Politik

Ägypten im Durcheinander ElBaradei wird wohl neuer Regierungschef

Mohammed ElBaradei

Mohammed ElBaradei

(Foto: dpa)

Ägyptens Übergangspräsident Mansur trifft sich mit Friedensnobelpreisträger ElBaradei. Dieser soll Chef der Übergangsregierung werden, aber es gibt auch andere Kandidaten. Unterdessen gibt es weiter zornige Proteste und blutige Zusammenstöße.

Drei Tage nach der Entmachtung des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi durch das Militär beginnt die neue Führung mit der Bildung einer Regierung. Übergangspräsident Adli Mansur will den Friedensnobelpreisträger, Diplomaten und Oppositionspolitiker Mohammed ElBaradei zum Chef der künftigen Übergangsregierung machen. Zuvor war von mehreren offiziellen Stellen gemeldet worden, ElBaradei habe bereits seinen Amtseid abgelegt. Das dementierte ein Sprecher nun. Es gebe mehrere Kandidaten für das Amt. Favorit sei aber ElBaradei.

ElBaradei soll die Übergangsregierung bis zu Neuwahlen für die Präsidentschaft und für das Parlament leiten. Als Chef der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) erhielt er den Friedensnobelpreis. Er war einer der Anführer der Massenproteste gegen Mursi. Mansur, den die Armeeführung ernannt hatte, zog formell in den Präsidentenpalast im Kairoer Außenbezirk Heliopolis ein. Die Ernennung ElBaradeis war eine seiner ersten Amtshandlungen in der neuen Funktion. Zuvor war der vormalige Präsident des Verfassungsgerichts zu Beratungen mit Armeekommandant Abdel Fattah al-Sisi, Innenminister Mohammed Ibrahim und Vertretern der Anti-Mursi-Bewegung Tamarud (Rebellion) zusammengetroffen.

Ein verletzter Mursi-Anhänger.

Ein verletzter Mursi-Anhänger.

(Foto: dpa)

Bei den Ausschreitungen nach Massenprotesten gegen Mursis Absetzung waren am zuletzt nach Angaben des staatlichen Ambulanzdienstes mindestens 36 Menschen ums Leben gekommen, davon 16 durch Schüsse. Mehr als 1100 weitere hatten Verletzungen erlitten. Der offene Machtkampf zwischen den neuen Machthabern und den islamistischen Unterstützern Mursis war eskaliert. Der von den Religiösen ausgerufene "Freitag der Ablehnung" gipfelte in landesweiten Massendemonstrationen mit Zehntausenden Teilnehmern. Der Protesttag gegen den "Militärputsch" hatte ein chaotisches Nachspiel: In der Nähe des zentralen Tahrir-Platzes in Kairo prallten in den Abendstunden Mursis Anhänger und Gegner aufeinander, um sich heftige Straßenschlachten zu liefern. Sie bewarfen sich mit Pflastersteinen und gingen mit Stöcken, Brandsätzen und Feuerwerkskörpern aufeinander los. Die Sicherheitsleute griffen nicht ein. Zu Zusammenstößen kam es auch in Alexandria, Suez und in Al-Arisch auf dem Sinai.

Im Norden des Sinai entglitt den Behörden die Kontrolle: Hunderte Islamisten stürmten in der Nacht zum Samstag den Sitz des Gouverneurs in Al-Arisch. Dutzende von ihnen hielten das Gebäude auch am Tag danach noch besetzt. Bewaffnete Extremisten erschossen in der Stadt einen koptisch-orthodoxen Priester. In der Nähe der oberägyptischen Stadt Luxor starben bei religiös motivierten Zusammenstößen vier Christen und ein Muslim.

Muslimbrüder wollen kämpfen

Die Muslimbrüder, aus deren Reihen Mursi stammt, riefen die Menge am Freitagabend bei ihrer Hauptkundgebung in Kairo auf, so lange auf der Straße zu bleiben, bis dieser wieder an der Macht sei. "Wir werden ihn (Mursi) auf unseren Schultern tragend (ins Amt) zurückbringen", rief ihr Führer Mohammed Badia Zehntausenden zu. "Wir werden für ihn unsere Seelen opfern."

Sowohl Mansur wie auch ElBaradei hatten in den letzten Tagen mehrfach betont, die Islamisten an der Regierung beteiligen zu wollen. Dies schlossen die religiösen Kräfte jedoch kategorisch aus. Auch die Einladung zum Treffen mit Mansur, Al-Sisi und den Tamarud-Vertretern schlugen sie aus. Mursi selbst bezeichnete seine Entmachtung als "klaren Militärputsch".

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief indes die ägyptischen Sicherheitsleute auf, die Demonstranten zu schützen. Polizei und Militär müssten alle gewaltsamen Zusammenstöße vermeiden, erklärte Ban am Samstag in New York. Zugleich rief er das ägyptische Volk auf, "sein Recht auf Demonstrationen ausschließlich friedlich auszuüben".

Bundespräsident Joachim Gauck forderte, zu einer Regierung zurückzukehren, die demokratischen Standards entspreche. Am Rande seines Besuchs in Finnland äußerte er zugleich Verständnis dafür, dass "in einer Situation, in der ein Bürgerkrieg droht, außergewöhnliche Maßnahmen ergriffen werden".

Grünen-Chefin Claudia Roth erklärte am Samstag, ElBaradeis Ernennung zum Regierungschef sei ein gutes Zeichen. "Mit dem Friedensnobelpreisträger kann Ägypten wieder auf den Weg zur Demokratie zurückkehren."

Quelle: ntv.de, che/dpa

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