Eine Sache unter Nachbarn "Durchbruch für die Gentechnik"
24.07.2007, 15:59 UhrDie geplante Reform des Gentechnikgesetzes stößt bei Greenpeace auf scharfe Kritik. "Grundsätzlich ist die Einigung eine Verschlechterung, weil erstmals festgehalten wird, dass Abstandsregelungen unterbleiben können, wenn es eine nachbarschaftliche Einigung gibt", sagte der Gentechnik-Experte der Umweltschutzorganisation, Christoph Them, gegenüber n-tv.de. Diese Regelung sei unnötig und widerspreche dem Grundgedanken des Gentechnikgesetzes.
Bundesumweltminister Horst Seehofer (CSU) hatte zuvor mitgeteilt, dass für gentechnisch veränderten Mais ein Mindestabstand von 150 Metern zu benachbarten Feldern eingeführt werden solle. Für benachbarte Öko-Felder gilt eine andere Regel: Hier soll der Abstand 300 Meter betragen. Allerdings können Bauern die Abstände durch private Absprachen mit ihren Nachbarn umgehen. Das Kabinett soll am 8. August über die Gesetz- und Verordnungsentwürfe beraten.
"Regelmäßige Kontamination bei 150 Metern"
"Der Mindestabstand verhindert eine schleichende Kontaminierung der gentechnikfreien Landwirtschaft", sagte der Verhandlungsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Ulrich Kelber. Der Greenpeace-Experte widerspricht dieser Darstellung. "Bei 150 Metern muss man regelmäßig mit Kontamination rechnen", so Them. Eigentlich müsse der Abstand 800 Meter betragen. Das absolute Minimum sei ein Abstand von 200 bis 300 Metern. Seehofers Ministerium wollte ursprünglich einen generellen Mindestabstand von 150 Metern, konnte sich damit aber nicht durchsetzen.
Ähnlich äußerten sich die Grünen. "Den Gen-Pollen auf ihrem Flug ist es egal, ob auf den Nachbarfeldern Biomais oder konventioneller Mais wächst", kritisierte Fraktionsvize Bärbel Höhn.
Durchbruch für die Gentechnik
Nach Seehofers Darstellung berücksichtigt der neue Gesetzentwurf die Ängste in der Bevölkerung. "Wir können diese neue Technologie den Menschen nicht überstülpen." Der CDU-Agrarpolitiker Peter Bleser sprach von einem "Durchbruch" für die Gentechnik.
Dagegen erklärte Them, es wäre höchste Zeit, das ohnehin zu laxe Gentechnikgesetz nicht weiter zu verwässern, sondern deutlich zu verschärfen. "Die Praxis hat gezeigt, dass das bisherige Gesetz erhebliche Schwächen hat." So kläre das Gentechnikgesetz nicht, ob Genmais in Naturschutzgebieten oder auf verpachteten Flächen ohne Einwilligung des Eigentümers angebaut werden darf. Greenpeace fordert eine Verschärfung der Kontrollen und der Strafen bei Verstößen gegen das Gentechnikgesetz.
Zur Kennzeichnung von gentechnikfreien tierischen Produkten will die Bundesregierung die Positivkennzeichnung "Ohne Gentechnik" an die EG-Ökoverordnung angleichen, erklärte Seehofer. Voraussetzung für die Kennzeichnung soll der Nachweis sein, dass Tiere mit gentechnikfreiem Futter gefüttert wurden.
Die FDP warf der Koalition vor, mit ihrer Entscheidung zur grünen Gentechnik dem Forschungsstandort Deutschland zu schaden. Die FDP-Agrarpolitikerin Christel Happach-Kasan nannte es absurd, Anbauregeln zu verschärfen und Kennzeichnungsregeln aufzuweichen. Lob für die neuen Kennzeichnungsregeln kam von der Verbraucherorganisation Foodwatch: Nur so könnten Verbraucher entscheiden, welches Futter bei Tieren eingesetzt werde.
Haftung erst ab 0,9 Prozent
Am bisherigen Haftungsrecht will die Bundesregierung festhalten. Bauern, die gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen, haften bei einer Verunreinigung anderer Felder ab einer Schwelle von 0,9 Prozent unabhängig vom Verschulden. Eine Expertenanhörung habe ergeben, dass eine Änderung des Haftungsrechts weder sinnvoll noch praktikabel sei, sagte Seehofer.
Der Greenpeace-Experte sagte dagegen, die Verursacher von Schäden müssten auch bei Verunreinigungen unter 0,9 Prozent haften. Kosten für Analysen seien den Landwirten von den Gen-Konzernen zu erstatten. Zudem müsse die Schaffung gentechnikfreier Regionen gesetzlich möglich gemacht werden, so Them.
Das Standortregister, das Aufschluss über Anbauflächen von Genmais gibt, soll entgegen der ursprünglichen Planung in seiner jetzigen Form erhalten bleiben. Es solle weiterhin öffentlich zugänglich sein und das genaue Grundstück des Anbaus angeben, kündigte Seehofer an. Damit würden bürokratische Antragsverfahren auf Einsichtnahme in das Register vermieden, erklärte der Minister. Them forderte eine bessere Kontrolle des Standortregisters.
Quelle: ntv.de