Politik

"Zug im Kamin" Empörung in Bern

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat mit kritischen Äußerungen erneut für ein Zerwürfnis zwischen Deutschland und der Schweiz gesorgt. Der deutsche Botschafter in Bern sei ins Schweizer Außenministerium einbestellt worden, bestätigte das Auswärtige Amt in Berlin.

Als Grund für die Einbestellung hatte das Schweizer Außenministerium zuvor "die Äußerungen des deutschen Finanzministers Peer Steinbrück vom Samstag" genannt. Steinbrück hatte in der Diskussion um Steuerschlupflöcher in Europa die Schweizer mit Indianern verglichen und die Bereitschaft der Schweiz bezweifelt, sich uneingeschränkt an internationale Standards zu halten.

Es ist bereits das zweite Mal innerhalb eines halben Jahres, dass der deutsche Botschafter Axel Berg von der Schweizer Regierung einbestellt wurde. Auch im Oktober vergangenen Jahres waren Äußerungen Steinbrücks der Auslöser. Steinbrück hatte im Oktober in Paris gesagt, die Schweiz verdiene einen Platz auf einer "Schwarzen Liste", weil sie nicht genügend zur Vermeidung von Steuerbetrug tue. Künftig müsse nicht nur "das Zuckerbrot, sondern auch die Peitsche" eingesetzt werden. Namentlich das Wort "Peitsche" hatte die Regierung in Bern empört.

Jetzt zitierte der Korrespondent des Schweizer Fernsehens, Peter Balzli, den SPD-Politiker mit den Worten: "Es hat nie eine Schwarze Liste gegeben, es ist nur ein Instrument gewesen, um die Indianer in Angst und Schrecken zu versetzen". Und er freue sich, so Steinbrück, dass "Zug in den Kamin gekommen ist". Die führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) hatten gedroht, Staaten, die eine Zusammenarbeit im Kampf gegen länderübergreifende Steuerflucht verweigerten, auf einer Schwarzen Liste der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) an den Pranger zu stellen.

Schweiz: "Aggressiv und beleidigend"

Die Äußerungen Steinbrücks seien "inakzeptabel, aggressiv und beleidigend", sagte Außenministerin Micheline Calmy-Rey vor dem Nationalrat, der Hauptkammer des Parlaments. "Wir hätten uns eine andere Reaktion von Deutschland auf die Lockerung des Bankgeheimnisses erhofft." Die Schweiz hatte eine von Steinbrück geforderte Lockerung ihres Bankgeheimnisses zur Enttarnung von Steuersündern zugesagt. Deutschland bezweifelt allerdings genau diese Bereitschaft.

Die Botschaft hör ich wohl,

In den vergangenen Tagen hatten sich Liechtenstein, Andorra, Monaco, Belgien, die Schweiz, Österreich und Luxemburg bereiterklärt, das Bankgeheimnis zu lockern, damit sie nicht auf die angedrohte Schwarze Liste gesetzt werden. Nach jüngsten Äußerungen der Schweiz und Österreichs, wonach die Auskünfte aber von einem begründeten Verdacht auf Steuerhinterziehung abhängig gemacht werden sollen und das Bankgeheimnis grundsätzlich beibehalten werden soll, erklärte das deutsche Finanzministerium: "Absichtserklärungen müssen durch konkrete Taten unterlegt werden." Steinbrück sprach sich dafür aus, international weiterhin Druck zu machen und dies auch durch nationale Maßnahmen zu begleiten: "Der Druck muss aufrechterhalten bleiben, bis entsprechende Vereinbarungen unterschrieben und in die Tat umgesetzt worden sind."

allein, mir fehlt der Glaube

Der OECD-Standard verlangt Auskünfte bereits in einem einfachen Besteuerungsverfahren. "Zugang zu Bankinformationen ist unabhängig davon zu gewähren, ob ein konkreter Verdacht auf Steuerhinterziehung besteht. Außerdem soll sich kein Steuerhinterzieher mehr hinter einer Briefkastenfirma oder einem Strohmann verstecken können", erläuterte das Steinbrück-Ministerium. Die positiven Absichtserklärungen mehrerer bislang unkooperativer Länder müssten nun "durch konkrete Taten unterlegt werden".

Schweizer Bankiers wollen Kompensation

Inzwischen fordern schweizerische Banken einen Ausgleich für die geplante Lockerung des Bankgeheimnisses. "Durch die neue Politik der Amtshilfe in Steuersachen wird der Finanzplatz Schweiz zumindest teilweise einen bedeutenden Konkurrenzvorteil verlieren", erklärte der Verband der Schweizer Privatbankiers in Genf. Es sei daher "wesentlich", dass die Schweiz "andere Maßnahmen" ergreife, um die Wettbewerbsfähigkeit wieder herzustellen. Sonst werde das ganze Land "die negativen Folgen tragen müssen".

Diese Maßnahmen könnten "fiskalischer, reglementarischer oder anderer Natur" sein, erklärte der Verband, ohne konkrete Forderungen aufzustellen. Schweizer Privatbanken verwalten in großem Stil die Vermögen von wohlhabenden Kunden, viele von ihnen aus dem Ausland.

Quelle: ntv.de

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