Politik

Der Triumph der Rechtspopulisten EU-Ergebnisse im Überblick

Marine Le Pen hat die französische Front National in die Europawahl geführt und 25 Prozent erreicht.

Marine Le Pen hat die französische Front National in die Europawahl geführt und 25 Prozent erreicht.

(Foto: REUTERS)

Nach und nach werden aus allen EU-Staaten die Wahlergebnisse gemeldet. In Frankreich kommt die rechtsextreme Front National auf 25 Prozent und wird stärkste Kraft. Rechtspopulisten gewinnen in Großbritannien und Österreich.

28 Länder, 28 unterschiedliche Wahlsysteme, 751 Abgeordnetenplätze im Europaparlament und rund 400 Millionen Wahlberechtigte: Bei den Europawahlen ist es nicht ganz einfach, den Überblick zu behalten. 21 Länder wählten allein am Sonntag. Wer hat wo zugelegt, wer hat verloren? Ein Überblick über die Länder, aus denen es Ergebnisse, Prognosen und Hochrechnungen gibt – oder geben sollte:

Belgien (21 Sitze): Nach dem bisherigen Stand der Auszählung ist die separatische Neu-Flämische Allianz (N-VA) mit etwa 21 Prozent aller Stimmen die mit Abstand stärkste Partei in Belgien. Ihr folgen die Christdemokraten in Flandern mit 12 Prozent. Die frankophonen Sozialisten von Regierungschef Elio Di Rupo mussten Einbußen von mehr als zwei Prozent hinnehmen und kamen auf nur noch 11 Prozent. Allerdings muss Belgien wegen Problemen mit einem neuen System elektronischer Stimmabgabe auf das Ergebnis der Wahlen für ein nationales Parlament und für das Europaparlament länger warten als bisher. Bis zum Morgen war es lediglich gelungen, 6107 von insgesamt 6615 Wahllokalen auszuzählen. Computerspezialisten arbeiteten an der Behebung eines Softwarefehlers. Dieser Fehler trat vor allem in der drittgrößten belgischen Stadt Lüttich, in Teilen Brüssels und im deutschsprachigen Ostbelgien auf.

Bulgarien (17): Die oppositionelle bürgerliche GERB gewinnt mit klarem Vorsprung. Sie erhielt laut Prognose 28,6 Prozent der Stimmen, wie das Meinungsforschungsinstitut Gallup mitteilte. Die regierenden Sozialisten kamen demnach nur auf 19,8 Prozent. Die bisher in Straßburg vertretene nationalistische Partei Ataka wird den Sprung ins EU-Parlament diesmal wohl verfehlen. Im ärmsten EU-Land gab es erneut Vorwürfe von Stimmenkauf und Wahlmanipulation.

Dänemark (13): Die rechtspopulistische Dänische Volkspartei ("Dansk Folkeparti") ist stärkste Kraft des Landes. Die Partei kam laut Prognosen auf rund 23 Prozent der Stimmen. Mit 20,2 Prozent erreichten die regierenden Sozialdemokraten von Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt die zweitmeisten Stimmen. Bei einer gleichzeitigen Volksabstimmung entschieden sich die Dänen laut einer Prognose klar für ein europäisches Patentgericht.

Deutschland (96): Trotz Einbußen bestätigen die Unionsparteien in Deutschland ihre Vorrangstellung. Die SPD legt nach ihrem Tief 2009 deutlich zu. Die euroskeptische Alternative für Deutschland (AfD) erreicht bei ihrer ersten Europawahl demnach 7,0 Prozent und damit wohl sieben Sitze im EU-Parlament.

Estland (6): Noch offen.

Finnland (13): Die rechtspopulistische Partei Wahre Finnen liegt laut Prognosen bei fast 13 Prozent der Stimmen und käme damit auf zwei Sitze im neuen EU-Parlament. Stärkste Kraft wurde mit rund 22 Prozent die zu den europäischen Konservativen gehörende Nationale Koalitionspartei.

