Wenig Konkretes beim Kanzlergipfel Energie-Neustart verpufft
23.05.2012, 15:34 Uhr
Die Energiewende ist wichtig. Mehr weiß der Bürger nach dem Treffen nicht.
(Foto: REUTERS)
In den vergangenen Tagen entsteht der Eindruck: Die Energiewende ist das Schicksalsprojekt dieser Regierung. Jetzt muss etwas geschehen. So wichtig ist der Umschwung, dass Umweltminister Röttgen gehen, Altmaier übernehmen muss, so heißt es offiziell. Beim Bund-Länder-Treffen ist von diesem Elan allerdings nicht mehr viel übrig.
Einen Neustart in der Energiepolitik wollte Kanzlerin Angela Merkel anstoßen. Den zuständigen Minister wechselte sie aus: NRW-Wahlverlierer Norbert Röttgen musste gehen, Merkels Vertrauter Peter Altmaier übernahm. Doch beim Neustart kommt Schwarz-Gelb nicht so recht aus den Startlöchern.
Als Altmaier gemeinsam mit Merkel, Wirtschaftsminister Philipp Rösler und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und seinem rheinland-pfälzischen Amtskollegen Kurt Beck von der SPD nach dem Energiegipfel im Kanzleramt vor die Presse tritt, haben sie eher wenig vorzuweisen. Man ergeht sich in recht allgemein gehaltenen Floskeln über die Wichtigkeit des Projekts Energiewende und der Zuversicht, dass es schon werden würde.
Viel "Historisches", wenig Konkretes
Altmaier sieht nach dem Gespräch die Chance auf einen nationalen Konsens. Bund und Länder seien sich ihrer Verantwortung bewusst. Nun müssten beide Seiten ihre Hausaufgaben bis zum nächsten Treffen von Kanzlerin Angela Merkel mit den Länderchefs machen, sagte Altmaier nach dem Treffen im Kanzleramt.
Die Kanzlerin selbst versucht, eine positive Stimmung zu verbreiten. "Die Energiewende ist eine große Aufgabe, man kann sagen eine Herkulesaufgabe, der wir uns verpflichtet fühlen", sagte sie. "Wir wollen den Erfolg." Das Treffen sei ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur Umsetzung der Energiewende. Was Politiker eben so sagen.
Auch Rösler betonte, die Energiewende sei eine Aufgabe von historischer Dimension, aber auch eine Riesenchance für deutsche Firmen auf den Weltmärkten. Jetzt müssten rasch die nötigen 4000 Kilometer neue Stromleitungen gebaut werden. "Der Erfolg hängt eins zu eins mit dem Netzausbau zusammen", sagte Rösler.
Plan für Stromnetzausbau kommt - "in Kürze"
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) erklärte, Bund und Länder müssten nun mehr Tempo machen. Der rheinland-pfälzische Regierungschef Kurt Beck (SPD) sagte, die Länder hätten Merkel ihre Sorgen mitgeteilt. Die Wirtschaft brauche Planungs- und Investitionssicherheit.
An konkreten Ergebnissen brachte das Treffen auf höchster Ebene kaum etwas. Künftig solle es halbjährliche Treffen geben, um Fortschritte und nicht erledigte Aufgaben zu identifizieren, so die magere Ausbeute. Außerdem sollen die zahlreichen Plattformen und Arbeitsgruppen besser koordiniert werden. Dies mahnt auch die Wirtschaft an. In Kürze soll ein Plan für die bundesweite Stromnetzplanung vorgelegt werden.
Bei dem Steuerbonus für energetische Gebäudesanierungen und der Kürzung der Solarförderung müssten Bund und Länder rasch zu einer Einigung kommen. "Hier drängt die Zeit." Durch Gebäudesanierungen lassen sich die Energiekosten um bis zu 70 Prozent senken. Ein Steuerrabatt von 1,5 Milliarden Euro scheitert bisher am Länder-Veto. Mit der Solarförderkürzung will die Regierung die Kosten der Bürger drücken, die die Förderung über den Strompreis zahlen. Ostdeutsche Länder fürchten aber durch die Kappung Pleiten in der dortigen Solarbranche.
Seehofer will "Bayernwerk"
Bayerns Ministerpräsident derweil, die Geduld zu verlieren und einen Alleingang zu unternehmen, wenn die Berliner Koalition nicht zu schnellen Lösungen kommt. In der "Süddeutschen Zeitung" stellte er die Gründung eines eigenen Energieversorgers in Aussicht: "Dann gründen wir ein Bayernwerk." Zwar seien ihm marktwirtschaftliche Lösungen lieber, aber staatliche auch denkbar, sagte Seehofer. Bayern will mit bis zu fünf Gaskraftwerken einen Großteil der Stromlücke schließen, die sich nach dem Abschalten der bestehenden Kernkraftwerke bis 2022 ergibt.
Der Präsident des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), Stephan Weil, forderte dringend mehr Steuerung und Abstimmung, sonst fahre die Energiewende gegen die Wand. "Wir haben ein heilloses Durcheinander von Kompetenzen und Personen, die sich berufen fühlen, einzelne Teile der Energiewende zu vertreten", sagte er. Ohne Drehbuch gebe es keine Investitionen in Netze und Kraftwerke. "Es ist, wenn Sie so wollen, ein Führungsversagen der Bundeskanzlerin an dieser Stelle", sagte Weil.
Der BUND und Greenpeace forderten mehr Entschlossenheit, zudem kritisierten sie Rösler, dass er die Wende torpediere. "Frau Merkel muss die Energiewende zur Chefsache machen. Nur dann kann sie Wirtschaftsminister Rösler davon abhalten, die Zukunftsbranche Regenerative Energien mit hektischen Kürzungen weiter kaputt zu machen", sagte Roland Hipp, Kampagnen-Geschäftsführer von Greenpeace.
Quelle: ntv.de, jog/dpa