Hotzenplotz, Dracula, Nessi Die schräge Bilderwelt der FDP
05.05.2013, 13:29 Uhr
Patrick Dörings Visualisierung der grünen Schreckgespenster.
Räuber Hotzenplotz, Graf Dracula, Nessi - die FDP setzt auf ihrem Parteitag bei der Kritik ihrer Gegner auf Bildgewalt. Sie prasst geradezu mit Methaphern und Symbolen. Natürlich kann so etwas auch mächtig schiefgehen.
Reden von Rainer Brüderle sind berüchtigt. Der "Dampfplauderer" der FDP ist für Schenkelklopfer-Exzesse bekannt – und für ziemlich schräge sprachliche Bilder. Unterhalten können seine Auftritte darum immer. Und so enttäuscht der liberale Spitzenkandidat auch in Nürnberg nicht. Auch wenn er für seine Verhältnisse eine zahme, ausgesprochen sachliche Rede hält.
Grünen-Chef Jürgen Trittin nennt er dort den "Graf Dracula" der deutschen Politik, welcher der "Mittelschicht an die Gurgel will." Brüderle: "Weg mit der Geisterstunde. Auf in den Kampf." Für Peer Steinbrück bemüht er Goethe, erklärt den Kanzlerkandidaten der SPD zum "sozialistischen Zauberlehrling" – "Die ich rief, die Geister, werd' ich nun nicht los." Wenn Brüderle von Geistern spricht, meint er natürlich die roten Genossen mit ihren "Steuererhöhungsorgien" und ihrer "Schuldenmacherei".
Seine Metaphern toppt ein wahrhaftiges Bild: Auf einem rund zehn Quadratmeter großen Plakat am Eingang der Nürnberger Messe prangt Brüderle mit einem verschmitzen Grinsen – und reckt ausgerechnet seinen hochgestreckten Daumen Richtung Kamera. Eine Geste, die derart aus der Zeit gefallen ist, dass sie selbst beim 67-Jahre alten, leibgewordenem "Herrenwitz" unpassend wirkt.
Sticht da einer aus der Riege grauer Parteitagsredner hervor? Überhaupt nicht: Wenn es um die Kreation verstörender Bilder geht, ist Brüderle in Nürnberg ein ziemlich harmloser Fall. Die FDP beschwört in Nürnberg eine merkwürdige Welt aus Metaphern und Symbolen herauf – mal plakativ, mal raffiniert, aber auch immer wieder verquer.
Jürgen "Gib mir die Hälfte" Trittin
Patrick Dörings Visualisierungen gehören wie die des Spitzenkandidaten noch zu den konsistenteren. Das Feindbild zeichnet er klar: Es sind die Grünen, die auf ihrem Parteitag vor einer Woche eine gehörige Umverteilung verordnet haben – höherer Spitzensteuersatz, Vermögensabgabe, schrittweise Abschaffung des Ehegattensplittings. Diese Grünen also lässt Döring während einer seiner Reden auf einer Leinwand aufblitzen. Montiert natürlich. Zu sehen ist ein Plakat für ein Theaterstück. Auf dem Programm steht – ziemlich frei nach Schiller – "Die Räuber". In den Hauptrollen: Claudia "Beitragsbemessungsgrenze rauf" Roth, Katrin "Altersvorsorge besteuern" Göring-Eckardt und Jürgen "Gib mir die Hälfte" Trittin. Zumindest, wenn man Schillers Drama nicht gelesen hat, erscheint das noch einigermaßen schlüssig. Es ist die Warnung vor einem rücksichtslosen steuerlichen Raubzug des politischen Gegners.
Diesem Schreckensszenario stellt der Generalsekretär dann konsequenterweise die heile Welt entgegen, die es – so die erhoffte Lesart – nur bei einer liberalen Regierungsbeteiligung geben kann. Besonders deutlich macht das ein weiteres Plakat aus der Serie, aus der auch die brüderlesche Daumen-Pose stammt. Darauf posiert eine junge Familie. Der Vater: Verlagskaufsmann, gegeltes Haar, frisch gebügeltes Hemd, Chronograf am Handgelenk. Die Mutter: Ärztin, strenger Seitenscheitel, rahmenlose Brille. Und das Baby auf den Armen der beiden: Steckt in einem rosa Strampler. Darunter steht: "Familien entlastet. Die Kita-Kosten für Sophia werden kein Problem sein. Gut gemacht, FDP!" Verquer ist daran nur: Sophias Eltern erwecken überhaupt nicht den Eindruck, als hätten sie Entlastungen nötig. Ist das gewollt? Oder nur die Folge eine Unachtsamkeit?
Nessi lebt - und ist ein Junge
Ganz grob genommen, ist die Bildersprache der Liberalen einigermaßen stimmig. Auch Parteichef Rösler setzt auf den Schrecken des grünen "Spuks". In seiner Auftaktrede forderte er die Delegierten auf, für einen Moment die Augen zu schließen. Als sie wieder aufblickten, grinsten ihnen von den Leinwänden Claudia Roth und SPD-Chef Sigmar Gabriel entgegen – Hand in Hand auf dem Parteitag der Sozialdemokraten. Einen grauenhafteren Anblick kann man einem Liberalen wohl kaum zumuten. Sollen die das Land regieren? Nicht so lange es Philipp Rösler, nicht so lange es die FDP gibt. So die Botschaft. "Der schönste, der stärkste Gegensatz zu Rot-Grün, das sind wir."
Spätestens als Rösler versucht, SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück als Steuer-Monster in Szene zu setzen, wird es allerdings ziemlich schräg. "Nessi lebt", sagt der Parteichef. "Nessi ist ein Junge, 66 Jahre alt und wird niemals hier in Deutschland Regierungsverantwortung übernehmen."
Noch verstörender als ein schräges Bild, sind nur zwei schräge Bilder: Jürgen Trittin nennt Rösler kurz nach der Nessi-Metapher "den bösen Räuber Hotzenplotz für alle in Deutschland" – obwohl der ja eigentlich schon Graf Dracula ist.
Trittin als Blutsauger kann sich noch so mancher vorstellen, Schillers "Räuber" mag nicht jeder richtig kennen, mit Nessi wird's kompliziert, spätestens Otfried Preußlers Geschichte des "Räuber Hotzenplotz" löst beim Gedanken an die FDP aber ein wirres Assoziations-Durcheinander aus. Bekanntlich brachten zwei Burschen namens Kasperl und Seppel den Halunken, der selbst vor Hab und Gut einer alten Dame (der Kaffeemühle) nicht Halt machte, zur Strecke. Welcher Spitzenliberale ist in diesem Bild nun Kasperl, und wer ist dann Seppel? Und warum tragen die Helden in dieser Geschichte ausgerechnet rote und grüne Zipfelmützen?
Aber all das ist natürlich nicht wirklich fair. Der Bilderwahn ist keine Eigenheit der FDP – auch wenn er hier mitunter etwas geballt aufwallt. Rösler griff die Geschichte vom Räuber Hotzenplotz schließlich nur auf, um die Grünen zu kontern. Die haben sich bei ihrem Parteitag am vergangenen Wochenende zu modernen "Robin Hoods" erklärt. Zwar stimmt es, dass der Recke mit dem grünen Hut (das passt) den Reichen nahm, um den Armen zu geben. Doch es stimmt auch, dass er bei seinen Raubzügen die Obrigkeit, die Steuer- und Abgabeneintreiber schröpfte und die Bürger entlastete.
Quelle: ntv.de