Frankreich (74): Die rechtsextreme Front National (FN) hat die Wahl in Frankreich gewonnen. Nach dem vorläufigen Wahlergebnis kam sie auf 24,96 Prozent, das sind rund 18 Prozentpunkte mehr als noch 2009. Zweitstärkste Kraft wurde die konservative Oppositionspartei UMP mit rund 20,8 Prozent. Die regierenden Sozialisten von Präsident François Hollande kassierten mit nur etwa 14 Prozent eine erneute Niederlage.

Griechenland (21): Die oppositionellen radikalen Linken (Syriza) um den europaweiten Linken-Spitzenkandidaten Alexis Tsipras sind laut Angaben aller Demoskopieinstitute mit 26,4 Prozent stärkste Kraft in Griechenland. Die zusammen mit den Sozialisten regierende konservative Nea Dimokratia landete mit 23,2 Prozent auf Platz zwei. Drittstärkste Kraft ist demnach die rechtsradikale und rassistische Partei Goldene Morgenröte mit 9,3 Prozent.

Großbritannien (73): Die europafeindliche Ukip von Rechtspopulist Nigel Farage triumphierte nach vorläufigen Ergebnissen mit gut 27 Prozent, zwei Punkte vor der größten Oppositionspartei Labour. Farage schloss ein Bündnis mit der FN aber aus. Die konservativen Tories von Premier David Cameron stürzten mit knapp 24 Prozent auf den dritten Platz. Es war das erste Mal seit mehr als hundert Jahren, dass keine der etablierten Parteien eine landesweite Wahl in Großbritannien gewinnen konnte. Die proeuropäischen Liberaldemokraten, die in der Regierung sitzen, schicken nur noch einen Abgeordneten nach Straßburg.

Irland (11): Die irischen Wähler strafen ihre Regierung ab. Die konservative Fine-Gael-Partei von Premier Enda Kenny kam Prognosen zufolge nur auf 22 Prozent, die mitregierenden Sozialdemokraten (Labour) erzielen nur sechs Prozent der Stimmen. Unabhängige Bewerber profitieren, auch die linksgerichtete Sinn-Fein-Partei um Ex-IRA-Mann Gerry Adams legt zu.

Italien (73): Die Partei des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi setzte sich an die Spitze. Die Demokratische Partei (PD) kam laut Prognosen und Nachwahlbefragungen auf 30 bis gut 40 Prozent. Platz zwei errang demnach die euroskeptische Fünf-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo mit bis zu 28 Prozent. Seine Partei will die Italiener in einer Volksabstimmung über den Verbleib in der Eurozone abstimmen lassen. Die Forza Italia von Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi landete mit bis zu 20 Prozent auf Platz drei.

Kroatien (11): Die oppositionellen Konservativen (HDZ) haben in Kroatien klar die Wahlen zum Europaparlament gewonnen. Demnach erreichten die Konservativen 41,4 Prozent der Stimmen. Damit stellen sie sechs der 11 kroatischen EU-Abgeordneten. Die regierenden Sozialdemokraten schicken demnach vier Parlamentarier nach Brüssel und Straßburg. Sie erzielten 29,9 Prozent der Stimmen. Die Grünen werden in Zukunft im Europarlament mit einem Abgeordneten vertreten sein. Die Wahlbeteiligung beim jüngsten EU-Mitglied lag bei 25,2 Prozent.

Lettland (8): Laut einer ersten vorläufigen Prognose gewinnt der EU-freundliche Einheitsblock von Regierungschefin Laimdota Straujuma in Lettland klar. Das vor den Wahlen favorisierte oppositionelle Harmoniezentrum käme demnach auf Platz zwei, vor den beiden anderen Mitte-Rechts-Regierungsparteien. Europakritik ist in Lettland kaum zu sehen. Die Wahl ist ein Stimmungstest für die Parlamentswahl im Oktober.

