Gewalt in Syrien nimmt kein Ende EU einig über neue Sanktionen
10.02.2012, 21:06 Uhr
Assad weigert sich weiter, seinen Stuhl zu räumen.
(Foto: REUTERS)
In Syrien weitet sich der Bürgerkrieg auf bisher ruhige Regionen aus. So detonieren in Aleppo zwei Bomben, 28 Menschen sterben. Welche Seite für die Anschläge verantwortlich ist, bleibt unklar. Die EU reagiert derweil auf die anhaltende Gewalt und will das Assad-Regime mit weitergehenden Sanktionen zum Einlenken zwingen.
Die EU-Länder haben sich nach Diplomatenangaben im Grundsatz darauf geeinigt, die Transaktionen mit der syrischen Zentralbank zu kappen. Zudem soll es ein Importverbot für Phosphat, Gold und andere Edelmetalle aus Syrien geben. Das neue Sanktionspaket soll beim nächsten Treffen der EU-Außenminister am 27. Februar beschlossen werden.

Die Anschläge richteten sich nach Angaben der Regierung gegen Einrichtungen der Sicherheitskräfte.
(Foto: dpa)
Im Konflikt in Syrien sind erstmals in der Wirtschaftsmetropole Aleppo zwei Bombenanschläge verübt worden, bei denen nach Regierungsangaben mindestens 28 Menschen getötet und 235 weitere verletzt wurden. Syriens Regierung machte "Terroristen" für die Explosionen im bisher weitgehend ruhigen Aleppo verantwortlich. Die Bombenattentate richteten sich demnach gegen Gebäude des Militärgeheimdiensts und der Sicherheitskräfte.
Deserteure beschuldigen Assad-Regime
Das Staatsfernsehen zeigte einen Reporter, Decken und Plastikfolien, die über die Toten gelegt worden waren, anhob und die zerstückelten Leichen zeigte. "Wir entschuldigen uns dafür, diese Bilder zu zeigen", sagte der Journalist. "Aber das ist der Terrorismus, dem wir uns ausgesetzt sehen." Ihm zufolge waren auch Kinder unter den Toten.
Ein Sprecher der aus Deserteuren bestehenden Freien Syrischen Armee beschuldigte dagegen die Staatsführung, die Anschläge inszeniert zu haben, um die Aufmerksamkeit von ihrem Vorgehen in Homs abzulenken.
In Homs selbst besetzte die Armee in der Nacht das Stadtviertel Inschaat mit Panzern und durchsuchte zahlreiche Häuser, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London berichtete. Insgesamt seien in der Stadt zwölf Zivilisten getötet worden. Das Militär beschießt Homs seit einer Woche mit Panzern und Artillerie und tötete dabei nach Angaben der Beobachtungsstelle rund 450 Menschen.
Teile Homs liegen in Trümmern
In der Protesthochburg bereiteten sich Armee-Deserteure auf die Abwehr eines Angriffs der zahlenmäßig überlegenen Regierungstruppen vor. Die Stadt ist während der Belagerung zum Symbol für die Leiden der Zivilbevölkerung geworden. In einer nächtlichen Kundgebung bekundeten zahlreiche junge Menschen den Willen, Assad standzuhalten. Emotionaler Höhepunkt der Demonstration war eine Gesangseinlage des zu den Aufständischen übergelaufenen Fußballstars Abdelbasser Saru.
Während einer Feuerpause konnten Bewohner von Homs ihre Schutzräume verlassen und die Schäden des einwöchigen Beschusses in Augenschein nehmen. Es gebe keine Straße, in denen nicht mindestens zwei Häuser Treffer abbekommen hätten, berichtete ein Vertreter der Opposition.
Weitere Opfer wurden aus Aleppo und der Stadt Dmeir nordöstlich von Damaskus gemeldet. Zusätzlich zu den Opfern der Anschläge seien landesweit 37 Menschen getötet worden. Trotz der massiven Präsenz der Sicherheitskräfte gab es nach Angaben der Beobachtungsstelle erneut Proteste in Hama, Idleb und Damaskus. Sie richteten sich diesmal vor allem gegen die Blockade einer UN-Resolution durch Russland.
Syrische Botschaft wird nicht geschlossen
Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (UNHCR) forderte derweil den UN-Sicherheitsrat auf, in Syrien verübte Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) zu bringen. Das UNHCR habe diesen "sehr konkreten Schritt" wiederholt vorgeschlagen, sagte ein Sprecher. Von einem solchen Vorgehen werde eine "sehr, sehr starke Botschaft" ausgehen.
Hozan Ibrahim vom oppositionellen Syrischen Nationalrat verlangte in Berlin die Ausweisung von Syriens Botschafter. Nach der Festnahme zweier mutmaßlicher syrischer Spione war am Donnerstag die Ausweisung von vier Diplomaten des Landes angeordnet worden. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts erteilte der Forderung nach einer Schließung der syrischen Botschaft jedoch eine Absage.
Das "abscheuliche Blutvergießen" in Syrien müsse beendet werden, verlangte US-Präsident Barack Obama nach einem Treffen mit dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti in Washington. Die USA und Italien seien sich einig, die jetzige Regierung in Damaskus, die "ihr Volk angreift", müsse ersetzt werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich zutiefst betroffen über Assad. "Die Bilder und Berichte aus Syrien wühlen mich genauso auf wie wahrscheinlich die meisten Bürger", sagte Merkel der "Passauer Neue Presse".
UN-Vollversammlung berät über Syrien
Der deutsch-syrische Schriftsteller Rafik Schami sieht keine Chancen mehr für ein baldiges Ende der Gewalt in Syrien. Der Bürgerkrieg sei längst im Gange, erklärte der 65-Jährige im Gespräch mit der dpa in Mainz. Er kommuniziere sehr rege über oppositionelle Verbindungen per Telefon, Handy und Internet mit seinen Freunden, die in Syrien untergetaucht seien, berichtete Schami. Ein baldiges Ende der Gewalt in seiner Heimat könne nur durch ein Wunder geschehen, wenn ein Teil der Machthaber den anderen ausschalte und der Opposition die Hand reiche.
Russland bleibt bei seinem Kurs im Syrien-Konflikt: Das Parlament unterstützte am Freitag das Veto Moskaus gegen die jüngste Syrien-Resolution. Die Abgeordneten votierten geschlossen für eine Erklärung aller Fraktionen dazu, wie die Agentur Interfax meldete. Der Resolutionsentwurf sei einseitig gewesen, hieß es zur Begründung. Das Moskauer Veto im Weltsicherheitsrat war weltweit kritisiert worden. Russland ist ein enger Partner und Waffenlieferant Syriens.
Gut eine Woche nach der gescheiterten Syrien-Resolution will sich die UN-Vollversammlung mit der Situation in dem arabischen Land befassen. Dazu lud die Vertretung der Mitgliedsländer, quasi das Parlament der UN, für Montag kurzfristig Menschenrechtskommissarin Navi Pillay ein.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts