Guantnamo-Häftlinge EU-Innenminister einig
06.04.2009, 19:50 UhrIn der Diskussion um die Aufnahme von Guantnamo-Häftlingen haben die Innenminister der 27 EU-Staaten einen engen Informationsaustausch vereinbart. Hintergrund ist die Reisefreiheit im Schengen-Raum, die den ehemaligen Gefangenen ermöglichen würde, auch in EU-Länder zu reisen, die eine Aufnahme generell ablehnen. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hielt sich auf die Frage, ob Deutschland Gefangene aufnehmen werde, zurück. "Sobald wir konkrete Vorschläge oder Anfragen von den Vereinigten Staaten haben, werden wir sie prüfen", sagte Schäuble in Luxemburg nach einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen.
Mit dem Informationsmechanismus, der nun erarbeitet wird, sollen die Profile der Gefangenen ausgetauscht werden. "Dabei ist wichtig, dass alle über dieselben Informationen verfügen", sagte der tschechische Innenminister und EU-Ratsvorsitzende Ivan Langer.
Die Länder, die Gefangene aufnehmen, könnten anhand des Profils beispielsweise entscheiden, ob die Mobilität des Betroffenen eingeschränkt werden müsse, sagte EU-Justizkommissar Jacques Barrot. Zunächst müssten die US-Behörden jedoch eine konkrete Anfrage an das jeweilige Mitgliedsland stellen. Zudem müsse klar sein, dass die Gefangenen keines Verbrechens mehr beschuldigt werden.
Frankreich, Spanien und Italien bereit zur Aufnahme
Über die Aufnahme freigelassener Häftlinge entscheiden die einzelnen EU-Länder in eigener Verantwortung. Bisher haben nur wenige Länder wie etwa Frankreich, Spanien und Italien ihre Bereitschaft signalisiert. "Eigentlich wollen alle von Fall zu Fall entscheiden", sagte Barrot.
Im Januar hatte US-Präsident Barack Obama angekündigt, das umstrittene Lager binnen Jahresfrist schließen zu wollen. Die Guantnamo-Häftlinge werden schon bis zu sieben Jahre ohne Gerichtsverfahren wegen eines früheren Terrorverdachts festgehalten. In ihre Heimatländer - darunter Libyen, Algerien und Ägypten - können sie nicht ausgewiesen werden. Dort drohen ihnen laut Menschenrechtsorganisationen Folter und Verfolgung.
Uiguren rufen Obersten Gerichtshof an
Unterdessen riefen im Rechtsstreit um ihre Freilassung aus Guantanamo 14 chinesische Uiguren den Obersten Gerichtshof in Washington an. Das Gericht solle die Zuständigkeit in Fällen wie ihren klarstellen, forderten die Uiguren in einem Antrag. Im Oktober hatte ein Bundesgericht die Freilassung von 17 inhaftierten Uiguren angeordnet. Im Februar setzte ein Berufungsgericht das Urteil jedoch mit der Begründung außer Kraft, dass nicht die Justiz, sondern Gesetzgeber und Regierung darüber entscheiden müssten, wer auf US-Boden gelassen wird. Der Oberste Gerichtshof muss bis Ende Juni entscheiden, ob es den Antrag der Uiguren zur Entscheidung annimmt.
Die inhaftierten Mitglieder der muslimischen Minderheit der Uiguren können nicht nach China zurückkehren, da ihnen dort Verfolgung droht. Da bislang kein Drittland zu ihrer Aufnahme bereit war, müssten sie nach ihrer Entlassung aus dem US-Gefangenenlager auf Kuba in den USA leben. Das Pentagon hatte bereits vor fünf Jahren alle Vorwürfe gegen die 14 Beschwerdeführer fallengelassen, dennoch blieben sie in Haft
SPD und Grüne für Aufnahme
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sprach sich für die Aufnahme der Uiguren aus. Gerade die chinesischen Uiguren, die nicht in ihre Heimat zurückkehren könnten, weil sie dort gefährdet sind, könnten in Deutschland integriert werden. Zugeleich appellierte sie an Bundeskanzlerin Merkel: "Jetzt muss Kanzlerin Merkel beweisen, wie wichtig ihr die Menschenrechte und die transatlantische Partnerschaft sind. Deutschland müsse umgehend die Aufnahme von Guantnamo-Häftlingen vorbereiten." Wer den Kurswechsel von US-Präsident Barack Obama wirklich unterstützen wolle, "darf jetzt nicht auf Zeit spielen und sich hinter langwierigen europäischen Beratungen verstecken".
Die SPD sprach sich ebenfalls für die Aufnahme unschuldiger Häftlinge aus dem US-Gefangenenlager Guantnamo aus. "Ich halte es für eine Selbstverständlichkeit, dass man aus humanitären Gründen da hilft, wo es verantwortbar ist", sagte der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz im Deutschlandfunk. Die EU könne 50 bis 60 Häftlinge aufnehmen, von denen dann bis zu fünf nach Deutschland kommen könnten. Wiefelspütz warf Merkel und Innenminister Wolfgang Schäuble "kleinkarierte Nörgeleien und gequälte Diskussionsbeiträge" zu diesem Thema vor.
Quelle: ntv.de, Mit AFP