Laura Garavini, Schäfer-Gümbels Trumpf Eine Italienerin will nach Hessen
11.09.2013, 15:21 Uhr
Thorsten Schäfer-Gümbel und Laura Garavini bei der Vorstellung des Schattenkabinetts Anfang Juli 2013.
(Foto: picture alliance / dpa)
Überraschungen sind in Kompetenzteams selten. Meistens gilt es, die eigenen Parteiflügel zu befrieden. SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel macht es vor der Hessen-Wahl anders. Er will eine italienische Politikerin in sein Kabinett holen, wenn er Ministerpräsident werden sollte.
Über das ganze Gespräch hinweg ist Laura Garavini ruhig und ausgeglichen. Von dem typisch italienischen Temperament keine Spur. Doch die Provokation gelingt auf Knopfdruck. Ob sie Silvio Berlusconi vermissen werde? "Nein, sicherlich nicht", sagt Garavini plötzlich sehr bestimmt. Und dann redet sich die 47-Jährige in Rage. Für diesen Mann hätten immer nur die persönlichen Interessen gezählt. Wenn sie auf etwas stolz sei, dann darauf, dazu beigetragen zu haben, Berlusconi zu stürzen. "Solche Typen schaden jedem Land."

Wird der hessische Landtag in Wiesbaden ab September der neue Arbeitsplatz von Laura Garavini?
(Foto: picture alliance / dpa)
Wenn alles gut geht, dann ist Garavini Berlusconi bald los. Die Politikerin, die derzeit noch für die sozialdemokratische Partito Democratico im italienischen Abgeordnetenhaus sitzt, wagt einen eher ungewöhnlichen Schritt. Sollte die hessische SPD die Landtagswahl am 22. September gewinnen, wird sie Ministerin im Kabinett des Sozialdemokraten Thorsten Schäfer-Gümbel. Dann wechselt Garavini aus der Weltstadt Rom "ins Herz Europas", wie sie es nennt, ins beschauliche Wiesbaden.
Ende Juni wurde die Frau aus Vignola, einer Kleinstadt in Norditalien, in das Kompetenzteam des hessischen SPD-Spitzenkandidaten berufen. Lange über das Angebot nachdenken musste Garavini nicht. Eine Italienerin als deutsche Landesministerin: "Das ist eine neue Art, ein politisch offenes Europa zu denken", sagt sie im Interview mit n-tv.de. Deshalb sei es nur logisch, Leute mit internationaler Erfahrung aus einem anderen Land zu holen.
"Integration ist mir auf den Leib geschrieben"
Schäfer-Gümbel hat ihr die Verantwortung für die Bereiche Europa, Integration und Kultur übertragen. Das passt. Nach dem Studium in Italien ging Garavini 1989 nach Deutschland, wo sie zunächst italienische Migrantenkinder unterrichtete. Ab 1996 arbeitete sie für ein Integrationsprojekt der Bundesregierung. "Ich fühle mich als Europäern, ich bin Deutsche und Italienerin. Integration ist mir auf den Leib geschrieben", sagt sie, die verheiratet ist und eine Tochter hat. "Eine gute Integrationspolitik macht ein Land stärker und erfolgreicher."
Bildung ist für Garavini der Kern der Integration. Eines ihrer ersten Ziele als Ministerin wäre es daher, "bei den Neueinstellungen gezielt auf Lehrer mit ausländischem Hintergrund zu setzen". Für essenziell hält sie, die selbst zwei Pässe besitzt, auch die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft. "Man sollte junge Leute nicht dazu zwingen, ihre Wurzeln zu kappen. Das hemmt die Integration. Keiner ist ein schlechterer Deutscher, nur weil er zwei Pässe hat." Garavini ist überzeugt: Eine Kampagne gegen den Doppelpass, wie der frühere Ministerpräsident Roland Koch sie einst geführt hat, würde heute nicht mehr funktionieren.
Cappuccino und Creme-Croissant
Warum sie Italien den Rücken kehrt? Eine direkte Antwort gibt Garavini nicht. Es sei keine Entscheidung gegen Italien, "sondern eine für Deutschland". Sie reizen vor allem die Unterschiede zwischen den beiden Ländern. In Italien gehe es immer gleich hochemotional zu. Zwei Tage später könne sich dann schon keiner mehr an die Gründe für die Aufregung erinnern. "Das ist eine gute Schule für mich, um in politisch unruhigen Zeiten die Ruhe zu bewahren."
Dass es hierzulande politisch eher gemächlicher zugeht, stört sie nicht. In der deutschen Politik freut sich Garavini vor allem über "die größere Loyalität innerhalb der Partei". In Italien sei das anders. Die ständigen Flügelstreitereien und Attacken gegen die Parteispitze, die dort zum Alltag gehörten, hätten Anfang 2013 dazu geführt, dass es ihrer Partei nicht gelang, die Wahl zu gewinnen. "Deshalb ist Pierluigi Bersani gescheitert und zurückgetreten."
Garavinis Entscheidung für Hessen ist gefallen. Und trotz Berlusconi und aller Vorfreude auf Hessen fällt ihr der Wechsel schwer. Zurück blieben "viele tolle Kollegen, die mit viel Herzblut und Engagement dafür arbeiten, aus Italien ein modernes, besseres Land zu machen", schwärmt sie. Vermissen werde sie auch ihre Lieblingsbar und das Frühstück mit Cappuccino und Creme-Croissant. Aber da dürfte Laura Garavini in Wiesbaden wohl fündig werden. So groß sind die Unterschiede 1200 Kilometer weiter im Norden dann doch nicht.
Quelle: ntv.de