Wolkige Mittelmeerunion EU bremst Sarkozy
20.05.2008, 20:46 UhrSechs Wochen vor Beginn der französischen EU-Ratspräsidentschaft hat die EU-Kommission Staatschef Nicolas Sarkozy düpiert. Seine Ambitionen für die geplante Mittelmeerunion werden in einem Papier der Kommission deutlich zurechtgestutzt. Sollte sich der Vorschlag durchsetzen, könnte Sarkozy die Geschicke der Mittelmeerunion nur ein halbes Jahr lang lenken. Die Reaktion aus Paris fiel entsprechend kühl aus.
Die Mittelmeerunion ist ein Prestigeprojekt Sarkozys und soll die Zusammenarbeit zwischen der EU und ihren Nachbarstaaten in Nordafrika und Nahost verbessern. Der Führungsspitze der Union sollen nach den Vorstellungen der Kommission neben einem Vertreter der nichteuropäischen Staaten der EU-Ratspräsident und der EU-Kommissionschef angehören. Demnach wäre Sarkozy zwar einer der ersten Co-Präsidenten der Union - aber nur bis Ablauf der französischen EU-Ratspräsidentschaft zum Jahresende.
Sarkozy will diskutieren
Der Elyse-Palast erklärte dazu, man begrüße die "Orientierungen" der Kommission. Insbesondere über die Vorschläge zur Führung der Mittelmeerunion müsse in den kommenden Tagen und Wochen aber noch diskutiert werden.
Die Kommission setzte sich mit ihrem Papier über die gemeinsame Position von Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel hinweg. Diese hatten vorgeschlagen, für die Mittelmeerunion einen europäischen und einen nichteuropäischen Direktor für jeweils zwei Jahre zu berufen. Dabei sollte der europäische Posten zunächst den EU-Staaten mit Mittelmeerküste vorbehalten bleiben. Paris hatte seinen Anspruch für die ersten zwei Jahre angemeldet.
Finanzierung ungesichert, Konzept unklar ...
Die Mittelmeerunion soll auf einem Sondergipfel am 13. Juli in Paris aus der Taufe gehoben werden. Sie soll sich zunächst auf vier Ziele konzentrieren: die Entgiftung des Mittelmeeres, den Schutz der Zivilbevölkerung, Energie und Verkehr. Die Finanzierung aus EU-Mitteln könne aber nicht garantiert werden, heißt es im Kommissionspapier. Vielmehr müssten für die Projekte auf dem üblichen Weg Subventionen aus dem Fördertopf für die Europäische Nachbarschaftspolitik beantragt werden.
Die EU muss sich über die Vorschläge spätestens auf ihrem Gipfeltreffen im Juni einig werden, damit sie beim geplanten Gründungsgipfel der Mittelmeerunion im Juli den Partnerstaaten eine gemeinsame Position präsentieren kann. Noch schwieriger dürfte allerdings eine Einigung unter den nichteuropäischen Mittelmeeranrainern sein.
... und der übliche Streit um Israel
Algerien, Libyen und Syrien haben bislang nicht einmal Bereitschaft erkennen lassen, an der Seite Israels in die Union einzutreten. Über die Wahl von Ägypten als erstem Co-Präsidenten aus dem Süden herrsche zwar Konsens, berichtete die französische Zeitung "Le Figaro". Sollte Israel aber die Aussicht haben, die Nahost- und nordafrikanischen Staaten eines Tages zu vertreten, werde der syrische Präsident Baschar al Assad nicht mitmachen.
Deutsche EU-Abgeordnete nahmen den Kommissionsvorschlag mit Genugtuung auf. "Alleingänge Frankreichs werden in der EU nicht geduldet", kommentierte der SPD-Europaabgeordnete Vural Öger das Papier. Der Grünen-Abgeordnete Cem Özdemir erklärte, die Kommission habe "Nicolas Sarkozys Ursprungsidee vom Kopf auf die Füße gestellt".
Quelle: ntv.de