Litauen (11): Noch offen.

Luxemburg (6): In Luxemburg haben die drei Regierungsparteien Stimmen verloren. Hingegen verbuchte die oppositionelle Christlich-Soziale Volkspartei (CSV) des einstigen Regierungschefs Jean-Claude Juncker einen Stimmengewinn von 6,3 Prozent. Insgesamt erzielte die CSV 37,7 Prozent und damit die Hälfte der Mandate. Von den Regierungsparteien verloren die Sozialdemokraten mit 7,7 Prozent am stärksten im Vergleich zu 2009, gefolgt von den Liberalen (minus 3,9) und den Grünen (minus 1,8 Prozent). Jede der drei Regierungsparteien stellt einen Abgeordneten des Europaparlaments.

Malta (6): Erste inoffizielle Schätzungen sehen die Labour Partei von Regierungschef Joseph Muscat (PL) in Malta deutlich vorn. Die Partei kam demnach auf mehr als die Hälfte der Stimmen. Für die größte Oppositionspartei, die konservative Nationalistische Partei (PN), hätten rund 40 Prozent gestimmt. 75 Prozent der Wahlberechtigten gingen in Malta an die Urne.

Niederlande (26): Die Anti-Europa-Partei des Rechtspopulisten Wilders hat vier Mandate für das Europäische Parlament gewonnen. Sie wurde mit 12,2 Prozent drittstärkste Kraft. Stärkste Parteien sind die Christdemokraten mit fünf Mandaten und die linksliberale Partei D66 mit vier Mandaten. Die Regierungsparteien - die rechtsliberale VVD und die sozialdemokratische Partei für die Arbeit - werden mit je drei Abgeordneten im Parlament vertreten sein. Je zwei Mandate gewannen die grüne Partei, ein Bündnis von zwei christlichen Parteien sowie die europakritischen Sozialisten. Erstmals wird die niederländische Partei für die Tiere im Parlament mit einem Abgeordneten vertreten sein. Die Wahlbeteiligung war mit 37 Prozent etwas höher als vor fünf Jahren.

Österreich (18): Die konservative ÖVP bleibt in Österreich laut dem Endergebnisstärkste Kraft mit 27,3 Prozent. Zweitstärkste Partei hinter den Konservativen wird demnach die sozialdemokratische SPÖ mit 24,2 Prozent. Deutlich zugelegt hat die rechte FPÖ, die laut Hochrechnungen 20,5 Prozent erreicht, knapp acht Punkte mehr als 2009.

Polen (51): Die polnischen Nationalkonservativen liegen nach der Auszählung von mehr als 90 Prozent der Stimmen bei den Europawahlen leicht in Führung. 33,9 Prozent der Wähler stimmten für die Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), während auf die liberalkonservative Bürgerplattform (PO) nur 31,3 Prozent der Stimmen entfielen. Prognosen am Sonntagabend hatten dagegen die PO vorne gesehen. Den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schafften auch das Linksbündnis SLD (9,5 Prozent), die euroskeptische KNP (7,2 Prozent) sowie die Bauernpartei PSL (sieben Prozent). Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 23,3 Prozent.

Portugal (21): Als Protestwahl nutzten auch die Menschen in Portugal die europäische Abstimmung: Die oppositionellen Sozialisten konnten einen klaren Sieg einfahren. Sie erhielten vorläufigen Ergebnissen zufolge 31,58 Prozent der Stimmen. Die Regierungskoalition von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho, die aus seiner konservativen PSD und der rechtskonservativen Partei CDS-PP besteht, kam nur auf 27,91 Prozent.

