Ausbeutung der Meere EU will Fischzüge bremsen
13.07.2011, 14:29 Uhr
Die Heringsfangmenge in der Ostsee hat die EU für 2011 bereits um 30 Prozent gekürzt. Mecklenburg-Vorpommern stellt in den nächsten drei Jahren zwei Millionen Euro bereit, um den Fischern Erlösausfälle zu ersetzen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Mit einer umfassenden Reform will Brüssel das Problem der Überfischung binnen vier Jahren stoppen. Bis 2015 sollen die Bestände auf ein Niveau gebracht werden, das ihr langfristiges Überleben sichert. "Wir müssen handeln, um alle Fischbestände wieder in einen gesunden Zustand zu versetzen", erklärt Fischereikommissarin Damanaki. Doch ohne einen Beitrag von Seiten der Fischereiwirtschaft wird das nichts.
Die Gewässer der Europäischen Union gehören zu den überfischtesten weltweit. Allein im Mittelmeer sind 82 Prozent der bekannten Fischbestände so stark dezimiert, dass sie sich durch natürliche Vermehrung nicht mehr regenerieren können. In der Nordsee gilt das für alle Bestände außer Scholle, Schellfisch und Hering, in der Ostsee sind zwei Drittel der bekannten Bestände betroffen. Nach Angaben der internationalen Naturschutzorganisation WWF ist die europäische Fischfangflotte zwei bis drei Mal größer, als es für eine nachhaltige Fischerei verträglich wäre. Die Organisation fordert wissenschaftsbasierte Fangquoten. Denn in den letzten fünf Jahre hätten die politisch festgesetzten Quoten im Schnitt noch um 45 Prozent über den Empfehlungen der Wissenschaftler gelegen, so der WWF.
"Fischereipolitik ist gescheitert"
Die Notwendigkeit strengerer Maßnahmen sehen nicht nur Umweltschutzorganisationen. Auch EU-Kommissarin Maria Damanaki betrachtet die bisherige Fischereipolitik als gescheitert. Die Regeln hätten das Problem der Überfischung nicht in den Griff bekommen. Das soll nun anders werden. Damanaki stellte heute in Brüssel neue Pläne vor. Mit einer umfassenden Reform soll es gelingen, die Fischbestände in den Gewässern der EU bis 2015 auf ein Niveau zu bringen, das ihr Überleben sichert. "Wir wollen die Fischbestände und die Fischereiwirtschaft langfristig, nachhaltig und profitabel erhalten. Dafür brauchen wir gesunde Fischbestände", sagte die Kommissarin dem "Hamburger Abendblatt".
Strengere Quoten, weniger Flotten
Um dieses Ziel zu erreichen, will Damanaki die Zahl der Fangflotten verringern, die Fanquoten künftig strenger an wissenschaftlichem Rat orientieren und nicht mehr nur für ein oder zwei, sondern für mehrere Jahre festlegen. Außerdem sollen Fischer künftig mit Fangquoten handeln können. Dabei könnten sie ihre Höchstmengen untereinander verkaufen. Mögliche Folge wäre, dass sich die Fänge bei großen Unternehmen konzentrieren. Allerdings sollen Boote unter zwölf Metern vom Handel ausgenommen sein. "Ohne einen Beitrag der Fischereiwirtschaft wird die Reform nicht gelingen", sagte die EU-Fischereikommissarin.

Damit die Netze nicht irgendwann ganz leer bleiben, müssen die Fischer strenge Quoten in Kauf nehmen.
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Auch den Beifang hat Damanaki bei den Reformplänen im Blick: Nach den Plänen aus Brüssel soll es künftig verboten sein, unbeabsichtigt mitgefangene Meerestiere wieder über Bord zu kippen. Denn viele dieser Tiere sind dann bereits tot oder verletzt. Stattdessen sollen alle gefangenen Fische angelandet werden müssen. So hofft Damanaki, die Fischer zu gezielteren Fangmethoden anhalten zu können.
Insgesamt aber will die EU-Kommission Entscheidungen abgeben: Neben Quoten will sie nur noch allgemeine Grundsätze für die Fischerei festlegen. Wie diese umgesetzt werden, sollen die EU-Länder in regionaler Zusammenarbeit selbst entscheiden. Die Gesetze könnten von 2013 an gelten, wenn Europaparlament und EU-Länder vorher zustimmen. "Wenn wir diese Reform richtig anpacken, werden Fischer und Küstengemeinden davon auf lange Sicht profitieren", sagte die Kommissarin. "Und alle Europäer werden eine größere Auswahl an frischem Wild- und Zuchtfisch haben."
Ungewünschte Fische machen Arbeit
Der Verband der Deutschen Kutter- und Küstenfischer meldete bereits Bedenken zu einzelnen Punkten der Reformpläne an. So seien pauschale Verbote des Rückwurfs nicht sinnvoll, erklärte der Verband in Hamburg. Sie könnten zu großen Aufwand bedeuten, wenn die ungewünschten Fische an Land verwertet werden müssen. Das Ziel einer nachhaltigen Bestandsbewirtschaftung sei aber richtig.
Widerstand muss Damanaki aus den Fischfang-Nationen Frankreich und Spanien erwarten. Die Fischer könnten nicht tagelang auf See sein und ihre Lager dort mit unverkäuflichem Fisch füllen, kritisierte der Chef des französischen Nationalen Fischereikomitees, Pierre-Georges Dachicourt.
Auch die Grünen-Fraktion übte bereits Kritik. Die Reform mache die "Nachhaltigkeit nicht zum übergeordneten Ziel", erklärte Fraktionschefin Rebecca Harms. Der WWF beurteilte den Plan ebenfalls als "unzureichend". Er enthalte "gute Ansätze, überlässt aber zu viel dem Zufall".
"Höhere Erlöse in der Zukunft"
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) dagegen will die EU-Kommission in den genannten Zielen unterstützen. "Es ist das Ziel der Bundesregierung, die Fischbestände in Europa und weltweit nachhaltig zu bewirtschaften", sagte Aigner dem "Hamburger Abendblatt". Die Überfischung habe in einigen Bereichen dramatische Ausmaße angenommen. Zudem werde die geplante EU-Reform für die deutsche Fischerei positive Effekte haben: "Nur eine grundlegende Erholung der Bestände schafft die Voraussetzungen für höhere Fangzahlen und damit höhere Erlöse in der Zukunft", sagte Aigner.
Quelle: ntv.de, mit AFP / dpa