CO2-Autoabgase Druck der Bosse standhalten
29.01.2007, 20:57 UhrDie EU-Kommission und Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) wollen dem Druck der deutschen Automobilhersteller gegen schärfere Klimaschutzauflagen nicht nachgeben. "Die Automobilindustrie darf in dieser Frage nicht aus der Verantwortung entlassen werden", schrieb Gabriel am Montag in einem Internet-Beitrag des Europäischen Automobilclubs ACE. Gabriel verlangt wie EU-Umweltkommissar Stavros Dimas eine gesetzliche Eindämmung der CO2-Autoabgase, während dies von Industriekommissar Günter Verheugen und von Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) weiter abgelehnt wird.
Ein Sprecher der Kommission wies Befürchtungen der Autobauer über Arbeitsplatzverluste zurück. "Arbeitsplätze werden nicht vernichtet, wenn Veränderungen angenommen werden, sondern dann, wenn ihnen widerstanden wird", sagte er. "Globalisierung und Klimawandel verschwinden nicht, weil wir wegschauen." Die EU-Kommission stehe hinter dem Ziel, den durchschnittlichen CO2-Ausstoß bis 2012 auf 120 Gramm pro Kilometer zu senken, sagte der Sprecher. Dafür sei eine gesetzliche Regelung nötig. Diskutiert werde noch, was alles in diese Regelung eingeschlossen werde. Wann das Kommissars-Kollegium abstimmen werde, sei noch offen.
Umstritten sind die Pläne auch in der CDU. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) lehnte eine starre Regelung wie zuvor der Verband der Automobilindustrie und einzelne Auto-Konzerne ab. Damit würde "enormer Schaden" für die Arbeitsplätze in Deutschland entstehen. "Dies kann auch Europa nicht wollen", sagte Oettinger nach Angaben eines Regierungssprechers nach einer Sitzung des CDU-Vorstandes in Berlin. Auch Glos hatte vor dem Verlust zehntausender Arbeitsplätze gewarnt, falls sich Dimas in Brüssel durchsetzen sollte.
Am Vortag hatte der Hamburger Regierungschef Ole von Beust (CDU) kritisiert, "dass die Autoindustrie in Europa – auch Traditionsmarken wie Mercedes, BMW und VW – ihre Zusagen zur Schadstoffreduzierung nicht eingehalten hat". Der neue Vorsitzende der CDU-Klimaschutz-Kommission plädierte für einen Vertrag der EU-Staaten mit den großen Autoherstellern mit klaren Vorgaben der CO2-Verringerung. Nichteinhaltung sollte harte Vertragsstrafen nach sich ziehen.
In einem am Vortag bekannt gewordenen Brief an die EU-Kommission waren Deutschlands Autobosse beim Klimaschutz auf massiven Konfrontationskurs zu Brüssel gegangen. Sie warnten vor drastischen Job-Verlusten und "schwersten Verwerfungen in der Automobil- und Zulieferindustrie", sollte ein scharfer CO2-Grenzwert gesetzlich vorgeschrieben werden. Dimas will von 2012 an für neu zugelassene Autos in der EU eine Obergrenze für die jeweilige Flotte (nicht für jedes einzelne Fahrzeug) von 120 Gramm Kohlendioxid (CO2) pro Kilometer gesetzlich vorschreiben. Die Selbstverpflichtung der Autobauer von 140 Gramm pro Kilometer für 2008 droht nach allgemeiner Einschätzung der Politik zu scheitern. Noch liege der Wert bei 160 Gramm. Die deutschen Hersteller befürchten eine Abwanderung von Arbeitsplätzen und Produktionsstandorten ins Ausland.
DaimlerChrysler-Chef Dieter Zetsche bekommt in der Debatte um härtere Klimaschutzrichtlinien heftigen Gegenwind vom Verband der Kritischen Aktionäre des Konzerns (KADC). Der Aktionärsverband warf dem Stuttgarter Autobauer am Montag eine massive Blockadehaltung vor. DaimlerChrysler habe zudem seine zugesagten Ziele zur Senkung des Kraftstoffverbrauchs erst zu etwas mehr als zur Hälfte erreicht. Daran zeige sich, dass das Instrument der freiwilligen Selbstverpflichtungen gescheitert sei, kritisierte der Verband.
Gabriels Staatssekretär Michael Müller (SPD) erklärte, die neuen Vorgaben für die deutsche Automobilindustrie könnten eigentlich "keine Überraschung" sein. Sie stünden immerhin in der Koalitionsvereinbarung von Union und SPD. Der Klimaschutz sei eine Herausforderung für die Menschheit. "Das Management der Automobilkonzerne ist verbesserungsbedürftig. Unbestritten ist, dass die deutsche Automobilbranche eine wichtige Säule der deutschen Wirtschaft ist. Das darf nicht weniger Innovationen heißen, sondern im Gegenteil mehr", sagte Müller.
Quelle: ntv.de