Letzte Entscheidungen vertagt Einigkeit über Schuldenbremse
05.02.2009, 22:27 UhrBund und Länder haben sich nach zweijährigem Ringen im Grundsatz auf eine Neuregelung ihrer Finanzbeziehungen verständigt. Danach wollen beide Seiten von 2020 an keine neuen Schulden mehr machen. Letzte Details der Reform wolle die Föderalismuskommission II unter Leitung des baden-württembergischen CDU-Ministerpräsidenten Günther Oettinger und SPD-Fraktionschef Peter Struck bis kommenden Donnerstag klären. Dann soll möglichst schon ein Gesetzentwurf vorliegen, hieß es aus Verhandlungskreisen. Ein Teilnehmer sagte: "Zum großen Teil ist der Durchbruch geschafft, aber noch nicht rechtswirksam."
Strittig war dem Vernehmen nach bei den Gesprächen auf Bundes-Seite bis zuletzt das Finanzierungsmodell für die Zinshilfen an arme Länder. Nach einem Kompromissvorschlag, den die unionsgeführten Länder auf Oettingers Initiative im Laufe des Verhandlungstages vorgelegt hatten, sollen Berlin, Bremen, das Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein zwischen 2011 und 2019 jährlich 900 Millionen Euro bekommen.
0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung
Die 8,1 Milliarden Euro sollen je zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert werden. Dazu sollen die Mehrwertsteuer-Einnahmen herangezogen werden, der Bund soll dies vorfinanzieren. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) lehne diese Variante ab, da der Bund danach in diesem Zeitraum 500 Millionen Euro mehr bezahlen müsse als bisher vorgesehen, hieß es.
In der Zeit bis 2020 solle eine Schuldenbremse eingezogen werden, die beim Bund bei 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung liegt. Für die Länder soll eine Schuldenbremse so angelegt werden, dass sie auch von ärmeren Ländern eingehalten werden kann. Die meisten armen Länder hatten den Angaben zufolge erklärt, dass sie mit den zugesagten Hilfen nicht auskämen. Das Ziel, von 2020 an keine Schulden mehr aufzunehmen, sei so nicht zu erreichen. Struck sagte, der Bund wolle trotz der 0,35-Prozent-Marke im Grundgesetz von 2020 an ebenfalls keine neuen Schulden mehr aufnehmen.
Bayern lenkt ein
Damit wäre auch ein Kompromissangebot der Kommissions-Vorsitzenden Oettinger und Struck vom Tisch, die eine Schuldengrenze von 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung vorgeschlagen hatten. In der Sitzung machte der bayerische CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer Teilnehmern zufolge eine "sehr stringente Schuldenregelung" zur Voraussetzung für Solidarität mit den finanzschwachen Ländern. Auch Nordrhein-Westfalens CDU-Finanzminister Helmut Linssen habe kritisiert, die neue Schuldenbremse sei zu weich formuliert.
Letzlich zeigte sich Seehofer aber kompromissbereit, falls eine klare Schuldenregelung eingeführt werde. Bund und Länder sollen verpflichtet werden, nach 2020 in konjunkturell guten Jahren Rücklagen zu bilden oder nach einem strengen Plan Schulden zu tilgen. Bis dahin dürfen in konjunkturell schlechten Zeiten nur unter strengen Auflagen mehr neue Schulden gemacht werden als vereinbart.
"Eine gemeinschaftliche Aufgabe"
Bundeskanzlerin Angela Merkel rief während der Verhandlungen die Länder eindringlich zum Einlenken auf. "Unsere Kinder und Enkel fragen zum Schluss nicht, ob es ein Euro Schulden aus dem Bund war, oder ob es ein Euro Schulden von den Ländern war", sagte Merkel im Kanzleramt. "Das alles ist eine gemeinschaftliche Aufgabe." Die Schwierigkeit sei ihr aber bewusst.
Nach Angaben Oettingers ist bereits für Anfang März die erste Lesung im Bundestag geplant und im Juli die Verabschiedung im Bundesrat. Die Kommission hat bisher rund zwei Jahre über neue Bund-Länder-Finanzbeziehungen beraten. An diesem Freitag wollten Oettinger und Struck die Ergebnisse der Öffentlichkeit erläutern.
Der Kommissions-Vize Ernst Burgbacher begrüßte, dass ein prinzipielles Verschuldungsverbot zumindest für die Länder geplant sei. Offensichtlich mit Blick auf den Widerstand Steinbrücks sagte der FDP-Politiker, die große Koalition habe noch keine endgültige Einigung erzielen können. Linksfraktions-Vize Bodo Ramelow warnte vor einer Handlungsunfähigkeit des Staates wegen der Schulden durch die Konjunkturpakete. Deshalb drohe eine "Investitionsbremse", sagte er. Ramelow sprach von einem faulen Kompromiss.
Quelle: ntv.de