Politik

Kein Vertrag, kein Beitritt EU will Tür schließen

Das Nein der Iren zum Lissabon-Vertrag gefährdet die Erweiterung der Europäischen Union um die Staaten des Balkans und die Türkei. Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt wie Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy neue EU-Beitritte ohne eine Einigung auf den Lissabon-Reformvertrag ab. Sie bezog in Brüssel ausdrücklich auch Kroatien in den Aufnahme-Stopp ein. Das Land will möglichst 2010 Mitglied der EU werden. Der bisherige Vertrag von Nizza sehe nur 27 EU-Mitglieder vor, sagte Merkel. Eine Änderung dieses Vertrages an einer Stelle werde es nicht geben.

Zuvor hatte Sarkozy offen mit einem Veto gegen den angepeilten Beitritt Kroatiens gedroht. Frankreich übernimmt vom 1. Juli bis Ende des Jahres die EU-Ratspräsidentschaft von Slowenien.

Ungeachtet des drohenden politischen Stillstands vermieden die 27 Staats- und Regierungschef zum Abschluss des Treffens Druck auf die irische Regierung. Auch Tschechien konnte seine Vorbehalte festschreiben. Grundsätzlich soll die Ratifizierung des in zähen und langwierigen Verhandlungen ausgearbeiteten und im vergangenen Dezember in Lissabon unterzeichneten Vertrages weiter gehen. Die Billigung steht noch in sieben Staaten aus. In 19 Mitgliedstaaten haben die Parlamente dem Dokument zugestimmt.

Keine 100 Kronen für eine Wette

Tschechien gilt als ein Wackelkandidat bei der Ratifizierung, da die politische Spitze des Landes gespalten ist und die obersten Richter derzeit prüfen, ob das Dokument überhaupt mit der Verfassung in Einklang steht. Premierminister Mirek Topolnek ließ das in einer Fußnote festschreiben. Er bezweifelte nach dem irischen Nein, ob in seinem Land die Billigung des Vertrages reibungslos klappen werde: "Um ehrlich zu sein, stünde die Ratifizierung jetzt an, dann würde ich nicht mal 100 Kronen darauf wetten, dass es ein Ja gibt."

Verzicht auf Zieldatum

Um der irischen Regierung bis zum nächsten EU-Gipfel im Oktober unter Vorsitz von Sarkozy jeden Druck zu nehmen, setzte die Gipfel-Erklärung kein neues Zieldatum für die Ratifizierung. Bei dem Treffen im Herbst soll die irische Regierung in einem Bericht erste mögliche Ideen für einen Ausweg aus der Krise nennen. Auf ein zweites Referendum in Irland zu einem späteren Zeitpunkt wird gehofft. Ursprünglich sollte der Vertrag zum Jahresbeginn 2009 in Kraft treten.

Vor allem junge Iren gegen Vertrag

Bei der Ursachenforschung für das irische Nein zeigt sich, dass vor allem junge Leute gegen den Vertrag stimmten. Dies geht aus einer repräsentativen Meinungsumfrage hervor, die die EU einen Tag nach dem Scheitern der Volksabstimmung in der vergangenen Woche vornehmen ließ. Demnach stimmten 65 Prozent der jungen Leute im Alter von 18 bis 24 Jahren gegen den Vertrag. In der Altersgruppe von 25 bis 39 Jahren waren es immerhin noch 60 Prozent. Auch bei jenen, die mit Nein stimmten, waren 80 Prozent allerdings für die Mitgliedschaft Irlands in der EU.

Der Hauptgrund für die Ablehnung war der Umfrage zufolge ein Mangel an Informationen. 22 Prozent der Befragten, die gegen den Vertrag stimmten, gaben dieses Motiv an. Weitere zwölf Prozent der Nein-Wähler erklärten, sie hätten die irische Identität schützen wollen.

Widerspruch gegen Sarkozy

In der Debatte über künftige Beitritte neuer Mitglieder stellte sich EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner gegen Sarkozy. "Die Erweiterungsverhandlungen werden weitergehen. Und ich bin sicher, dass man eine Lösung gefunden haben wird, bevor die Frage beantwortet wird, wann Kroatien beitritt", sagte sie. "Schauen Sie sich doch die Realitäten an. Wir sind doch mitten in den Verhandlungen. Die werden doch nicht abgebrochen."

Auch der amtierende EU-Ratspräsident, Sloweniens Staatschef Janez Jansa, widersprach Sarkozy. "Ich glaube nicht, dass es irgendeinen Grund gibt für die Kandidatenländer, die die Regeln erfüllen und die über einen Beitritt verhandeln, diesen Prozess zu verlangsamen." Die Erweiterung dürfe der Krise um den EU-Vertrag nicht zum Opfer fallen. Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich ebenfalls eher optimistisch. Nach Angaben des österreichischen Bundeskanzlers Alfred Gusenbauer gab es "intensive Diskussionen zwischen denen, die ratifiziert haben und denen, die nicht ratifiziert haben".

Sarkozy hatte zuvor gesagt: "Ohne den Lissabon-Vertrag gibt es keine Erweiterung." Seine Ankündigung betreffe auch Kroatien. "Ich erinnere Sie daran, dass wir Einstimmigkeit brauchen." Sarkozy ist gegen einen Beitritt der Türkei, mit der ebenfalls verhandelt wird. Er sei kein prinzipieller Gegner der Erweiterung. "Europa muss sich auf dem Balkan erweitern." Dennoch seien zuvor Reformen der EU nötig.

Der derzeit geltende Vertrag von Nizza ist zwar auf eine EU mit 27 Mitgliedern ausgelegt, verbietet aber nicht die Aufnahme weiterer Staaten.

Quelle: ntv.de

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