Politik

Blutiger Einsatz in Nahost EU-Vermittlung beginnt

Mit Beginn der Bodenoffensive hat sich der israelische Militäreinsatz im Gazastreifen zum bislang blutigsten in der Geschichte der Palästinensergebiete entwickelt. Nach Angaben der Gesundheitsbehörde in Gaza starben binnen neun Tagen mindestens 520 Palästinenser, weitere 2500 wurden verletzt. International löste der Beginn der Bodenoffensive vor allem angesichts der humanitären Lage tiefe Besorgnis aus. Die EU startete eine Vermittlungsmission, um eine Waffenruhe zu erwirken. Der Weltsicherheitsrat konnte sich nicht auf eine gemeinsame Linie einigen. Weltweit gingen mehr als 100.000 Menschen gegen den israelischen Militäreinsatz auf die Straße.

Einen Tag nach dem Einmarsch Israels in den Gazastreifen kam nach Armeeangaben ein Soldat um, 31 wurden verletzt. Vier Israelis wurden seit Beginn der Militäroperation am 27. Dezember durch Raketenbeschuss militanter Palästinenser getötet. Nach den einwöchigen Luftangriffen waren israelische Truppen unterstützt von Panzern und Kampfhubschraubern am Samstagabend tief in das Palästinensergebiet vorgerückt.

Schwere Gefechte mit der Hamas

Die Soldaten brachten Gebiete unter ihre Kontrolle, aus denen militante Palästinenser zuvor Raketen auf Israel abgefeuert hatten. Dabei lieferten sie sich schwere Gefechte mit Kämpfern der in Gaza herrschenden radikalislamischen Hamas. Am Sonntag gelang es den vorrückenden Einheiten nach palästinensischen und israelischen Berichten, den Gazastreifen zu spalten. Sie trennten den Norden mit der dicht besiedelten Stadt Gaza vom Süden ab. Nach Palästinenserangaben starben allein seit Beginn der Bodenoffensive 50 Palästinenser, 200 seien verletzt worden.

"Bodenoffensive unvermeidbar"

Der amtierende israelische Ministerpräsident Ehud Olmert nannte die Bodenoffensive unvermeidbar. Ziel der Armee sei es, jene Gebiete zu kontrollieren, aus denen die meisten Raketen auf Israel abgefeuert worden seien. Ein ranghoher Militär betonte, der Bodeneinsatz werde "nicht in Stunden oder Tagen enden". Bislang gehe die Militäraktion "in einer sehr herausfordernden Umgebung" wie geplant voran. Eine Wiedereroberung des Gazastreifens sei nicht geplant. Nach Armeeangaben schossen militante Palästinenser auch am Sonntag wieder mehr als 30 Raketen auf Israel ab.

Katastrophale Lage in Gaza

Nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) wurde die Mobilität von Helferteams im Gazastreifen mit Beginn der Bodenoffensive weiter eingeschränkt. Helfer hatten die Lage schon zuvor als katastrophal beschrieben. Ungeachtet einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes lässt Israel seit Beginn der Militäroffensive auch keine ausländischen Journalisten zur Berichterstattung in das Palästinensergebiet.

Sicherheitsrat ohne Einigung

Weltweit wurde die Bodenoffensive von vielen Ländern verurteilt. Es gab aber auch Stimmen, die die Hamas allein für die Eskalation der Gewalt verantwortlich machten. Der Weltsicherheitsrat konnte sich in einer noch in der Nacht des Einmarsches einberufenen Sondersitzung nicht auf die Forderung nach einer sofortigen Feuerpause verständigen. Die USA blockierten eine entsprechende Erklärung.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verlangte dagegen ein sofortiges Ende der Bodenoffensive und forderte die Regierung in Jerusalem auf, alles zum Schutz der Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu tun. Palästinenserführer Mahmud Abbas (Fatah) und mehrere arabische Außenminister wollen sich von diesem Montag an in New York persönlich für eine Resolution des Sicherheitsrats einsetzen.

Internationale Besorgnis

Frankreich verurteilte das israelische Vorgehen ebenso wie die fortgesetzten Raketenangriffe der Hamas. Großbritanniens Premier Gordon Brown forderte einen sofortigen Waffenstillstand. "Das ist ein sehr gefährlicher Augenblick, jeder in der Welt ist tief besorgt", sagte Brown in London. Auch Kremlchef Dmitri Medwedew verlangte eine schnellstmögliche Feuerpause. EU-Chef-Diplomat Javier Solana rief ebensfalls dazu auf, die Waffen schweigen zu lassen.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel schaltete sich am Sonntag ein. Sie telefonierte unter anderem mit Olmert, um die Chancen für einen Waffenstillstand und eine Friedenslösung zu erörtern. Außenminister Frank-Walter Steinmeier äußerte sich sehr besorgt. "Das rückt die Hoffnung auf eine kurzfristige Einstellung in weite Ferne", erklärte er. In Telefonaten mit seinen Amtskolleginnen aus Israel und den USA, Zipi Livni und Condoleezza Rice, sagte Steinmeier, es müsse alles getan werden, damit sich die dramatische humanitäre Situation der Menschen in Gaza nicht weiter zuspitze und dringend benötigte Hilfslieferungen sie erreichten. Die EU stellte drei Millionen Euro als Nothilfe bereit.

EU beginnt Vermittlung

Der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg, EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner und die Außenminister Frankreichs und Schwedens, Bernard Kouchner und Carl Bildt, flogen von Prag nach Kairo, wo sie noch am Abend mit dem den ägyptischen Außenminister Ahmed Abul Gheit zusammentrafen. Weitere Stationen der dreitägigen Reise sollten Israel, Ramallah und Jordanien sein. Tschechien führt seit Jahresbeginn die EU-Präsidentschaft. Auch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy will in dem Konflikt vermitteln.

Weltweite Proteste

Weltweit protestierten am Wochenende mehr als 100.000 Menschen gegen das israelische Vorgehen. Auch in Israel gab es Demonstrationen, an denen sich vor allem israelische Araber beteiligten. In Deutschland wurden am Samstag mehr als 30 000 Demonstranten gezählt: Proteste gab es unter anderem in Berlin, Frankfurt am Main, Bremen und Düsseldorf. Auch aus der Türkei, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien, den Niederlanden, Norwegen und Griechenland sowie aus Australien und Asien wurden Proteste gemeldet.

Quelle: ntv.de

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