Politik

Schweizer Volksentscheid gegen Zuwanderung "Diese irreale Politik hat keine Zukunft"

In einem Volksentscheid haben sich die Schweizer dafür ausgesprochen, die Zuwanderung aus der EU zu begrenzen. Mit 50,3 Prozent fiel die Zustimmung für die Initiative der national-konservativen Schweizer Volkspartei SVP "Gegen Masseneinwanderung" zwar denkbar knapp aus, doch besonders angesichts wachsender rechtspopulistischer Tendenzen in vielen Teilen Europas zeigen sich viele Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen besorgt.

"Am Tag danach ist das Entsetzen groß über die sonst so braven Schweizer, die, so scheint es, verführt durch böse Rechtspopulisten ihre dunkle Seite offenbaren und die Hürden für Ausländer deutlich erhöhen wollen", schreibt der Münchner Merkur. Die Zeitung mahnt aber auch, sich das Ergebnis genauer anzuschauen: Nicht zu übersehen sei schließlich, dass Christoph Blocher & Co. weit über ihr klassisches Wählerreservoir hinaus Zustimmung erhalten hätten."

Die Hannoversche Allgemeine Zeitung empfindet das Ergebnis als "unhöflich, primitiv und rückständig". Die Schweizer könnten nicht erwarten, dass die übrigen Europäer ihnen weiter freundlich die Grenzen öffneten für ihre Produkte und Dienstleistungen, während sie selbst ihre Offenheit kurzerhand nach eigenem Gusto beschränkten. Das Blatt findet: "Allzu lange schon pickt sich die Schweiz die Rosinen heraus." Reiche Deutsche, von Alice Schwarzer bis Uli Hoeneß, würden von Schweizer Banken mit offenen Armen empfangen werden. Wenn es aber darum ginge, im europäischen Kontext nach gemeinsamen Regeln zu spielen, betone die Schweiz stets ihre Nichtmitgliedschaft in der EU. Die Zeitung schlussfolgert: "Diese irreale Politik hat keine Zukunft; schon jetzt zerreißt sie, die Knappheit des Votums zeigt es, dieses wunderschöne Land."

Die Landeszeitung aus Lüneburg mahnt allerdings, das Ergebnis nicht vorschnell zu verurteilen: "Um wie viel schriller wären die Töne in der Bundesrepublik, wenn fast jeder vierte Einwohner Ausländer wäre?".

Und die Bild erinnert daran, dass bis zu diesem Votum die Schweizer unser Vorbild gewesen seien, weil bei ihnen jeder Bürger direkt mitbestimmen könne: "Das sind mir schöne Demokraten, die ein Volk bestrafen wollen, weil es seine Meinung sagt."

Die Kommentatoren sind sich darüber einig, dass das Votum als Menetekel für die Europawahlen im Mai gesehen werden muss. Die Lüneburger Landeszeitung sieht das rechtspopulistische Gespenst, das bisher vorwiegend die Völker an Europas Peripherie geängstigt hätte, mit dem Entscheid endgültig im Zentrum des Kontinents angekommen.

Hubertus Volmer von www.n-tv.de schreibt, dass die traditionelle EU-Euphorie gescheitert sei. Er glaubt, dass die Politiker das Schweizer Votum als Warnschuss für die Regierungen der EU-Mitgliedsländer verstehen sollten: "Sie müssen eine neue Vision von Europa entwickeln, die für die Zukunft als Basis für den Staatenbund taugt und in der Gegenwart die europäischen Bürger nicht verschreckt."

Zusammengestellt von Sarah Köhler

Quelle: ntv.de

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