Politik

Fällt Kiel, springt Hannover ein Druck vor Krisentreffen bei Merkel

Zwei Tage vor einem Gespräch im Kanzleramt, bei dem die widerspenstige Landesregierung von Schleswig-Holstein zum Abnicken des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes "bewegt" werden soll, macht Hannover klar: Räumt die Kanzlerin Kiel eine Sonderlösung ein, steht Niedersachsen auf der Matte, um das Gesetz im Bundesrat zu verhindern.

Wulff will für Niedersachsen 'rausholen, was zu holen ist - ebenso wie ...

Wulff will für Niedersachsen 'rausholen, was zu holen ist - ebenso wie ...

(Foto: dpa)

Niedersachsen hat mit einer Ablehnung des Steuersenkungsgesetzes im Bundesrat gedroht, sollte die Bundesregierung Schleswig-Holstein eine Sonderlösung einräumen. "Eine isolierte Einzellösung für Schleswig-Holstein würde dazu führen, dass im Bundesrat die Stimmen Schleswig-Holsteins für das Wachstumsbeschleunigungsgesetz da sind, die Stimmen Niedersachsens aber nicht mehr", sagte der niedersächsische Regierungschef Christian Wulff dem "Handelsblatt".

Krisentreffen im Kanzleramt

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) will am 18. Dezember im Bundesrat gegen das Gesetz stimmen, wenn es für die befürchteten Steuerausfälle für sein Land keine Kompensation gibt. Am Sonntag wollen Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel sowie Vize-Kanzler und FDP-Chef Guido Westerwelle Carstensen und den schleswig-holsteinischen FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki zum Einlenken bewegen.

Alle Stimmen von Schwarz-Gelb nötig

... Kubicki (l) und Carstensen für Schleswig-Holstein.

... Kubicki (l) und Carstensen für Schleswig-Holstein.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Wulff erhöhte mit seiner Drohung den Druck auf das Treffen. Er fügte hinzu, er sei Merkel dankbar, "dass sie klar gesagt hat, dass ein Herauskaufen einzelner Länder mit ihr nicht infrage komme". Der CDU-Politiker regiert in Hannover wie auch Carstensen in Kiel zusammen mit der FDP. Die Bundesregierung braucht die Zustimmung aller schwarz-gelben Koalitionen in den Ländern, damit das Wachstumsbeschleunigungsgesetz im Bundesrat abschließend verabschiedet wird. Laut Planung soll die Neuregelung schon am 1. Januar 2010 in Kraft treten.

Kubicki hatte sich im Streit um das Steuerpaket unnachgiebig gezeigt - zugleich aber eine Einigung in Aussicht gestellt. Wie sie aussehen könnte, ist aber unklar. "Ich weiß nur, dass wir ein Ergebnis bekommen werden, mit dem beide Seiten leben können und leben werden", sagte Kubicki in Kiel. Er betonte, dass er das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, das die Steuerentlastungen in Höhe von bis zu 8,5 Milliarden Euro insbesondere für Familien, Erben, Unternehmen und das Hotelgewerbe regelt, grundsätzlich gut findet. "Wir müssen nirgendwo rausgekauft werden. Wir wollen ja zustimmen können."

Keine Sonderbehandlung, aber Konsolidierungshilfe

"Ich schließe es aus, dass Schleswig-Holstein ohne Entgegenkommen des Bundes seine Zustimmung erteilen wird", sagte Kubicki. "Wir halten die Lastenverteilung für nicht akzeptabel." Das nördlichste Bundesland rechnet mit Einnahmeausfällen in Höhe 70 Millionen Euro für das Land und 60 Millionen für die Kommunen. Dafür verlangt es einen Ausgleich.

Bislang erklärte das Kanzleramt, dass es ein Herauskaufen eines Bundeslandes für die Zustimmung zum Wachstumsgesetz nicht geben werde. Aber auch das kann sich ändern.

Bislang erklärte das Kanzleramt, dass es ein Herauskaufen eines Bundeslandes für die Zustimmung zum Wachstumsgesetz nicht geben werde. Aber auch das kann sich ändern.

(Foto: dpa)

Dieser soll nach dem Willen Kubickis über einen Zeitraum von zehn Jahren verteilt werden. "Es reicht nicht aus, ein Jahr zu betrachten", sagte der FDP-Politiker. Möglich sei etwa ein höherer Anteil der Länder am Steueraufkommen. Außerdem kämen höhere Direktinvestitionen des Bundes im Norden in Betracht. Als Beispiel nannte er die Hinterlandanbindung für die Fehmarnbelt-Querung. Dabei könne der Bund den Anteil Schleswig-Holsteins in Höhe von 90 Millionen Euro übernehmen. Vorschläge, den Anteil der Bundes bei Bildungsinvestitionen in den Ländern zu erhöhen, erteilte Kubicki eine Absage: "Es würde uns nicht helfen. Es würde die Einnahmeausfälle überhaupt nicht kompensieren."

Kubicki betonte: "Wir erwarten keine Sonderbehandlung." Aber der Bund müsse dem Land bei der Konsolidierung des Haushaltes helfen. Hintergrund ist die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse, die den Ländern von 2020 an neue Schulden verbietet. Laut Kubicki muss das Land Schleswig-Holstein dadurch pro Jahr 150 Millionen Euro weniger ausgeben oder mehr einnehmen.

"Das war nicht meine Idee"

Inzwischen hat sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) von der geplanten Mehrwertsteuersenkung für Hotelübernachtungen distanziert, will aber trotzdem an ihr festhalten. "Das war nicht meine Idee", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Politik bedeute aber nun einmal, Kompromisse zu schließen. Für Hotels in Grenznähe, die mit ausländischen Wettbewerbern konkurrierten, sei die Steuersenkung zudem nicht unwichtig.

Im Rahmen des vom Bundestag bereits verabschiedeten Wachstumsbeschleunigungsgesetzes wollen Union und FDP den Mehrwertsteuersatz für Übernachtungen von 19 auf 7 Prozent senken. Diese Steuersenkung kostet den Staat jährlich rund eine Milliarde Euro, die Opposition kritisiert dies als sinnlose Subvention für die Hotellerie. Schäuble kündigte angesichts einer Rekordneuverschuldung von 100 Milliarden Euro 2010 für die zweite Hälfte der Wahlperiode einen strikten Sparkurs an. Er weigerte sich jedoch, Einzelheiten zu nennen. Wo die zehn Milliarden Euro herkommen sollen, die laut der neuen Schuldenbremse von 2011 an jährlich eingespart werden müssen, werde erst Mitte kommenden Jahres entschieden, sagte der Minister.

"Spendierhosen aus"

Angesichts einer solchen Rekordverschuldung verlangt Grünen-Fraktionsvize Fritz Kuhn einen Verzicht auf weitere Steuersenkungen verlangt. "Wer so hohe Schulden machen muss, sollte schleunigst die Spendierhosen ausziehen", sagte Kuhn der "Passauer Neuen Presse". Die Konsequenz aus dem Haushaltsentwurf müsse sein, "dass Schwarz-Gelb das Wachstumsbeschleunigungsgesetz in den Papierkorb wirft".

Neben dem Verzicht auf Steuersenkungen forderte Kuhn einen deutlichen Sparkurs. Einsparpotenziale sieht der Politiker "bei der Streichung unökologischer Subventionen, beispielsweise im Flugverkehr". Auch Ausnahmetatbestände bei der Ökosteuer sollten gestrichen werden.

Quelle: ntv.de, hdr/dpa/rts/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen