Syrien fordert Libyen-Variante für sich Einwohner finden Massengrab
16.05.2011, 18:30 Uhr
Im südsyrischen Daraa regiert Verwüstung.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
In der südsyrischen Stadt Daraa, dem Ausgangspunkt der Proteste gegen Präsident Assad, machen Bewohner eine grausige Entdeckung. Während das syrische Militär an der Grenze zum Libanon seine Präsenz verstärkt, fordern Oppositionelle Luftangriffe der NATO.
In der syrischen Protesthochburg Daraa ist ein Massengrab entdeckt worden. Einwohner hätten das Grab in der Altstadt entdeckt, als die Armee ihnen erlaubte, für zwei Stunden ihre Häuser zu verlassen, sagte der Menschenrechtsaktivist Ammar Kurabi gegenüber AFP. Die Behörden hätten die Gegend umgehend abgesperrt, um die Einwohner daran zu hindern, die Leichen zu bergen. Sie hätten aber versprochen, später einige zurückzugeben, so Kurabi. Wie viele Leichen sich in dem Grab befinden, könne er nicht sagen.
Die Proteste gegen Präsident Baschar al-Assad hatten vor zwei Monaten in Daraa ihren Ausgang genommen. Die Armee war am 25. April in die im äußersten Süden des Landes gelegene Provinzstadt einmarschiert, um die Protestbewegung gewaltsam zu zerschlagen. Zwar zog sie sich seit dem 5. Mai schrittweise wieder zurück, doch bleibt weiter eine starke Militärpräsenz in der Stadt. Menschenrechtlern zufolge starben in Daraa seit Beginn der Proteste mehrere hunderte Menschen.
Militär verstärkt Truppen
Darüber hinaus berichten sie, dass die syrische Armee ihre Präsenz in der Grenzregion zum Libanon verstärkt, in der sie zuletzt gegen Demonstranten vorgegangen ist. Mindestens 15 Panzer seien in dem Gebiet in Stellung gegangen, so die Aktivisten. Von Bewohnern auf der libanesischen Seite der Grenze erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters, dass die ganze Nacht über Gewehrfeuer zu hören gewesen sei.
Nach Demonstrationen gegen die Herrschaft von Präsident Baschar al-Assad waren Sicherheitskräfte den Berichten der Menschenrechtler zufolge am Samstag in die Grenzstadt Tel Kelach eingedrungen. Sie hätten seitdem zwölf Menschen getötet. Dutzende Familien seien in den benachbarten Libanon geflohen. Die amtliche syrische Nachrichtenagentur meldete, bei Kämpfen mit bewaffneten Gruppen seien in Tel Kelach fünf Soldaten getötet worden.
Opposition fordert Luftangriffe
Die syrische Opposition fordert derweil vom Westen, Luftangriffe auf militärische Ziele in ihrem Land zu fliegen. Die Situation in Syrien sei mit der Lage in Libyen durchaus vergleichbar, "denn in beiden Fällen hat die Armee auf Demonstranten geschossen", sagte der ehemalige Vizepräsident Abdulhalim Chaddam. Chaddam, der seit 2005 im französischen Exil lebt, sagte der arabischen Tageszeitung "Al-Sharq Al-Awsat", dass eine Koalition unter Führung der NATO eine Militäraktion gegen das libysche Regime begonnen habe, gleichzeitig aber die Gewalt gegen Demonstranten in Syrien dulde. Das zeige, "dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird".
Der 78-jährige Chaddam gehört zu den schärfsten Kritikern der syrischen Führung. Er war von 1984 bis 2005 Vizepräsident. Nach dem Tod von Präsident Hafis al-Assad im Sommer 2000 hatte er für eine Woche das Amt des Übergangspräsidenten übernommen, bis der Präsidentensohn Baschar al-Assad neuer Staatschef wurde.
Viele Oppositionelle in Syrien misstrauen Chaddam, der ihrer Ansicht nach als Teil der "alten Garde" des Regimes ebenfalls Schuld auf sich geladen hat. Chaddam erklärte in dem Interview nun, es sei falsch, in Syrien von einer "alten Garde" zu sprechen. Der beste Beweis dafür sei das Schicksal seines Nachfolgers im Amt des Vizepräsidenten, Faruk al-Scharaa. Al-Scharaa stamme aus der Stadt Daraa, in der die Armee mit großer Brutalität gegen Demonstranten vorgegangen sei. Al-Scharaa habe dies nicht verhindern können. Der Vizepräsident habe nichts zu sagen und sei vom Assad-Clan zur Seite gedrängt worden.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa/rts