich nicht. Merkel ist schließlich nicht Kaiserin Sissi.

Auf dem Acker

Das könnte sich still und heimlich auch Katharina Reiche denken. Die stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion hat es im Wahlkampf auf einen Acker in Brandenburg verschlagen. Der Staub klebt an ihrer Kleidung, mit groben Handschuhen trennt sie an einem Laufband Steine von Kartoffeln. Ein paar Kameras klicken.

Katharina Reiche mit Bauer Ernst Ruden: Steine aussortieren.

Katharina Reiche mit Bauer Ernst Ruden: Steine aussortieren.

(Foto: dpa)

Neugierige Besucher bleiben sonst aus in ihrem Wahlkreisbüro. Alle zwei Wochen komme mal jemand vorbei, sagt eine Mitarbeiterin. Meistens mit Fragen wegen Rundfunk- und Fernsehgebühren. Die Sache mit dem Acker sei ihre eigene Idee gewesen, so Reiche. Bauer Ernst Ruden bleibt reserviert. Dass sich etwas ändert, glaubt er allmählich nicht mehr. "Was kann eine Frau Reiche schon bewegen?" Für die Christdemokraten sind Landwirte eigentlich treue Wähler. Aber beim Großteil der Brandenburger bekommt die CDU schon länger kein Bein mehr auf den Boden.

Vielleicht, weil sich die Union vor den Antworten auf brennende Fragen drückt. Die Wirtschaftskrise ist längst nicht beendet, die Arbeitslosigkeit wird zunehmen, die Rente scheint nicht stabil, die Atomkraft macht mit Pannen Schlagzeilen, in Afghanistan kämpfen deutsche Soldaten einen ausweglosen Kampf, die Bildung für den Nachwuchs wird immer löchriger. Die Liste ist endlos. Kanzlerin Merkel warnt auf ihrer Rheingold-Reise in Koblenz vor "Experimenten". Das war es auch schon. Ob sich die Millionen Unentschlossenen, um die es zu kämpfen gilt, davon überzeugen lassen? Kritik an der Kanzlerin, da ist die Union ganz Union, bleibt jedenfalls aus. "Sie macht das gut", heißt es immer. Und sie sei klar und überzeugend.

Gefundenes Fressen

Ob Adenauers Glanz Merkel heute noch helfen kann?

Ob Adenauers Glanz Merkel heute noch helfen kann?

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Für Konkurrenz und Opposition ist Merkels Reise in die Vergangenheit natürlich ein gefundenes Fressen. SPD-Hoffnung Steinmeier unkt, Merkel wolle im Schlafwagen an der Macht bleiben. "Das", so Steinmeier, "scheint mir nicht das richtige Symbol zu sein, dieser Nostalgiezug steht nicht für die Arbeit von morgen." Die Reise sei "der Versuch, die Öffentlichkeit einzulullen." Und Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin kommentierte: "Debatten über Land, Klima, Krise und lästige politische Inhalte verweigert sie sich konsequent."

Und so sitzt Merkel im "Rheingold", winkt und lächelt – wie immer ein bisschen gequält. Und ihre Wahlhelfer müssen hoffen, dass sie der Partei den Sieg nach Hause holt, ohne sich auf dem Acker die Hände schmutzig zu machen.

Quelle: ntv.de

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