Widrige Wahl in der Ukraine Ein Zeichen - der Gewalt zum Trotz
25.05.2014, 16:44 Uhr
In Donezk kann nur in den wenigsten Wahlstellen die Stimme abgegeben werden.
(Foto: AP)
Die Ukrainer wählen einen Präsidenten, aber frei ist der Urnengang nicht überall: Im Osten zerstören Separatisten Wahlurnen, Wahllokale brennen. Und dennoch: Die Wahl ist ein starkes Symbol - auch wenn der Ausgang zunächst wenig ändern dürfte.
In der Ukraine hat das Volk gesprochen. Der Umsturz, der von der mutigen Bewegung auf dem Kiewer Maidan ausging, nimmt seinen demokratischen Fortgang: Die Tage Alexander Turtschinows als Übergangsstaatschef dürften gezählt sein, in landesweiten Wahlen bestimmen die Menschen einen neuen Präsidenten. Endlich, so scheint es, kommt in die verfahrene Situation in dem Land Bewegung.
Doch mit der Demokratie ist das in der Ukraine an diesem Wochenende so eine Sache: Der Urnengang findet in einem Land statt, in dem die Zentralgewalt über ganze Regionen die Kontrolle verloren hat. Im Osten des Landes, in Donezk und Lugansk, halten maskierte und bewaffnete Separatisten Verwaltungsgebäude besetzt, dominieren das öffentliche Leben. Und sie hintertreiben die Wahlen nach Kräften.
Nur ein Bruchteil der Wahllokale in den östlichen Oblasten ist wirklich geöffnet. Bilder zeigen Schlägertrupps in Donezk, die Wahlurnen auf die Straße tragen und öffentlichkeitswirksam zertrümmern. Andernorts werden ganze Wahllokale in Brand gesteckt. Und wo gewählt werden kann, sind Kämpfer in Tarnfleck nicht weit. Die Botschaft ist klar: Wer wählen geht, ist gegen den Anschluss an Russland - und bekommt es mit den Kämpfern zu tun. Eine Drohkulisse, vor der ernsthafte demokratische Wahlen eigentlich undenkbar sind.
Poroschenko kann eigentlich nur scheitern
Nur wenige Unbeugsame trauen sich hier, von ihrem demokratischen Recht Gebrauch zu machen. Die Straßen sind verwaist, in den wenigen geöffneten Wahlstellen erscheinen nur ein paar Versprengte. In anderen Teilen des Landes dagegen, im Westen und in der Hauptstadt Kiew, ist die Wahl ein großes Thema. Vor den Wahllokalen bilden sich Schlangen, die Beteiligung ist enorm: Landesweit geben bis 14 Uhr über 40 Prozent ihre Stimme ab. Zum Vergleich: Zur Europawahl kommen in Deutschland bis zur selben Uhrzeit lediglich rund 25 Prozent der Stimmberechtigten.
Wenn die Umfragen stimmen, wird Petro Poroschenko das Rennen machen. Er ist der große Hoffnungsträger für viele Ukrainer. Der Unternehmer gilt als klarer Favorit. Wenn nicht im ersten Wahlgang, so dürfte er in der Stichwahl das Rennen machen. Dann übernimmt er einen Job, um den er wahrlich nicht zu beneiden ist. Die Separatistenbewegung im Osten befrieden, eine Annäherung an den Nachbarn Russland bewerkstelligen, demokratische Institutionen zum Laufen bringen und ganz nebenbei die darbende Wirtschaft wieder in Schwung bekommen - ein Politiker kann an diesen Ansprüchen eigentlich nur scheitern.
Akt der Selbstbestimmung
Zumal er in Moskau auf wenig Hilfe hoffen darf. Es sind vergiftete Botschaften, die Kremlchef Wladimir Putin in diesen Tagen aussendet: Er wolle mit dem neuen Präsidenten zusammenarbeiten, wird er mehrfach zitiert. So richtig anerkennen mag er die demokratische Selbstbestimmung des ukrainischen Volkes aber nicht. Für Putin ist der Umsturz im Februar, bei dem sein Gewährsmann in Kiew, Viktor Janukowitsch, aus dem Amt gejagt wurde, noch immer unrechtmäßig.
Alles, was nach diesem "illegalen Putsch" kommt, kann nicht in Ordnung sein, so die Logik. Wirkliche Zugeständnisse sind kaum zu erhoffen. Wer immer Präsident dieses Landes wird - viel ändern wird sich an der Lage der Ukraine nicht. So ist die Wahl in der Ukraine an diesem Sonntag zunächst nicht viel mehr als ein symbolischer Akt der Selbstbestimmung. Und doch: Sie ist ein wegweisendes Signal für ein Land, in dem in weiten Teilen Gewalt herrscht und das zum Spielball eines neuen Ost-West-Konflikt geworden ist.
Quelle: ntv.de