Nahles kritisiert Müntefering Eigenes Profil im Blick
31.01.2009, 12:35 UhrSPD-Vizechefin Andrea Nahles hat die scharfe Attacke ihres Parteivorsitzenden Franz Müntefering auf die Linkspartei kritisiert. Münteferings Aussage, die Linke betreibe eine "nationale soziale Politik", sei "überzogen", sagte Nahles dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". "Wir sollten uns darauf konzentrieren, unsere eigenen Inhalte zu präsentieren. Es geht nicht darum, dass sich die SPD immer nur an anderen Parteien abarbeitet. Das heißt auch, dass wir keinen Wie-grenze-ich-mich-von-der- Linkspartei-ab-Wahlkampf machen sollten."
Nahles, deren Aufstieg in der SPD maßgeblich zum Rückzug Münteferings vom Amt des Parteivorsitzenden im Herbst 2005 beigetragen hatte, stellte zugleich klar, dass auch sie eine Koalition mit der Linken nach der Bundestagswahl im September ausschließe: "Das generelle Ziel ist, dass die sich in Westdeutschland nicht etablieren als dauerhafte Konkurrenz links von der SPD. Für den Bund gilt, was wir die ganze Zeit sagen, 2009 wird es keine Koalition geben."
Nahles war im Oktober 2005 gegen den Willen Münteferings vom SPD-Parteivorstand als Generalsekretärin nominiert worden. Er gab den Vorsitz auf, sie verzichtete auf das Generalsekretärsamt. Zwei Jahre später wurde sie zur Stellvertreterin des damaligen Parteichefs Kurt Beck gewählt.
Beck handzahm und Fußball-Experte
Beck, der im September 2008 nach innerparteilichen Auseinandersetzungen als SPD-Bundesvorsitzender zurückgetreten war, verspricht unterdessen seiner Partei die volle Unterstützung im Bundestags-Wahlkampf. Er werde "alle Kraft" investieren, sagte er im Deutschlandradio Kultur. "Das, was innerparteilich an Kritikpunkten da war, wird von meiner Seite aus da keine Rolle spielen."
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident rechnet seiner Partei trotz der schlechten Umfragewerte noch Chancen für einen Sieg bei der Bundestagswahl am 27. September aus. "Also, da ist nichts ausgemacht." Zwar sei die Hessen-Wahl "nicht gerade eine gute Vorlage" gewesen. "Aber so ist es: Manchmal liegt man 2:0 zurück im Fußball und kann doch noch 3:2 gewinnen."
Auch Müntefering wischt die anhaltend schlechten Umfragewerte beiseite: Die SPD verfüge nach den Querelen und dem Führungswechsel im vergangenen Jahr wieder über Vertrauen, Geschlossenheit und Zuversicht, sagte er der "Welt am Sonntag". "Eine schwarz-gelbe Bundesregierung wird es nicht geben." Schwarz-Gelb habe keine gesellschaftliche Mehrheit. Wie SPD-Fraktionschef Peter Struck peilt Müntefering eine Zusammenarbeit von SPD, FDP und Grünen an, falls es für Rot-Grün nicht reichen sollte.
Sein Wort in Gottes Gehörgang!
"Die FDP kann sich in ihren Kernbereichen Liberalität, Bürgerrechte, Bildung, Menschenrechte und sogar in ökonomischen Fragen mit uns und den Grünen arrangieren", sagte Müntefering. Auch FDP-Chef Guido Westerwelle sei älter und klüger geworden. "2005 hat er mir noch geschrieben, dass er keine Koalitionsgespräche mit mir führt. Einen solchen Brief wird er nicht noch einmal schreiben." Auf die Frage, ob Westerwelle das Zeug zum Außenminister habe, antwortete er: "Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand."
SPD-Fraktionschef Struck betonte in der "Passauer Neuen Presse": "Alle Beteiligten wollen raus aus dieser Koalition, um andere Akzente zu setzen." Zwar habe die Große Koalition in der Finanz- und Wirtschaftskrise Handlungsfähigkeit bewiesen. Es fehle aber "eindeutig an Führung" durch Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel. Als Beispiel nannte Struck das Thema Mindestlöhne: "Wir haben mit Frau Merkel eine Lohnuntergrenze für die Zeitarbeit vereinbart. Davon darf sich die Union jetzt nicht klammheimlich verabschieden." Er gehe davon aus, dass kommende Woche im Kabinett eine Regelung für die Zeitarbeit beschlossen werde: "Frau Merkel muss Wort halten."
Dasselbe gelte für das Umweltgesetzbuch, sagte Struck. Die Bedenken der CSU seien "irrational". Auch hier gebe es in der Koalition klare Absprachen. Struck warf der Kanzlerin vor: "Als Parteivorsitzende zeigt sie wieder einmal nicht genügend Durchsetzungskraft gegenüber der CSU."
CDU sieht SPD im Bodenlosen
Der Noch-Koalitionspartner dagegen sieht die SPD nach der Hessen-Wahl nicht mehr auf Augenhöhe mit der CDU. "Die SPD ist keine Volkspartei mehr, sie hat diesen Charakter verloren", so CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Die Haltung der SPD zu einer Zusammenarbeit mit der Linken auf Bundesebene zog er erneut in Zweifel: "Die Schwüre der SPD, keinesfalls mit der Linkspartei auf Bundesebene zu paktieren, sind nichts wert."
Linke: Abgrenzung nur im Bund "schizophren"
Die Linkspartei will die SPD bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und im Saarland überflügeln. Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch geht davon aus, "dass die SPD in keinem Land vor uns liegen wird". In den drei Bundesländern wird Ende August gewählt - vier Wochen vor der Bundestagswahl. Bartsch nannte es "schizophren", dass Müntefering vor dem Hintergrund seiner Kritik an der Linkspartei Zusammenarbeit im Bund - aber nicht in den Bundesländern - ausgeschlossen habe.
Quelle: ntv.de