Hilfe ohne Zustimmung? Druck auf Junta wächst
10.05.2008, 21:33 UhrEine Woche nach dem verheerenden Zyklon "Nargis" wächst ungeachtet weltweiter Hilfsangebote die Not der Menschen in Birma ins Unermessliche. Die in dem bitterarmen Land regierenden Militärs verweigerten auch am Samstag den internationalen Hilfsorganisationen die Einreise. Die Vereinten Nationen rechnen inzwischen mit bis zu 100.000 Toten. Fast zwei Millionen Menschen sind von Hunger, Durst und akuter Seuchengefahr betroffen. Ungeachtet dessen sollten die Menschen in Birma über eine neue Verfassung abstimmen, mit der die Militärjunta ihre Macht zementieren will. Nur in den am schlimmsten von der Katastrophe betroffenen Bezirken darf in zwei Wochen nachgewählt werden.
Unterdessen wächst der Druck der Weltgemeinschaft auf die Militärjunta in Birma. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief die Machthaber auf, Hilfsorganisationen "ohne jede Behinderung" so schnell wie möglich ins Land zu lassen. Er habe versucht, direkt mit der Regierung zu sprechen, doch sei ihm das bisher nicht geglückt.
Nicht weiter warten
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bestärkte Ban Ki Moon in einem Telefonat darin, sich um eine Kontaktaufnahme zur Regierung in Birma zu bemühen, um Hilfslieferungen in das Katastrophengebiet zu ermöglichen. In einer Regierungsmitteilung hieß es, Merkel und Ban bezeichneten die Weigerung der birmanischen Regierung, mit den internationalen Hilfsorganisationen zusammenzuarbeiten, als "unakzeptabel". Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Die internationale Gemeinschaft hat die Verantwortung und das Recht, Menschen in Not zur Seite zu stehen, auch wenn die eigene Regierung sich dagegen sträubt."
Frankreich kündigte an, für Hilfsgüter ein Kriegsschiff einzusetzen. "Wir haben entschieden zu handeln, ohne weiter zu warten", sagte Außenminister Bernard Kouchner. Mit dem Kriegsschiff "Mistral" sollen 1500 Tonnen Hilfsgüter in das südasiatische Land geschickt werden. "Die Hilfe wird direkt an die Betroffenen verteilt", sagte Kouchner. "Es kommt nicht in Frage, die Hilfe direkt an die Junta zu liefern."
Unterdessen trafen die ersten russischen Hilfsgüter in Birma ein. In Rangun sei ein Transportflugzeug mit 30 Tonnen Zelten und Decken gelandet, meldete die Agentur Itar-Tass. Sie würden der Regierung übergeben, die selbst die Verteilung übernehme. Damit beugt sich Russland dem Diktat der birmanischen Regierung, Hilfsgüter abzuliefern und nicht selbst zu verteilen.
Material abgefangen
Hilfe für die Zyklon-Opfer brachte die Organisation Ärzte ohne Grenzen auf den Weg. Vom Flughafen Hahn aus startete eine Maschine mit 35 Tonnen Hilfsgütern für Birma. Dazu gehörten neben Plastikplanen auch Materialien zur Trinkwasseraufbereitung und medizinische Utensilien, berichtete eine Sprecherin der deutschen Sektion von "Ärzte ohne Grenzen".
Ein Konvoi des Flüchtlingshilfswerks UNHCR mit 20 Tonnen Zelten und Plastikplanen für 10.000 Menschen wurde indes kurz hinter der thailändischen Grenze hinter der Grenze vom Militär in ein Kloster dirigiert, berichtete das ZDF, das den Transport mit versteckter Kamera aufzeichnete. Ein Major sagte den Reportern, das Material werde weitergeleitet.
Das Welternährungsprogramm (WFP) verhandelte noch mit dem Militär über die Freigabe bereits konfiszierter Lieferungen. Sie waren ohne Zustimmung der Organisation am Flughafen in ein Lagerhaus gebracht worden. Das WFP setzte seine Flüge am Samstag fort. "Angesichts der humanitären Krise sind wir einfach verpflichtet weiterzumachen", sagte Sprecher Marcus Prior.
"Frustrierend langsam"
Unterdessen berichteten britische Hilfsorganisationen über kleine Fortschritte. Flugzeuge des Roten Kreuzes konnten nach Angaben des britischen Katastrophen-Komitees in Birma landen. Weitere sieben Flugzeuge mit Schaufeln, Moskitonetzen und Kraftstoffkanistern sollten bald ankommen. Das Komitee sammelte Spenden von mehr als vier Millionen Pfund (rund 5,1 Millionen Euro). Matthias Schmale, Direktor vom britischen Roten Kreuz, sagte: "Heute wurden unsere Bemühungen, Personal und Hilfsgüter in die betroffenen Regionen zu bringen, nicht blockiert." Die Fortschritte seien aber "frustrierend langsam und zu gering".
Die Kinderhilfsorganisation "Save the Children" erklärte, ihre Mitarbeiter hätten Hilfsgüter an 72.000 Zyklon-Opfer verteilt. Sorgen machten ihnen Regenstürme, die Birma nach Vorhersagen kommende Woche erreichen sollten. Am Vortag hatten Experten vor einer "Epidemie mit apokalyptischen Ausmaß" gewarnt. Für die Helfer habe ein Wettlauf mit der Zeit begonnen, sagte Moritz Wohlrab, Sprecher von "Aktion Deutschland Hilft", der in Rangun unterwegs ist. Am schlimmsten sei es, dass Trinkwasser und Nahrung fehlten und es keinen Strom gebe.
Quelle: ntv.de