Nach Massenverhaftungen EU-Parlament will Türkei-Beitritt stoppen
24.11.2016, 12:15 Uhr
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte sich im Vorfeld bereits empört über die Abstimmung geäußert.
(Foto: AP)
Das Europaparlament fordert mit breiter Mehrheit ein Einfrieren der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei. Die Mitgliedstaaten und die EU-Kommission sind daran nicht gebunden, die Aufforderung hat aber eine hohe Symbolkraft.
Mit breiter Mehrheit hat das Europaparlament ein vorübergehendes Einfrieren der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei gefordert. Von 623 Parlamentariern stimmten 479 in Straßburg dafür, bis auf weiteres nicht weiter mit Ankara über offene Verhandlungskapitel zu sprechen und keine neuen Kapitel zu eröffnen. Die Resolution ist eine Aufforderung an die Mitgliedstaaten und die EU-Kommission, die für die Beitrittsgespräche zuständig ist. Rechtlich ist sie nicht bindend, ihr kommt aber eine hohe Symbolkraft zu. Sie ist eine Reaktion auf die Verhaftungswelle in der Türkei nach dem Putschversuch Mitte Juli.
Nach Medienangaben wurden über 36.000 Menschen in der Türkei in Untersuchungshaft genommen. Mehr als 75.000 zivile Staatsbedienstete und Angehörige der Sicherheitskräfte wurden entlassen, Tausende weitere suspendiert. Die türkische Regierung wirft ihnen Verbindungen zur Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen vor, die sie für den Putschversuch verantwortlich macht.
Die EU-Abgeordneten forderten zudem, dass eine Wiedereinführung der Todesstrafe automatisch eine formale Suspendierung der Beitrittsverhandlungen zur Folge haben solle. Für eine Wiederaufnahme der Gespräche bräuchte es danach einen einstimmigen Beschluss der EU-Länder. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat mehrfach die Wiedereinführung der Todesstrafe ins Spiel gebracht.
Abstimmung hat für Erdogan "keinen Wert"
Wichtig war den Europapolitikern, dass es sich bei ihrem Beschluss um eine temporäre Forderung handelte. Sie wollen ihre Position überprüfen, sobald die Türkei den Ausnahmezustand aufgehoben hat. Entscheidend soll dann sein, inwieweit die Türkei zu rechtsstaatlichen Verhältnissen und einer Achtung der Menschenrechte zurückgekehrt ist.
Erdogan hatte sich im Vorfeld bereits empört über die Abstimmung geäußert und seine tiefe Missachtung erklärt. "Ich rufe allen, die uns vor den Bildschirmen zusehen, und der ganzen Welt zu: Egal wie das Resultat ausfällt, diese Abstimmung hat für uns keinen Wert", hatte Erdogan am Mittwoch in Istanbul gesagt.
Quelle: ntv.de, kst/rts/dpa