"Rechtsstaats-Mission" EU einig über Kosovo
14.12.2007, 07:57 UhrDie Europäische Union übernimmt die Verantwortung für die Sicherheit im Kosovo auch nach einer einseitig erklärten Unabhängigkeit der Provinz. Nach langem Ringen beschlossen die 27 Staats- und Regierungschefs einmütig die Entsendung von Polizisten und Juristen in die Region, deren Abspaltung die Regierung in Belgrad strikt ablehnt. Die Entscheidung sei klarer gefallen, als zunächst zu erwarten gewesen sei, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Abschluss des Gipfeltreffens in Brüssel. "Das ist das klarste Signal, das die EU geben kann, um zu zeigen, dass sie im Kosovo und in der Region die Führung übernehmen will", erklärte der EU-Ratspräsident, Portugals Premierminister Jos Scrates Scrates. Die EU werde tun, was sie könne, um Frieden und Sicherheit zu gewährleisten.
Wie Scrates erläuterte, plant die Gemeinschaft den Einsatz einer 1.800 Personen starken "Rechtsstaats-Mission". Einzelheiten der Mission sollen die EU-Außenminister im Januar festlegen. Der Einsatz ergänzt die Entscheidung der NATO zur Fortsetzung ihres Militäreinsatzes in dem Gebiet.
Strittig ist, ob der Einsatz die Zustimmung des UN-Sicherheitsrates braucht. Dort hat Russland, das an der Seite Serbiens gegen eine Abspaltung des Kosovos ist, ein Vetorecht. Serbien hat unmittelbar nach der Entscheidung der EU den geplanten Polizei-Einsatz scharf kritisiert. Die politische Führung des Kosovo bereitet die Abspaltung von Serbien vor, nachdem ein letzter Verhandlungsversuch über eine einvernehmliche Lösung vor kurzem gescheitert war.
Neuer Wille zur Gemeinsamkeit
Dem Einsatz stimmten auch zunächst skeptische Länder wie Zypern zu. Die Mittelmeerinsel habe ihre Beteiligung zugesagt, sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Er bewertete den Kosovo-Beschluss als Ausdruck des neuen Willens in der EU, zu mehr Gemeinsamkeit in der Außenpolitik zu kommen. Die Kräfte würden unabhängig von Entscheidungen im Kosovo eingesetzt und dienten nicht der Durchsetzung der Unabhängigkeit. Steinmeier mahnte die Albaner im Kosovo, sich nicht ohne Abstimmung mit der internationalen Gemeinschaft von Serbien loszusagen.
Auch Serbien braucht eine Perspektive
Zugleich betonte die EU, dass auch Serbien eine europäische Perspektive brauche. Merkel sagte, dies werde ein langer Prozess sein. Dabei hänge viel vom Verhalten der betroffenen Länder ab. Nach Angaben von Merkel sind mit der Bekräftigung der Beitrittsperspektive für Serbien die EU-Kriterien wie die Einhaltung der Rechtsstaats-Prinzipien nicht ausgesetzt worden.
Nach Auffassung des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy muss sich Europa auf ein unabhängiges Kosovo einstellen. "Die Unabhängigkeit ist unausweichlich", sagte Sarkozy in Brüssel. "Wir Europäer sind nicht verantwortlich dafür, dass Kosovaren und Serben nicht mehr zusammenleben wollen." Das Kosovo sei eine europäische Angelegenheit. Serbien dürfe nicht isoliert werden, forderte der Staatschef. Mit Blick auf die noch ausstehende Überstellung des serbischen Generals Ratko Mladic an das Internationale Kriegsverbrechertribunal sagte Sarkozy: "Verwechseln wir nicht die Suche nach Kriegsverbrechern und die Möglichkeit eines Landes wie Serbien, eines Tag der Europäischen Union anzugehören."
Auch Luxemburg setzt sich dafür ein, rasch die Voraussetzungen für Verhandlungen mit Serbien über eine EU-Mitgliedschaft zu schaffen. "Meiner Ansicht nach könnte das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen in den nächsten Wochen auch dann unterzeichnet werden, wenn die Zusammenarbeit Belgrads mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal noch nicht perfekt ist", sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn beim EU-Gipfel. "Wir müssen Serbien eine positive Botschaft senden." Nach Angaben aus Delegationskreisen wird diese neue Position von einer breiten Mehrheit der EU-Mitglieder unterstützt. Lediglich die Niederlande und Belgien seien dagegen.
Serbien sieht sich "verstümmelt"
Serbien hat die geplante "Rechtsstaats-Mission" der EU mit scharfen Worten kritisiert. Durch die Entsendung von Polizeibeamten und Juristen in die Provinz schaffe die Europäische Union einen Marionettenstaat auf serbischem Boden, erklärte der Ministerpräsident Vojislav Kostunica. "Es ist inakzeptabel, vom Kosovo - einer Provinz Serbiens - als künftigem Staat zu sprechen", teilte er weiter mit. "Es ist besonders beleidigend, einem verstümmelten Serbien im Austausch für dessen Zustimmung zur Gewalt als Belohnung einen beschleunigten Beitritt zur EU anzubieten."
Quelle: ntv.de