Rumänien (32): Rumäniens regierende Sozialisten (PSD) haben die Wahl laut Prognosen haushoch gewonnen. Die Partei des Ministerpräsidenten Victor Ponta käme demnach auf 41 bis 43 Prozent der Wählerstimmen. Zweitstärkste Kraft würde demnach die oppositionelle Nationalliberale Partei (PNL) mit rund 14 Prozent. Das in zwei Parteien zersplitterte bürgerliche Lager, das der Europäischen Volkspartei (EVP) nahesteht, käme auf die Plätze drei und vier.

Schweden (20): Wenige Monate vor der Parlamentswahl im September haben die Schweden ihrer Regierung einen kräftigen Dämpfer verpasst. Einer Prognose zufolge erreichte die konservative "Moderate Sammlungspartei" von Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt nur 13,6 Prozent der Stimmen. Wahlsieger wurden die Sozialdemokraten mit 24,4 Prozent. Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten erreichten 9,7 Prozent und sitzen damit wohl zum ersten Mal im Europaparlament.

Slowakei (13): Neuer Negativrekord für die Slowakei: Nur 13 Prozent der Stimmberechtigten gingen laut offiziellem Ergebnis wählen. Die sozialdemokratische Regierungspartei siegt und bekommt vier Sitze im EU-Parlament, die restlichen neun verteilen sich auf sieben Splitterparteien.

Slowenien (8): Die konservative Oppositionspartei SDS hat in Slowenien die Wahlen zum Europaparlament klar gewonnen. Sie sicherte sich mit 24,9 Prozent der Stimmen drei der acht slowenischen Sitze. Eine ebenfalls konservative Wahlkoalition (SLS/NSi) schickt mit 16,6 Prozent zwei Abgeordnete ins neue Parlament. Auf jeweils einen Abgeordneten kamen die Rentnerpartei, die regierenden Sozialdemokraten und eine neu angetretene Bürgerbewegung. Die Wahlbeteiligung lag bei 24 Prozent.

Spanien (54): Hier erhielten die etablierten Parteien einen Denkzettel und erlitten herbe Verluste. Die regierende Volkspartei (PP) kam auf 16 Sitze im EU-Parlament (vorher 24), die Sozialisten entsenden nun 14 Parlamentarier (vorher 23). Profitieren konnten von der Schwäche der großen Parteien vor allem linke Randparteien.

Tschechien (21): Ministerpräsident Bohuslav Sobotka erleidet eine Wahlschlappe. Seine sozialdemokratische CSSD landete mit 14,2 Prozent nur auf dem dritten Platz. Stärkste Kraft wurde der Koalitionspartner ANO mit 16,1 Prozent. Die ebenfalls europafreundliche konservative Oppositionspartei TOP09 kam auf Platz zwei mit 15,9 Prozent. Überraschend schaffte auch die europakritische Partei der Freien Bürger mit 5,2 Prozent den Einzug ins EU-Parlament. Die Beteiligung erreichte zehn Jahre nach dem EU-Beitritt Tschechiens mit 18,2 Prozent einen neuen Tiefpunkt.

Ungarn (21): Erwartungsgemäßer Sieg für die im Land regierende Rechte. Die Fidesz-Partei des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban erhielt 51,5 Prozent der Stimmen und sicherte sich damit 12 Mandate. Die oppositionelle rechtsextreme Partei Jobbik (Die Besseren) kam auf 14,7 Prozent der Stimmen und überholte damit erstmals die sozialdemokratische MSZP (10,9 Prozent). Die Wahlbeteiligung lag mit 28 Prozent unter jener der zwei Europawahlen, an denen Ungarn bisher teilgenommen hat.

Zypern (6): Deutlicher Sieg für die proeuropäische konservative Partei Demokratische Gesamtbewegung (DISY). Nach Auszählung von 90 Prozent der Stimmen kommt sie auf knapp 38 Prozent. Zweitstärkste Kraft wird die Linkspartei AKEL mit rund 27 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag ersten Angaben zufolge deutlich unter 50 Prozent.

Quelle: ntv.de, che/dpa/rts/AFP

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