Politik

Eine Hauptstadt ringt um ihre Energieversorgung Die mysteriöse Einkaufsliste der Berliner SPD

Die Initiative Berliner Energietisch muss mobilisieren. Der Volksentscheid kann nur bei ausreichender Wahlbeteiligung gelingen.

Die Initiative Berliner Energietisch muss mobilisieren. Der Volksentscheid kann nur bei ausreichender Wahlbeteiligung gelingen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Am Wochenende stimmen die Berliner in einem Volksentscheid über die Rekommunalisierung der Stromnetze ab. Überraschend erwägt die SPD in der Hauptstadt jetzt gleich den Kauf des gesamten Kraftwerksparks von Vattenfall. Vielleicht sind die Pläne aber nur ein großer Bluff.

4,6 Milliarden Euro – so viel Geld will der Berliner Senat für einen Rückkauf der Energieinfrastruktur des Großunternehmens Vattenfall vorhalten. Gas- und Kohlekraftwerke inklusive. Das hat der SPD-Politiker Nikolaus Karsten gesagt. Dem Abgeordneten zufolge stehen "viele" seiner Parteikollegen hinter diesem Plan. Und nicht nur die. Das behauptet zumindest Karsten. Nach Spekulationen, dass der Großkonzern aus Schweden sein Deutschland-Geschäft loswerden wolle, gehe es darum, sich die Kaufoption zumindest offen zu halten, sagte er. "Dem wird sich auch unser Koalitionspartner nicht verschließen." Laut Karsten sei die Summe schon in Form einer Bürgschaft im Haushaltsentwurf eingestellt.

Die Berliner SPD erwägt im Ringen um die Energieversorgung der Hauptstadt demnach auch eine ganz große Lösung. Nicht nur die Netze, auch die Elektrizitätswerke von Vattenfall nimmt sie in den Blick. Mehr als fraglich ist allerdings, ob der Koalitionspartner CDU wirklich mitzieht. Selbst an der Ernsthaftigkeit der Pläne der Sozialdemokraten gibt es erheblichen Zweifel. Denn alles, was in Berlin dieser Tage in Sachen Energieversorgung gesagt oder entschieden wird, gilt es im Kontext des anstehenden Volksentscheids zur Rekommunalisierung der Stromnetze zu deuten. Das Votum am 3. November ist ein Politikum.

Es kommt auf die Wahlbeteiligung an

Der Bundestagswahlkampf ist zu Ende, jetzt geht's um den Volksentscheid. Berliner Grüne auf einem Werbestreifzug.

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(Foto: picture alliance / dpa)

Vattenfall verfügt in Berlin derzeit über die Stromnetze und etliche Kraftwerke. Die Konzession für die Netze läuft Ende 2014 aus. Gerüchte, dass der Konzern in absehbarer Zeit aus dem Deutschland-Geschäft aussteigen will, also auch seine Kraftwerke aufgibt, halten sich hartnäckig. Für Berlin gilt es, zu reagieren.

Die Initiative Berliner Energietisch konnte in der Hauptstadt einen Volksentscheid durchsetzen. Am 3. November stimmen die Hauptstädter nun über den Vorschlag ab, eine Netzgesellschaft und ein Stadtwerk zu gründen. Das Ziel des Energietisches: Die Energieversorgung Berlins soll mit den beiden Institutionen langfristig "zu 100 Prozent auf der Grundlage dezentral erzeugter erneuerbarer Energien" beruhen. Entscheidende Stichworte sind dabei Bürgerbeteiligung, Transparenz und eine ernsthafte Energiewende.

Die schwarz-rote Koalition im Senat fordert die Berliner dagegen dazu auf, am Wochenende mit Nein zu stimmen. Sie fürchtet zu hohe Kosten und hält die Stadtwerkepläne des Energietisches für überflüssig. Denn der Senat bewirbt sich über das landeseigene Unternehmen "Berlin Energie" um eine Beteiligung an den Netzen. Zudem setzt er seit Ende Oktober auf ein Mini-Öko-Stadtwerk - das Ergebnis eines Kompromisses zwischen der SPD, die den Energietisch lange unterstützte und der CDU, die die Pläne der Initiative ablehnt.

Entscheidend wird am Sonntag wohl die Wahlbeteiligung sein. Für einen erfolgreichen Volksentscheid reicht es nämlich nicht, wenn bei dem Votum eine Mehrheit mit Ja für den Entwurf des Energietisches stimmt. Auch mindestens ein Viertel der Wahlberechtigten muss an der Abstimmung teilnehmen. Eine beachtliche Hürde.

Und vor allem vor diesem Hintergrund sehen Unterstützer des Volksentscheids den Vorstoß der SPD mit Argwohn.

CDU: "Das ist absolut absurd"

Dass die SPD plötzlich mit dem Rückkauf des Kraftwerksparks eine Lösung erwägt, die zumindest in Teilen über die Vorschläge des Energietisches deutlich hinausgeht, verwundert. Denn schließlich stellt sich die Koalition ja eigentlich gegen den Volksentscheid. Der Berliner Grüne, Michael Schäfer, unterstellt Karsten daher Taktiererei. Auf Twitter schrieb Schäfer: "Nikolaus Karsten überlegt Vattenfall Berlin in Landeshand zu nehmen. (Nebelkerze!)". Entsteht der Eindruck, der Senat handele ohnehin, bleiben womöglich viele Befürworter der Pläne am Sonntag zu Hause.

Der Koalitionspartner, der sich der Option eines Kaufs angeblich nicht verschließen werde, bestärkt die Zweifel an der Ernsthaftigkeit Karstens. Denn von jenen 4,6 Milliarden Euro für den Kauf von Gas- und Kohlekraftwerken hat dort offenbar noch nie jemand etwas gehört. Von der Pressestelle heißt es nach einer parteiinternen Recherche nur: "Das ist absolut absurd."

Also wirklich eine "Nebelkerze"? Vielleicht. Auch im Haushaltsentwurf des Senats kommt die Zahl 4,6 Milliarden nicht vor. Nur rein rechnerisch lässt sie sich herauslesen. Die Senatsverwaltung für Finanzen darf laut dem Papier über sechs Milliarden Euro an Bürgschaften und Garantien für öffentliche Infrastrukturmaßnahmen verfügen. Ende Oktober hat das Abgeordnetenhaus Ausgaben in Höhe von 1,4 Milliarden Euro für Infrastrukturmaßnahmen beschlossen. Unter anderem für den Rückkauf der Berliner Wasserbetriebe. Übrig bleiben: 4,6 Milliarden Euro. Wofür die bestimmt sind, ist offensichtlich noch ein Mysterium.

Quelle: ntv.de

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